HR-Controlling

Schreckgespenst Controlling: Wer 
sich nicht versteckt, kann profitieren

Der Erfolg ist nirgendwo einfacher zu messen als im Recruiting. Allerdings werden die Instrumente nur selten konsequent angewendet. Denn viele HR-Fachleute scheuen deren Einsatz, weiss HR-Controllingspezialist Urs Klingler. Wer aber die Anfangsmühen nicht scheut, wird belohnt. Das zeigen Beispiele aus vier Recruiting-Abteilungen.

«Im Recruiting kann man sehr viel kontrollieren», sagt Karin Caflisch, Head HR Marketing und Recruiting bei der KPMG. Und da liegt auch schon der Hund begraben, wie der Volksmund sagen würde. Wo macht es für die HR-Abteilung Sinn, Controlling zu betreiben? Denn gerade im Recruiting ist die Gefahr gross, dass vieles gemessen wird, aber wenig Aussagekräftiges dabei herauskommt. «Natürlich messen auch wir, wie viele Bewerbungen pro Stelle reinkommen, wie viele Bewerber wir zu einem Gespräch einladen und wie lange es durchschnittlich dauert, bis jemand eingestellt wird», so Caflisch. Aber diese Zahlen allein seien nicht selbstsprechend, sondern lediglich Grundlage für eine qualitative Bewertung. «Denn was hilft es einem Recruiter, wenn er weiss, dass er durchschnittlich 90 Dossiers anschaut? Macht er seine Arbeit nun gut oder schlecht?»

Caflisch legt deshalb mehr Wert auf die qualitativen Controllingergebnisse. Wie wird der Prozess von der Linie wahrgenommen, fühlt sie sich unterstützt? Und wie geht es den Kandidaten? Ist der Prozess schnell genug für sie oder zu kompliziert, zu langsam? Um diese Fragen zu beantworten, kommt nach jedem Recruitingprozess ein webbasiertes Feedback-Tool zum Einsatz. Dort beantworten die Linienmanager, Kandidaten und Recruiter ein paar wenige, aber wichtige Fragen. «Damit sie auch wirklich beantwortet werden», meint Caflisch lachend. Es habe allerdings auch Raum für Kommentare, damit die Befragten angeben können, was besser gemacht werden sollte. «Uns ist wichtig, dass auch der Recruiter sein Feedback einbringen kann. Das Tool dient nicht dazu, den Recruiter zu bewerten, sondern den Prozess zu verbessern. Damit wir die richtigen Leute an der richtigen Stelle haben, die hoffentlich auch nach der Probezeit zufrieden sind und bleiben.»

Hoher Return on Investement 
schon nach kurzer Zeit

Personalprozesse optimieren und damit Recruitingkosten einsparen – darin sieht Sabine Bode, Leiterin Employer Branding bei der Luzerner Personalberatung Dr. Schmidt & Partner, den Hauptnutzen des HR-Controlling 
(siehe auch Kasten Seite 28). Es gehe darum, die Treffsicherheit von Recruiting- und Personalmarketing-Massnahmen dauerhaft zu erhöhen. «Welcher Kanal ist der richtige, wo erreiche ich meine Zielgruppe? Um das festzustellen, sollte ich mindestens stichprobenartig ein Controlling durchführen – also messen, prüfen und auswerten.» Das heisst für sie: «Keine Printmassnahme ohne Response-Kontrolle, kein Hochschulmarketing ohne Zielgruppenbefragung.»

Letztere könne zum Beispiel in Form einer kleinen Marktforschung stattfinden. Diese müsse nicht zwingend im grossen Stil, also etwa über ein halbes Jahr und mit mehreren hundert Befragten, durchgeführt werden. «Oft reicht es schon, beispielsweise zwei Hochschulen herauszunehmen und dort zielgruppenspezifisch Studierende eines relevanten Lehrgangs zu befragen. Dann befrage ich vielleicht nur 50 Personen, diese dafür aber sehr detailliert», so Bode. Der Return on Investment sei schon nach kurzer Zeit hoch. «Einmal muss ich den Aufwand zwar leisten, aber danach kann ich die Streuverluste und die Cost of Poor Quality meiner Massnahmen durch bessere Zielgruppenansprache erheblich senken.» Zudem findet Bode, dass nirgendwo sonst im HR-Bereich der Erfolg so gut zu messen sei wie im Recruiting: «Nämlich letztlich an der Quantität und Qualität der Bewerbungen.» Umso erstaunlicher findet sie es, wie viele Unternehmen noch immer auf Response-Erfassung verzichten.

