Remote Work eignet sich nicht für alle
Wie man ein dezentrales Team richtig führt und schult. Tipps für Mitarbeitende und Führungskräfte.
Remote Work ist nicht für Jeden geeignet, aber mit der richtigen Leadership-Strategie gelingt es trotzdem, ein engagiertes und motiviertes Team aufzubauen. (Bild: iStock)
Remote Work – seit Jahren ein Trend insbesondere bei vielen Start-ups. Keine Arbeitswege, hausgemachtes Essen, Netflix oder doch lieber ein angesagter Coworking-Space mit Pool? Diese Traumvorstellung wurde vor einigen Monaten zur unvermeidbaren Realität vieler Unternehmen und Arbeitnehmenden. Corona sei Dank.
Trotz aller Vorzüge, gestaltet sich die remote Arbeit nicht ganz so einfach, wie man es sich vielleicht vorstellt. Und nicht alle Mitarbeitenden sind für ortsunabhängiges Arbeiten geeignet. Denn wer denkt, dass Remote-Arbeit gleichbedeutend ist wie in der Jogginghose auf der Couch liegen mit einer Schüssel Popcorn auf dem Schoss, sollte es lieber sein lassen. Projekte erledigen sich nicht von selber, sondern erfordern ein höchst motiviertes und engagiertes Team – sowohl im 200m² Büro eines Wolkenkratzers, als auch im privaten koreanischen Goshiwon (zu Deutsch: Boxzimmer): Arbeit ist Arbeit. Tatsächlich werden die meisten feststellen, dass arbeiten im Homeoffice sogar um einiges intensiver ist und mehr Disziplin erfordert, als der regulärer 8-5-Job im Büro. Was aber sollten remote Mitarbeitende mitbringen? Im Folgenden ein Überblick:
1. Eigeninitiative und Disziplin
Im Homeoffice gibt es keine direkte Führungskraft vor Ort. Mitarbeitende müssen daher ihrer Arbeit stets engagiert, mit Freude und motiviert nachgehen. Vor allem sollten sie ein hohes Mass an Konzentrationsfähigkeit zeigen und sich nicht schnell ablenken lassen. Eine Studie der Stanford University hat gezeigt, dass remote Mitarbeitende sogar um 13 Prozent produktiver sind, als Mitarbeitende im Büro. Auf Knopfdruck und ohne Selbstmotivation wird dies allerdings nicht geschehen.
2. Ein guter Selfmanager sein
Prioritäten setzen ist enorm wichtig, denn gerade bei Remote-Teams kann man schnell den Überblick verlieren. Um so entscheidender ist es daher, Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden und sich auf ein Ziel zu fokussieren. Aber auch im Hinblick auf die eigene Work-Life-Balance sollten Mitarbeitende gute Selbstmanager sein. Remote Work heisst nicht 24/7 online präsent sein. Setzen Sie sich bewusst Grenzen, trennen Sie Privates von Beruflichem und gönnen Sie sich ohne schlechtes Gewissen Ruhezeiten.
3. Ein schriftlich guter Kommunikator sein
Der Grossteil der Homeoffice-Kommunikation läuft schriftlich und asynchron ab – Mimik und Gestik entfallen. Jedes Satzzeichen, jedes Wort und jeder Buchstabe werden somit bedeutend, das kann auch zu Missverständnissen und Unklarheiten führen. Wer sich nicht klar und präzise ausdrückt sowie generell wortkarg kommuniziert, wird es beim ortsunabhängigen Arbeiten schwer haben.
4. Zuverlässig sein
Führungskräfte haben keine direkte Kontrolle über die Mitarbeitenden und müssen dem Team daher voll und ganz vertrauen können. Die Mitarbeitenden müssen also unter anderem versprochene Deadlines gewissenhaft einhalten.
Das Team richtig leiten
Für viele Unternehmen und ihre Belegschaft war der Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie ein Sprung ins kalte Wasser und – ob für Remote Work geeignet oder nicht – sie mussten sich auf diese Situation einlassen. Umso wichtiger ist es, dass Führungspersonen gute Leader sind, ihre Teams bestmöglich für die remote Arbeitskultur schulen und die Arbeitsprozesse sowie die interne Kommunikation optimieren.
1. Einheitliches Kommunikationssystem schaffen
Da Mimik und Gestik in der schriftlichen Kommunikation entfallen, braucht es zwingend eine transparente Kommunikationskultur, die jedem Mitarbeitenden bei Unklarheiten einen schnellen und einfachen Informationsaustausch ermöglicht. Statt Privatnachrichten kann es beispielsweise sinnvoller sein, öffentliche Threads zu gestalten, so dass das gesamte Team sofort «up to date» ist. Auf keinen Fall sollte dabei auf Face-to-Face-Meetings und Feedbacks verzichtet werden. Diese ermöglichen es nicht nur den sozialen Kontakt zu fördern und komplexere Themen zu besprechen. Regelmässige Check-Ins erinnern die Mitarbeitenden auch daran, dass remote Arbeit eben auch Arbeit ist.
2. Klare Erwartungshaltung definieren
Sind einheitliche Arbeitszeiten erwünscht? Welche Projekte haben Priorität? Was genau erwarten Sie von den Mitarbeitenden? Erklären Sie dem Team von Anfang an, welchen Spielraum sie im Homeoffice haben. Bei realistischen Zielen, einer guten Struktur und klar definierten Richtlinien, wird jeder Mitarbeitende nach einer gewissen Zeit seinen eigenen Arbeitsrhythmus finden, um seine Aufgaben effizient zu erledigen.
