HR Today Nr. 12/2021: Debatte

Darf man Mitarbeitenden Meinungsäusserungen auf Social Media verbieten?

Geht es um Kontrollen, scheiden sich die Geister. So auch im Umgang mit Social Media. Was dürfen Mitarbeitende dort posten? Wo gibt es hierfür Grenzen? Ist ein Verbot automatisch ein Einschnitt in die Privatsphäre oder gibt es Ausnahmen? Drei Wortmeldungen.

Eva Maria Spoerri, Rechtsanwältin, Anwaltskanzlei Eva Spoerri: «Vernünftige Mitarbeitende werden mit sozialen Netzwerken bedacht umgehen.»

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Social Media ist ein machtvolles Instrument zur Meinungsäusserung. Dabei verwischen sich die Linien zwischen privater und beruflicher Sphäre immer mehr. Mitarbeitende müssen sich jedoch bewusst sein, dass Meinungsäusserungen mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebenden kollidieren und sie dadurch die Treuepflicht ihm gegenüber verletzen können. Vernünftige Mitarbeitende werden im Bewusstsein möglicher Interessenskonflikte bedacht mit sozialen Netzwerken umgehen. Die meisten Arbeitgebenden werden aber nicht ohne Weiteres auf die Vernunft ihrer Mitarbeitenden vertrauen.

Was für Möglichkeiten hat ein Arbeitgebender, um möglichen Schaden abzuwenden, bevor er angerichtet ist? Aufgrund seines Weisungsrechts kann der Arbeitgebende Social-Media-Richtlinien zur Benutzung von sozialen Netzwerken aufstellen. Ob es allerdings zweckmässig ist, eine solche Richtlinie auf Verboten aufzubauen, ist fraglich. Im besten Fall hilft eine Social-Media-Richtlinie, um Mitarbeitende präventiv zu sensibilisieren. Darin wird ihnen aufgezeigt, inwiefern die Nutzung sozialer Netzwerke arbeitsvertragliche Verhaltenspflichten verletzen können.

Zudem muss sich der Arbeitgebende bewusst sein, dass er die Aktivitäten seiner Arbeitnehmenden nicht ständig überwachen kann und dies auch nicht darf. Da Social Media von Mitarbeitenden sowohl privat als auch beruflich genutzt werden, kann eine ständige Überwachung ein unzulässiger Eingriff in die Persönlichkeit darstellen.

Letztlich muss sich ein Arbeitgebender darüber im Klaren sein, dass die Gefahr negativer Meinungsäusserungen auf Social Media immer so gross ist, wie das Arbeitsklima schlecht ist. Schafft es ein Unternehmen, die Rahmenbedingungen für ein auf Vertrauen basiertes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende auch Kritik äussern dürfen, muss er sich vor negativen Meinungsäusserungen seiner Mitarbeitenden auf Social Media kaum fürchten.

Nadine Kobel, HR Strategies, HR Campus: «Es braucht einen guten Umgang mit Social Media: keine Verbote, sondern Befähigung.»

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Wie oft haben Sie einen Beitrag Ihres Arbeitgebenden geteilt oder ge­likt? Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir: Es kommt öfters vor, dass Sie einem Post beipflichten oder gar einen Kommentar hinterlassen.

Teilen, liken und kommentieren gehört in unserer digitalen Zeit zum Alltag. Die Relevanz der sozialen Medien und die Präsenz darin nehmen stetig zu und für Unternehmen wie auch für Privatpersonen sind die sozialen Medien zu einem starken Sprachrohr nach aussen geworden. Unternehmen verlassen sich nicht auf die eigene Reichweite, sondern nutzen auch Mitarbeitenden-Netzwerke, indem sie Mitarbeitende Beiträge teilen, liken oder gar verfassen lassen. Werden Beiträge von Mitarbeitenden geteilt und dementsprechend mitgetragen, wirkt dies oft authentischer und glaubwürdiger. Profitiert ein Unternehmen von diesem Katalysator, müsste es meiner ­Meinung nach auch die Meinungsäusserung der Mitarbeitenden akzeptieren und ihnen nicht vorschreiben, wie sie die sozialen Medien zu nutzen haben.

Dementsprechend braucht es für einen guten Umgang mit Social Media keine Verbote, sondern Befähigung. Man kann dieser Thematik mit Schulungen begegnen oder den Umgang mit sozialen Medien in Teams diskutieren. Oft wird jedoch unterschätzt, dass die meisten Menschen schon wissen, wie man sich im professionellen Kontext offline wie auch online zu verhalten hat.

Monika Bütikofer, Senior HR-Manager, Webhelp Schweiz AG: «ist ein Mitarbeitender privat unterwegs, sollte er seine Meinung unbefangen äussern können, ohne sich jedoch gegen die Firma zu richten.»

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In der Regel haben wir eine eigene Meinung. Entsprechend publizieren oder posten wir Beiträge auf Social Media. Zum einen, um gehört zu werden, zum anderen, um uns in Gremien auszutauschen oder eine Diskussion anzuregen.

Nehmen wir die neuen Gender-Schreibweisen. Man kann das gut oder umständlich finden. Geht es jedoch nicht zu weit, den Chef fragen zu müssen, ob man sich zu diesem Thema in den sozialen Medien äussern dürfe? Nun ja, im Zeitraum «9 to 5», in der die Schaffenskraft eines Mitarbeitenden der Firma zur Verfügung steht, ist eine Kommentierung auf Facebook, Twitter oder Instagram nicht opportun und schon gar nicht als Sprachrohr der Firma. Dafür sind geschulte Menschen in der Firmenkommunikation verantwortlich. Nach 17 Uhr ist ein Mitarbeitender dagegen als Privatperson unterwegs und sollte seine private, persönliche Meinung unbefangen äussern können, ohne sich jedoch gegen die Firma zu richten.

Personen, die Meinungsäusserungen publizieren, zeigen Mut, weil sie sich bewusst sind, dass nicht alle ihre Meinung teilen. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Arbeitgebenden zu beurteilen, wie die Meinungsäusserungen eines Mitarbeitenden von einer unbekannten Drittperson aufgefasst werden könnten oder ob diese auf Ablehnung stossen. Noch weniger hat er zu bewerten, ob irgendjemand auf der Welt diese Meinung anders auffassen könnte. Beispielsweise, weil eine Person diese gar nicht versteht. Publizisten verursachen nicht nur Shitstorms in Social Media, sie artikulieren sich auch überlegt zu einem bestimmten Thema. Das sollte in unserer Kultur immer erlaubt sein.

 

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