Reden ist Gold und Schweigen ein No-Go
Wenn Rekrutierungsprozesse länger dauern als erwartet, lohnt es sich, die Bewerber auf dem Laufenden zu halten.
Hört ein Kandidat nach Absenden der Bewerbung länger nichts vom potenziellen Arbeitgeber, kann dies einen schlechten Eindruck erwecken. «Bei längeren Fristen kann der Eindruck aufkommen, die Unternehmung sei an der Kandidatur nicht interessiert oder es handle sich um eine schlecht organisierte Unternehmung», erklärt der Unternehmensberater Walter Siegenthaler, der auch Kunden im Bereich Kaderrekrutierung berät.
Systemgetriebene Absagen sollten vermieden werden
Umso entscheidender ist es, die Kandidatinnen und Kandidaten «bei Laune» zu halten und ihnen mit Rückmeldungen das Interesse an ihnen zu signalisieren. Walter Siegenthaler rät, die Verbindung per Telefon aufrechtzuerhalten. Schriftliche Vertröstungen hält er für untauglich, weil dabei die Stimmung bei den Kandidaten nicht erfasst werden könne. Siegenthaler empfiehlt deshalb, den Kandidaten innerhalb von maximal fünf Arbeitstagen nach dem Erstgespräch durch einen Anruf eines Personalverantwortlichen darüber zu informieren, dass man immer noch interessiert ist.
Bei Ascom Schweiz steht HR in regelmässigem Mail-Kontakt mit den Kandidaten. Es sei aber tatsächlich so, dass sich Rekrutierungsprozesse manchmal verzögern, bestätigt Margrit Hensler, HR-Manager bei Ascom Schweiz AG. «Es ist deshalb wichtig, mit valablen Kandidaten in regelmässigem Kontakt zu bleiben und offen und transparent zu informieren.» Wenn immer möglich versuche man, den Prozess intern zu beschleunigen und zumindest einen ersten telefonischen oder persönlichen Kontakt mit der Linie herzustellen.
Wenn es bei der Baloise Group zu Verzögerungen im elektronisch gestützten Bewerbungsprozess kommt, halten Andreas Kuhlen und sein Team von der Group Human Resources die Interessenten auf dem Laufenden: «Bei einer Verzögerung von mehr als zwei Wochen bekommen die Kandidaten einen telefonischen oder schriftlichen Zwischenbescheid.» Eine erste Rückmeldung erhalten Kandidaten bereits kurz nach dem Abschicken der Bewerbung durch die automatische Eingangsbestätigung. Künftig plant die Baloise Group, ein Service Level Agreement im Rekrutierungsprozess zu verankern, in dem Antwortzeiten festgehalten sind. Ein No-Go ist für Andreas Kuhlen eine systemgetriebene Absage: «Es ist uns ein Anliegen, dass sich die Kandidaten im ganzen Bewerbungsprozess ernst genommen, sicher und gut informiert fühlen.»
Die medizinische Nothilfe-Organisation Médecins Sans Frontières Schweiz (MSF) selektioniert ihre hochqualifizierten humanitären Helfer in einem zweimonatigen Recruitment-Prozess, der Informationssession, Bewerbung, Screening und Assessment umfasst. «Danach erfolgen die Kontakte via E-Mail und Telefon. «Ist der Kandidat einmal für einen Einsatz vorgesehen, bleibt er in regelmässigem Kontakt mit uns, bis wir für ihn einen passenden Einsatz gefunden haben», erklärt Roland Thomann, Kommunikationsleiter von MSF Schweiz. «Bis ein humanitärer Helfer ins Feld geschickt wird, dauert es zwei bis drei Wochen, in Krisenzeiten auch nur zwei Tage. In dieser Phase sind wir täglich im Kontakt mit den Kandidaten.»
So nicht:
- Keine Reaktion auf Bewerbungen oder Nachfragen
- Zu lange Fristen: Alle Kandidaten sollten nach wenigen Tagen eine erste Rückmeldung erhalten. Einladungen zum Vorstellungsgespräch nach maximal sieben Tagen signalisieren Interesse. Ebenso eine Benachrichtigung nach einem Interview nach fünf Tagen.
- Destruktive Absagebegründungen: Fähigkeiten als ungenügend bezeichnen; Wünsche als überrissen beurteilen. Besser geeignet ist die Formulierung, es hätten sich Kandidaten mit zutreffenderen Profilen gemeldet.
- Mit Unwahrheiten operieren: etwa den Zustand der Firma oder deren Klima schönreden; Führungsprobleme nicht ansprechen; zu lange Fristen mit Abwesenheiten begründen, wenn es nicht zutrifft; eine Absage mit zu hohen Lohnforderungen begründen, wenn es andere Gründe gibt.