HR Today Nr. 4/2021: Debatte

Braucht es einen Chief Remote Officer?

Das bundesrätlich verordnete Homeoffice wirft auch die Frage auf, ob Unternehmen die Position eines Chief Remote Officer schaffen sollten. Jein finden unsere Debatten-Teilnehmenden.

Florian Schrodt, Leiter Personalmarketing, Verkehrsbetriebe Zürich: «Digitalisierung und ­Flexibilisierung sind ­Kulturarbeit und die ist seit jeher Chefsache.»

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Man muss aufpassen, was man in einen Topf wirft, wenn man nicht nach Rezept kocht, pflegte meine Grossmutter zu sagen. Das scheint nicht überall angekommen zu sein. So werfen wir flexibles Arbeiten, Remote Office, Homeoffice, Digitalisierung, Agilität und was der moderne Arbeitsweltenhaushalt sonst noch hergibt in einen Topf, verrühren es munter und sind überrascht, dass es niemandem schmeckt. Ich werfe nun einmal bewusst zwei Zutaten aus der modernen Organisationsmanagementküche in einen Topf, weil beides unter der gleichen Geschmacksverirrung leidet: den CDO und den CRO. Der Chief Digital Officer und der Chief Remote Officer scheinen der neue Gaumenschmaus in Managementetagen zu sein. Aber: Wir haben weder für die digitale Transformation noch für die Flexibilisierung der Arbeitswelt ein Patentrezept. Was ist also unsere Lösung? Wir benennen die alten Rezepte um und machen das Kochbuch bunter. Die Idee dahinter? Es muss doch für diese neuen Themen einen Verantwortlichen geben, der das Kommando in der Küche respektive im Homeoffice und bei der Digitalisierung hat. Damit es vertrauensvoller klingt: jemanden, der den Mitarbeitenden unterstützend zu Seite steht. Wie scheinheilig. Das heisst, Fast Food als Gourmetküche zu betiteln. Das kann nicht schmecken, geschweige denn satt machen. Warum? Die Küchenchefs gibt es im Grunde schon. Es sind Geschäftsleitungen und Führungskräfte unserer Unternehmen. Sie sind es, die zukunftsträchtige Menüs kreieren sollen. Das scheint nicht zu funktionieren, weil sie nur nach altem Rezept kochen (können). Da hilft es nicht, Lauwarmes mundgerecht zu verkaufen. Meine Grossmutter würde dazu sagen: Übung macht den Meister. Wer erfolgreich ohne Rezept kocht, muss einen Plan haben und etwas ausprobieren. Menschen in einer Pandemie-Situation nach Hause zu schicken – wie officetauglich das auch immer sein mag – und notgedrungen digital aus- beziehungsnachweise nachzurüsten, ist noch kein flexibles Arbeiten. Digitalisierung und Flexibilisierung sind Kulturarbeit und die ist seit jeher Chefsache. Das beste Rezept für Kulturarbeit ist raus aus der alten Küche und nach neuen Zutaten schauen oder diese selbst anbauen und warten, bis sie reif sind. Dafür braucht es keinen CRO. Der kann ohnehin nur dafür sorgen, dass die Homeoffice-Hexenküche nicht anbrennt. Und alles in einen Topf werfen schmeckt selten – ausser vielleicht bei Ratatouille.

Samuel Horner, Rechtsanwalt und Notar, Advokatur 107: «Da das Thema Homeoffice ­gesetzlich nicht direkt geregelt ist, kann die Schaffung einer CRO-Funktion die rechtlichen Grundlagen nicht ersetzen.»