3. Vertrauen schenken
Remote Work verlangt erhebliches Engagement aller Beteiligten. Die Mitarbeitenden werden allerdings nur dann engagiert sein und Eigeninitiative zeigen, wenn sie eine persönliche Bindung zum Unternehmen haben. Das bedeutet für Führungskräfte vor allem eines: Finger weg vom Mikromanagement! Lernen Sie lieber loszulassen und dem Team zu vertrauen. Fernarbeit bedeutet, dass Prozesse anders ablaufen. Solange die Mitarbeitenden keinen konkreten Fehler machen und ein gutes Endergebnis liefern, ist es wichtig ihnen etwas Freiraum zu lassen.
Übrigens hat eine Gallup-Studie ergeben, dass Vertrauen zu den wichtigsten Qualitäten einer Führungskraft gehört. Dank Vertrauen steigt das Mitarbeiterengagement gar um das sechsfache an.
4. Die richtige Einarbeitung
Für Mitarbeitende, die es gewohnt sind mit einem grossen Team vor Ort zu arbeiten, können die ersten Tage und Wochen im eigenen Office schwierig sein. Beispielsweise, wenn neue Projekte und Aufgaben hinzukommen, bei denen diese Mitarbeitenden Fragen haben und dann den persönlichen Gesprächsaustausch vermissen. Eine «Offene-Bürotür-Politik» sollte auch bei Fernarbeit gelten.
5. Stärkere Company Culture
Die Unternehmenskultur beeinflusst unser Gemeinschaftsgefühl, die Zugehörigkeit und die Motivation etwas als Team zu erreichen. Wer es nicht gewohnt ist selbstständig und ohne direkten Kontakt zum Team vor Ort zu arbeiten, fühlt sich schnell isoliert. Die Unternehmenswerte, das Teambuilding und die persönlichen Beziehungen sollten deshalb in einer dezentralen Arbeitskultur noch stärker gefördert werden. Dies können Online-Kaffeepausen, virtuelle Feierabende, aber auch (je nach Entfernung) regelmässige persönliche Treffen sein, damit sich das gesamte Team auf menschlicher Ebene näher kommen kann.
6. Die Ausstattung
Ein voll funktionsfähiger Arbeitsplatz ist wichtig, damit jeder Mitarbeitende schnell und effizient arbeiten kann. Vor allem sollte die Ergonomie des Arbeitsplatzes berücksichtigt werden, um die physische und physische Gesundheit zu schützen. Dazu zählen unter anderem der Stuhl, die richtige Positionierung und die Grösse des Tisches, die Beleuchtung, der Bildschirm, die Zimmertemperatur, die Luftfeuchtigkeit sowie der Lärmpegel.
7. Rekrutierung und Onboarding
Falls Sie die Möglichkeit haben neue Kandidaten einzustellen, können Sie natürlich von Anfang präziser selektieren. Remote Work bietet den Vorteil, dass Sie bei der Mitarbeiterakquise auf Talente aus aller Welt zurückgreifen können.
Aber die Rekrutierung von Remote-Mitarbeitenden erfordert einen etwas anderen Ansatz, als die Rekrutierung vor Ort. Nicht nur weil Sie die Bewerbenden (oft) nicht persönlich treffen, sondern vor allem aufgrund der zusätzlichen Qualifikationen, die für erfolgreiche remote Arbeit erforderlich sind.
Bei der Rekrutierung von Remote-Kandidaten werden Telefon- und Videointerviews Ihre wichtigsten Kommunikationskanäle sein. Ausserdem empfiehlt es sich, die fachspezifischen Kompetenzen anhand eines Tests zu überprüfen – moderne Rekrutierungstools unterstützen Sie dabei.
Auch das Onboarding ist entsprechend schwieriger, wenn es nicht vor Ort erfolgen kann. Dazu folgende Tipps:
- Statten Sie die neuen Mitarbeitenden mit dem individuell nötigen Equipment aus und stellen Sie alle notwendigen Accounts und Logins bereit.
- 1:1 Meetings mit anderen Mitarbeitenden ermöglichen es, sich auf privater Ebene kurz auszutauschen und persönlich kennenzulernen. Der persönliche Kontakt ist insbesondere in der Anfangsphase wichtig.
- Bei regelmässigen Feedbackgesprächen können Sie den bisherigen Fortschritt der Einarbeitung reflektieren und gleichzeitig das Wohlbefinden des neuen Mitarbeitenden checken.
- Integrieren Sie neue Mitarbeitende vom ersten Tag an in die Unternehmenskultur. Ein Willkommenspaket mit den wichtigsten Informationen sowie einigen Company Goodies ist eine gute Möglichkeit, den Einstieg etwas schmackhafter zu gestalten.
- Richten Sie in Ihrem Projektmanagement-Tool einen zentralen Ordner ein, in der wichtige Unternehmensinfos und Prozesse zusammengefasst sind. So kann sich jeder Mitarbeitende bei spontanen und allgemeinen Fragen selbst durch die Informationen klicken und sich Schritt für Schritt an das Unternehmen herantasten.
Fazit
Ein Remote-Team kann auf keinen Fall genauso geführt und eingearbeitet werden, wie ein zentral aufgestelltes Team im Büro. Auf Distanz arbeiten heisst nun mal auch, dass Dinge anders ablaufen, als im traditionellen Office. Vertrauen, eine starke Unternehmenskultur, klar definierte Ziele und eine aktive interne Kommunikation spielen zentrale Rollen in der Einarbeitung und Schulung von Remote-Mitarbeitenden.
Remote Work ist nicht für Jeden geeignet, aber mit der richtigen Leadership-Strategie gelingt es trotzdem, ein engagiertes und motiviertes Team aufzubauen, welches gemeinsam in Richtung Unternehmensziel zieht – egal wie viele Kilometer die Mitarbeitenden voneinander trennen.