Sabbaticals – was es zu beachten gilt
Das Sabbatical verdankt seinen Namen dem Sabbatjahr, der jüdischen Tradition, Ackerland alle sechs Jahre ein Jahr lang zur Erholung brach liegen zu lassen. Geschätzt wird vielerorts aber immer noch, wer dauerhaft hohe Präsenz zeigt und bereit ist, die Extrameile zu gehen. Wer ein Sabbatical plant, sollte die eigene Unternehmenskultur und die zu regelnden rechtlichen Aspekte kennen.
Unbeschwert das Sabbatical geniessen kann nur, wer vorher auch rechtliche Fragen geklärt hat. (Foto: 123RF)
Viele Medien wollen einen Sabbatical-Trend erkennen. Sie nennen Sabbatical, Work-Life-Balance und Burn-out-Prävention in einem Atemzug. Fachleute äussern Meinungen, wie viele Monate es brauche, um sich angemessen zu erholen. Jüngst wurde bekannt, der CEO der Raiffeisengruppe, Pierin Vincenz, mache eine kreative Pause. Dazu sollen Kadermitarbeiter bei Raiffeisen je nach Anzahl Dienstjahren sogar verpflichtet sein. Selbst das Eidgenössische Finanzdepartement sieht das Sabbatical ausdrücklich vor: «Die flexible Arbeitszeit umfasst Arbeitsformen wie das Bandbreitenmodell, die Jahresarbeitszeit, die Gruppenarbeitszeit, das Sabbatical, die Vertrauensarbeitszeit und die Telearbeit. Flexible Arbeitszeitformen werden […] schriftlich vereinbart, sofern es betrieblich und finanziell möglich ist.» (Art. 30 VBPV).
Finanzierung der Auszeit
Entscheidend ist die Unternehmenskultur. Vielerorts werden Teilzeitarbeit und Auszeiten (immer noch) als Mangel an Leistungsbereitschaft interpretiert. Hinzu kommt: Ferienabsenzen können in der Regel überbrückt werden, ohne dass sich andere vertieft auf den kurzfristig verwaisten Arbeitsbereich einlassen müssen. Beim Sabbatical aber wird die Arbeit verteilt und Nachfolger erledigen sie vielleicht besser oder effizienter. Oder die zusätzlich aufgebürdete Arbeitslast wird von den Arbeitskollegen als ungerecht empfunden. Anders als bei gekündigten Arbeitsstellen wird beim Sabbatical die oder der Zurückkehrende früher oder später mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Jedenfalls bergen längere Sabbaticals nicht selten die Gefahr, dass man sich überflüssig macht oder den kollegialen Anschluss verliert – trotz Rückkehrgarantie. Mögliche langfristige Konsequenzen für die Karriere sollten wohl abgewogen sein, bevor man an die Türe des Chefs klopft.
Wie finanziert sich das Sabbatical? Die Gretchenfrage bei Auszeiten beantworten manche grosse Unternehmen mit ausgefeilten flexiblen Arbeitsmodellen, die ein ganz oder teilweise bezahltes Sabbatical ermöglichen. Überstunden können auf «Langzeitarbeitszeitkonti» angespart werden. Oder der Lohn wird um eine fixe Summe reduziert ausbezahlt und das Ersparte wird einem Sabbatical-Konto gutgeschrieben. Nicht immer liegen Ansparmodelle nur im Interesse der Arbeitnehmer: Prüfenswert scheint beispielsweise, ob es zulässig wäre, schlechten Geschäftsgang in einer gewissen Bandbreite durch variable Lohnreduktionen aufzufangen – bei Gutschreibung des Angesparten auf dem Sabbatical-Konto. Natürlich können Auszeiten auch als unbezahlter Urlaub gewährt werden.
Rechtliche Fragen klären
Aber nicht nur die Finanzierung, auch die rechtliche Gestaltung der Sabbatical-Vereinbarung verlangt Aufmerksamkeit. Wird das Arbeitsverhältnis formal aufgehoben und später neu aufgenommen? Oder wird, bei laufendem Arbeitsverhältnis, lediglich von der Arbeitspflicht freigestellt? Muss die Mitarbeiterin, die vielleicht eine Schlüsselstelle besetzt, für Notfälle erreichbar oder gar rückrufbar sein – und bei welcher minimalen Ankündigungsfrist? Darf das Unternehmen während des Sabbaticals kündigen oder besteht eine Rückkehrgarantie? Wird für die Rückkehr die gleiche oder nur eine zumutbare gleichwertige Arbeit versprochen? Soll auch dem Arbeitnehmer die Kündigung verboten sein, wenn die Arbeitgeberin ihm so lange Zeit die Stelle freihält und keine andere Planung vornehmen kann? Wenn während des Sabbaticals im Wesentlichen angesparte Arbeitszeit kompensiert wird, verlängert sich dann das Sabbatical um Krankheits- oder Unfalltage? Stehen der konkreten Vereinbarung Arbeitszeit- oder Lohnbestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrags entgegen? Missachtet das Ansparmodell zwingende Bestimmungen des Arbeitsgesetzes zur Überzeit? Sinnvoll scheint zudem, am Anfang einer Sabbatical-Vereinbarung in einer Präambel festzuhalten, auf wessen Initiative und in wessen Interesse das Sabbatical gewährt wird. Dadurch wird die Vereinbarung im Streitfall sinnvoller interpretierbar.
Grosse Unternehmen, die Sabbaticals anbieten, verfügen oft über viele Jahre Erfahrung und können konkrete Absprachen mit den Sozial- und Betriebsversicherungen oder auch mit den Steuerbehörden treffen. Alle anderen sollten sich rechtzeitig und sorgfältig mit den Schnittstellen befassen: Welchen Spielraum lässt das Reglement der Pensionskasse zu? Wie sind Nicht-Betriebsunfälle versichert? Wie werden Beitragslücken bei der AHV vermieden? Welches sind die steuerlich und sozialversicherungsrechtlich massgebenden Zahlen bei Zeit- oder Lohnansparmodellen? Sicherheit verschaffen letztlich nur schriftliche Bestätigungen der Behörden und privaten Betriebsversicherungen, wie die Zeit des Sabbaticals geregelt ist. Gewarnt sei auch vor der Schlussfolgerung, wenn Mitarbeitende bei vollem Lohn für die Dauer des Sabbaticals von der Arbeit freigestellt seien, würden sich keinerlei regulatorischen Fragen stellen.
Böse Überraschungen verhindern
Die Planung von Sabbaticals ist nicht zu unterschätzen. Unwägbarkeiten lauern oft dort, wo man sie nicht vermutete. Ein Beispiel: Viele ambitionierte Junganwälte nehmen nach einer gewissen Zeit in einer grossen Wirtschaftskanzlei gerne ein Jahr Auszeit, um einen Master of Legal Letters (LL. M.) im englischsprachigen Ausland zu erwerben. Auch wenn sie die Ausbildung gerade mit Blick auf ihre Karriere in der grossen Wirtschaftskanzlei absolvieren, zu der sie nach dem Sabbatical zurückkehren: Ob es sich dabei um eine steuerabzugsfähige berufliche Weiterbildung handelt, beurteilen die Steuerbehörden nicht (nur) danach, ob man die Ausbildung für die aktuelle Tätigkeit absolvierte und ob man zur alten Arbeitgeberin zurückkehrt. Je nachdem sind dann 50 000 Franken oder mehr steuerabzugsfähig – oder eben auch nicht (Bundesgerichtsentscheid 2C_28/2011 vom 15. November 2011).