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Spätestens seit dem ersten Lockdown während der Corona-Pandemie anfangs 2020 ist Homeoffice omnipräsent. Zwar ist mittelfristig nicht davon auszugehen, dass Homeoffice im aktuellen Ausmass erhalten bleibt. Dennoch wird dezentrales Arbeiten künftig eine wichtigere Rolle spielen. Aus diesem Grund hat die Überlegung durchaus eine Berechtigung, die Position eines Chief Remote Officer (CRO) zu schaffen. In seiner Funktion soll der CRO in erster Linie die Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Arbeit im Homeoffice sicherstellen. Das können technische und soziale, aber auch rechtliche Komponenten sein. Da das Thema Home­office gesetzlich nicht direkt geregelt ist, kann die Schaffung einer CRO-Funktion die rechtlichen Grundlagen wie Homeoffice-Reglemente jedoch nicht ersetzen. Ein CRO kann somit die Einhaltung dieser Vorgaben höchstens punktuell prüfen. Dabei sind die rechtlichen Rahmenbedingungen wie Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte einzuhalten. Es ist deshalb fraglich, ob die Schaffung einer neuen Stelle auf C-Level notwendig ist und ob sich die Funktion des CRO dauerhaft durchsetzen wird. Die Antwort ist wohl abhängig von der Arbeitsform sowie der Betriebsgrösse. Aus rechtlicher Sicht stellt die Funktion eine Möglichkeit dar, die Einhaltung der gesetzlichen und reglementarischen Vorgaben sicherzustellen. Demgegenüber steht, dass eine totalitäre Überwachung der Mitarbeitenden weder möglich noch sinnvoll oder leis­tungsfördernd ist. Gerade bei fortschrittlichen Arbeitsformen gehört ein Grundvertrauen des Betriebs dazu. Bevor eine neue CRO-Stelle geschaffen wird, sollten Vorgesetzte vorab geschult werden. Damit steht fest: Reglement schlägt CRO.

Lucien Baumgaertner, Unternehmensberater, Mehrsicht AG: «Wenn ein Unternehmen ­sicherstellt, dass unternehmens­interne Expertinnen und ­Experten gemeinsam am Thema arbeiten und gute Lösungen entwickeln, braucht es keine neue Funktion.»

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Erster Gedanke: Nein. Führung ist Sache der Vorgesetzten, egal wo die Mitarbeitenden arbeiten. Sie sind verantwortlich für die Koordination, die Beziehungswärme et cetera. Das sollen sie doch bitteschön auch Remote machen, kann ja nicht so schwierig sein. Ende. Oder? Die Erfahrung zeigt: Viele Vorgesetzte sind gewillt, ihre Mitarbeitenden auch remote «gut» und wirkungsvoll zu führen – die Basis dazu ist ohnehin das Vertrauen, dass die Mitarbeitenden zu Hause tatsächlich arbeiten. Ist das gegeben, fehlen oft noch die Zeit, eine gemeinsame Haltung und das Werkzeug. Welche Tools sind geeignet? Wie kann ich ein Online-Meeting gestalten, das nicht langweilig ist – ausser mit kreativen Zoom-Hintergründen? Was machen wir remote, was persönlich? Ist dies nicht übergeordnet geklärt, entstehen unternehmensinterne Biotope. Die Ressourcen fliessen dann in Haltungskämpfe von Zoom-Befürwortern gegen Teams-Freunde, von Homeoffice-Fans gegen Präsenzarbeitsfanatiker. Es fehlt eine unternehmensweite «Wir-Haltung» zum Thema und eine Abstimmung der Tools. Um diese Haltung und die dazugehörenden Tools zu entwickeln, braucht es eine Verschmelzung von HR- und IT-Kompetenzen: HR stellt sein Know-how im Bereich Führung zur Verfügung, IT liefert Inputs zu den technischen Möglichkeiten. Für diese Vernetzung muss jemand die Verantwortung tragen. Das ist aber nicht zwingend eine neue Stelle, es geht vielmehr um die Definition der Themen-Ownerschaft. Eine Klärung also, wer den Prozess anstösst und moderiert. Ich bleibe also dabei: Wenn ein Unternehmen sicherstellt, dass unternehmensinterne Expertinnen und Experten gemeinsam am Thema arbeiten und gute Lösungen entwickeln, braucht es keine neue Funktion. Mit der abgestimmten Haltung, richtigen Werkzeugen und genügend Zeit lässt sich in der Remote-Führung die gleiche Führungswirkung erzeugen, wie wenn alle im Büro sind.

 

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