Rentenalter 67?
Sinnvoll oder sinnbefreit: Das von politischer Seite kontinuierlich aufs Tapet gebrachte «Rentenalter 67» polarisiert – auch bei unseren Debattierenden. Was davon zu halten ist.
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Anja Buser, HR Strategies, HR Campus: «Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt.»
Zeit, zum Handeln, denn in der Schweiz ist die Frühpensionierungsquote von Arbeitnehmenden zweieinhalb Mal so hoch wie die der Selbstständigerwerbenden. Das spiegelt für mich eine Haltung, die immer noch in vielen Unternehmen spürbar ist: «Ist doch gut, wenn sich Mitarbeitende frühpensionieren lassen. Die kosten sowieso viel, sind weniger leistungsfähig und nicht flexibel. So gibt es Platz für Jüngere.» Dabei fehlt der Bezug zur Realität komplett. Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt. Die Stellenbesetzungskosten sind immens. Der Anteil der über 50-jährigen Erwerbstätigen ist und bleibt bei einem Drittel.
Klar kann ich diese Arbeitnehmenden ignorieren. Als Arbeitgeberin kann ich aber auch überlegen, was ich tun kann, damit sie sich wohlfühlen und zum Unternehmenserfolg beitragen. Mein persönliches Beispiel: Als blutjunge Beraterin Ende 20 arbeitete ich an meinem lehrreichsten Projekt mit zwei Ansprechpartnern auf Kundenseite. Der eine war Mitte 60 und davor COO in Asien und der andere Ende 50 und ehemaliger CFO einer Ländergesellschaft. Mein Kunde hätte diese beiden Mitarbeitenden einfach in die Pension schicken können. Doch wir drei ergänzten uns perfekt und waren ein so gutes Team, dass wir mit dem Projekt Unmögliches schafften.
Nebst altersgemischten Teams und Aufgabenanpassungen gibt es viele weitere Ideen, um ein gutes Arbeitsumfeld für ältere Mitarbeitende zu schaffen. Etwa Teilzeitangebote im Sinne einer Sinuskarriere, Weiterbildungsprogramme oder proaktive Wellbeing-Programme. Genauso wichtig ist es aber, eine Kultur zu fördern, in der ältere Mitarbeitende Wertschätzung erfahren. Wir können das Rentenalter auf 70 Jahre erhöhen, aber solange wir an unserer Haltung nichts verändern, wird uns das nichts bringen.
Christoph Hilber, Personalberater, P-CONNECT – Executive Search & Outplacement: «Steuersysteme machen die Arbeit im Alter unattraktiv.»
Mögliche Lösungsansätze: Flexible Arbeitsmodelle sind wie für Jungfamilien auch im Alter sinnvoll, um Arbeit und Lebensgenuss zu vereinbaren. Zudem sollten GAVs und PK-Reglemente angepasst werden. Ohne das ist eine Anstellung von 50+ heute schon schwierig, 65+ werden so keine Arbeit mehr finden. Daneben machen Steuersysteme die Arbeit im Alter unattraktiv.
Unberücksichtigt bleibt auch, dass viele Pensionierte Freiwilligenarbeit leisten. Oft auch in der Pflege. Arbeiten sie länger, führt ein Teil der AHV-Einsparungen somit zu steigenden Gesundheitskosten. 50+ werden ausserdem viel weniger umworben als Hochschulabgänger, die zuerst in die Praxis eingearbeitet werden müssen. Das ist bei 50+ nicht notwendig. Häufig müssen sie jedoch umgeschult werden, beanspruchen dank ihrer Lebenserfahrung aber weniger Coachings.
Nicht nur Arbeitgebende, auch Arbeitnehmende müssen neu denken: Mit zunehmendem Alter Positionen mit tieferem Salär zu akzeptieren, sollte als Chance eines einfacheren Übergangs in die Rente gelten. Das Life Long Learning zahlt sich zudem auch im Alter aus. Fazit: Die demografische Entwicklung rechtfertigt eine Erhöhung des Rentenalters auf 67, wird an der Urne aber scheitern, solange Betroffene nur verlieren.
Monika Bütikofer, Senior HR-Manager, Webhelp Schweiz AG: «Die heute 58-Jährigen sind zu jung zum sterben, aber bereits zu alt für neue Arbeitgebende.»
Die heute 58-Jährigen sind zu jung zum Sterben, aber bereits zu alt für neue Arbeitgebende. «Der Chef möchte einer Jüngeren den Vorzug geben», «wir haben die Vorgabe das Durchschnittsalter zu senken.» Sätze, die im Herzen schmerzen. Ja, klar, Jüngere sollen auch ihre Sporen abverdienen. Was aber, wenn immer mehr «jung, hübsch, Bachelor» gefragt ist anstelle von «Erfahrung, in sich ruhend, zuverlässig»? Psychologen und Psychiater werden noch mehr Auslastung erleben. 50+ ist das neue Krankheitsbild und wird die Wirtschaft noch länger beschäftigen, sofern 67 zum neuen Rentenalter erkoren wird. Wenn wir jetzt schon zu alt sind, aber gut genug, um die Sozialversicherungen mit unseren Beiträgen mitzufinanzieren, wie wollen wir psychisch unversehrt Stellen finden und ausfüllen, wenn wir in höherem Alter auf dem freien Stellenmarkt landen?
Wird es eine Quotenregelung für ü60 und ü65 geben? Hoffentlich. Betrachten wir die sinkenden Renten des BVG, die jeweilige Infragestellung der AHV-Rente und stellen die Lebenshaltungskosten gegenüber, werden wir fast automatisch bis 67 arbeiten, weil der Ruhestand nicht gelebt werden kann und so zum Unruhestand verkommt. Hobbys im Rentenalter: «Gruppentreffen und Gesprächskreise für Ausgebrannte», «Überleben ohne Geld und ohne Energie» oder den Besteller «Plötzlich abgeschoben» lesen.