HR Today Nr. 9/2021: Debatte

Sollen Arbeitgebende Mitarbeitende dafür bezahlen, dass sie einen positiven Beitrag auf Kununu verfassen?

«Der Zweck heiligt die Mittel» oder doch eher «Ehrlich währt am Längsten»? Geht es um bezahlte Kununu-Einträge von (ehemaligen) Mitarbeitenden, sind sich unsere drei Experten ziemlich einig, welches Sprichwort Arbeitgebende wörtlich nehmen sollten.

Martin Schädler, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Zentrale Dienste, Finanzmarktaufsicht (FMA) Liechtenstein: «Mit solchen Aktionen schadet sich ein Unternehmen nur selbst.»

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Auf keinen Fall. Die Bewertungen auf Kununu müssen echt sein und dürfen nicht durch Anreize verfälscht werden. Mit solchen Aktionen schadet sich ein Unternehmen nur selbst. Wird potenziellen Bewerbenden ein falsches Bild der Unternehmenskultur vermittelt, wirkt sich das auf die Fluktuation aus, da neue Mitarbeitende nicht das erhalten, wofür sie unterschrieben haben. Das Prinzip «Bewertung gegen Entlohnung» ist nicht nur unseriös, sondern auch nicht rechtskonform, wie Gerichtsentscheide schon bestätigt haben.

Mit solchen Aktionen macht sich ein Unternehmen auch gegenüber seinen Mitarbeitenden unglaubwürdig. Alle im Unternehmen wissen, wie die Stimmung und die Arbeitsbedingungen sind. Werden auf Kununu positive Bewertungen «erkauft», wirkt sich das auch negativ auf das Arbeitsklima und auf die Unternehmenskultur aus.

Es ist essenziell, dass ein Unternehmen optimale Rahmenbedingungen für eine positive Unternehmenskultur schafft. Dadurch erhält es automatisch positive Bewertungen. Leider kommt es vor, dass Arbeitgebende Druck ausüben, damit ihre Mitarbeitenden gute Bewertungen hinterlassen. Das schafft alles andere als ein positives und vertrauensbasiertes Arbeitsklima. Selbstverständlich kann und sollte ein Unternehmen seine Mitarbeitenden darüber informieren, dass Bewertungen auf Kununu erwünscht sind. Das Ganze muss aber auf freiwilliger Basis erfolgen.

Bewertungen müssen keine Sackgasse sein. Unternehmen sollten positive und negative Beurteilungen kommentieren. Natürlich ist es einfacher, auf positive Rückmeldungen einzugehen und sich dafür zu bedanken. Es ist aber auch wichtig, negative Beurteilungen sachlich und konstruktiv zu kommentieren. Dadurch signalisiert die Firma, dass Feedback erwünscht ist und Wertschätzung im Unternehmen grossgeschrieben wird.

Fazit: Kununu-Bewertungen sind das Aushängeschild für die Unternehmenskultur und sollten die tatsächlichen Rahmenbedingungen wiedergeben.

Samuel Horner, Rechtsanwalt und Notar, Advokatur 107: «Damit wird der Zweck einer transparenten Bewertung unterwandert.»

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«Arbeitgeberbewertungen, Gehaltsdaten und Kulturbewertungen von denen, die es am besten wissen: Mitarbeiter und Bewerber.» So bewirbt das Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu seine Dienstleistungen. Damit suggeriert es eine unabhängige Bewertung von Arbeitgebenden. Was aber, wenn diese gar nicht unabhängig, sondern gekauft sind?

Bezahlte Bewertungen sind nicht nur auf Kununu ein Dauerbrenner, sondern auch auf anderen Onlineplattformen. So existieren zahlreiche Angebote zum Bewertungskauf. In manchen Fällen werden Mitarbeitende auch vom eigenen Unternehmen für positive Bewertungen bezahlt.

Aus rechtlicher Sicht ist der Kauf von Bewertungen nicht unproblematisch, auch wenn Kununu das nicht explizit verbietet. Der angestellte Mitarbeitende befindet sich in einem Abhängigkeitsverhältnis. Verlangt die Arbeitgeberin eine Bewertung, sieht sich der Mitarbeitende veranlasst, eine positive Bewertung abzugeben. Wird eine Bewertung gar entschädigt, erhöht sich die Erwartungshaltung der Arbeitgeberin zusätzlich. Damit wird der Zweck einer transparenten Bewertung unterwandert und die Informationsqualität auf Kununu leidet.

Gekaufte Bewertungen, sei es von eigenen Mitarbeitenden oder von externen Anbietern, sind oft als solche erkennbar und verfehlen damit die beabsichtigte Wirkung. Ausserdem führen sie spätestens am ersten Arbeitstag zu Enttäuschungen, wenn die hohen Erwartungen nicht erfüllt werden. Die Folgen sind erneute negative Bewertungen: Die Geschichte beginnt von vorne.

Unternehmen sollten deshalb mit ihrem Verhalten und den Anstellungsbedingungen Anreize schaffen, welche die Mitarbeitenden von sich aus motivieren, eine Bewertung auf Kununu abzugeben. Investiert man Ressourcen, um Situationen zu identifizieren und zu verbessern, welche zu Unzufriedenheit von Mitarbeitenden führen, kommen die positiven Bewertungen von selbst.

Christof Burkard, Dozent und Berater für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht: «Nur schlechte Arbeitszeugnisse sind mit grosser Wahrscheinlichkeit wahr.»

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Kürzlich hat eine Fastfood-Kette entschieden, Arbeitnehmenden, die das Unternehmen verlassen, Hamburgergutscheine für eine gute Bewertung auf der Plattform Kununu zukommen zu lassen. Was ist von solchen Bewertungen zu halten?

Der Nutzen für Arbeitnehmende kann sein, einen Eindruck vom Innenleben eines Arbeitgebenden zu erhalten. Handkehrum kann der Arbeitgebende etwas darüber erfahren, wie er von ehemaligen Mitarbeitenden eingeschätzt wird.

Meine Erkenntnisse: Positive Bewertungen geben selten Sicherheit in Bezug auf das, was sie bewerten. So besteht zwischen Kununu und der Arbeitszeugnis-Praxis eine auffällige Parallele. Personalverantwortliche wissen, dass Arbeitszeugnisse meist nicht das halten, was sie versprechen, auch wenn sie noch so exzellent formuliert sind: Viele Vorgesetzte scheuen den Streit mit Arbeitnehmenden und lassen diese deshalb ihre Zeugnisse selber verfassen. Darüber redet man nicht gerne. ­Tatsache ist: Nur schlechte Arbeitszeugnisse sind mit grosser Wahrscheinlichkeit wahr.

Kununu birgt für Arbeitgebende jedoch einige Learnings: Unternehmen erhalten besonders durch negative Bewertungen Inputs, auf die sie kommunikativ und operativ reagieren können. Im Fall der Fastfood-Kette: Will diese auf Anregung eines Imageberaters Einfluss auf die Bewertungen nehmen, gewinnt das Unternehmen weniger, als es möglicherweise an Glaubwürdigkeit riskiert. Missstände werden so garantiert übertüncht. En passant eine bemerkenswerte Beobachtung: Die Bewertungen des Betriebsklimas in Gewerkschaften fallen mehrheitlich schlecht aus, diese Organisationen lassen sich die Chance offenkundig jedoch nicht nehmen, auf der Plattform präsent zu sein.

 

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