Mittels Controlling den eigenen 
HR-Personalbestand legitimieren

Ein Fehler, den die KPMG nicht machen will. «Für mich beginnt Controlling mit einem sehr gezielten Hochschulmarketing und Experience Targeting», erklärt Karin Caflisch. Denn bei der KPMG sind 50 Prozent aller Neuangestellten Hochschulabsolventen, weshalb auch das HR-Marketing und -Recruiting in derselben Abteilung zu finden sind. «Wir fragen uns genau, wer unsere Zielgruppe ist, wo wir diese Leute finden und welches deren Werte sind.» Dies werde dann auch gemessen: «Wo treten wir in Kontakt mit den Hochschulabsolventen, an welchen Events nehmen wir teil, und wie viele Bewerbungen ergeben sich aus diesen Kontakten?» Anhand der Antworten auf diese Fragen würden die Massnahmen schliesslich laufend angepasst.

Neben der Kostenkontrolle dient das Controlling in vielen Recruitingabteilungen auch als Legitimation für deren Personalbestand. «Das Recruiting ist zyklisch. Durch das Messen können wir feststellen, wie viel Arbeit wir pro Bereich in welcher Jahreszeit haben», sagt Mariana Barbosa, Senior HR Recruiting Expert bei der Swiss Re. Neben den quantitativen Key Performance Indicators (KPI) will die Swiss Re im Recruiting künftig auch verstärkt den qualitativen Aspekten Rechnung tragen. «Wir sind dabei, Tools einzuführen, welche eine qualitative Messung wie beispielsweise den Turnover, also ob jemand auch über die Probezeit hinaus bleibt, erlauben.» Die Umsetzung sei allerdings nicht einfach. Nicht, weil die Linie nicht zur Zusammenarbeit mit dem HR bereit sei. Vielmehr sei es eine strukturelle Herausforderung. «Wir haben verschiedene HR-Spezialisten-Teams. Diese müssen verlinkt werden, damit alle Daten zusammengeführt werden können», sagt Barbosa. Das soll nun mit dem Ausbau einer globalen SAP-Plattform bewältigt werden.

Bei der UBS werden schon heute nicht nur quantitative Messgrössen erhoben. «Mittels eines webbasierten Fragebogens messen wir die Qualität der einzelnen Schritte im Recruitingprozess», sagt Roland Bernet, Verantwortlicher für Rekrutierungsapplikationen. Da wird die Linie beispielsweise gefragt, ob das Recruiting einen guten Kandidatenmix präsentiert hat. «Oder wir wollen vom Kandidaten wissen, ob der Recruiter ihm den Job gut genug erklären konnte.» Daneben findet auch ein Controlling der Ausschreibungskanäle statt. «Die UBS ist daran, ein Tool einzuführen, welches eine flexiblere Ausschreibung in die verschiedenen Jobportale und Printmedien erlaubt.»

Einen anderen Weg geht da die ABB Schweiz. «Wir listen alle offenen Stellen auf unserer Homepage auf», sagt Thomas 
Albicker, stellvertretender Leiter Recruiting. Daher erhielten sie auch die meisten Bewerbungen online. Diese werden dann, wie auch die postalischen, elektronisch erfasst und in der Bewerbungsdatenbank unter der entsprechenden Ausschreibung hinterlegt respektive in den Spontanbewerbungsprozess aufgenommen. «Dieses elektronische Rekrutierungssystem erlaubt den Personalverantwort
lichen aus den suchenden Bereichen, schnell auf die Bewerberdatenbank zuzugreifen und diverse Daten nach den unterschiedlichsten Kriterien auszuwerten.» So erhielten auch Bewerber eine Chance, an eine Stelle zu kommen, für die sie sich nicht beworben haben, erklärt Albicker. Eine Massnahme, die auch Sabine Bode sinnvoll findet: «Kurzfristiges Schubladendenken ist im HR-Management nicht angebracht – über jeden Kontakt, den ich im Rahmen des Recruiting herstelle, kann ich eine langfristige Bindung an die Arbeitgebermarke erreichen. Und so einen guten Kandidaten ins Unternehmen bringen, der vielleicht nicht unmittelbar für die ausgeschriebene Stelle passt, aber später anderswo im Unternehmen eingesetzt werden kann.»

Personalbedarfsplanung: Einfache
Instrumente sind erwünscht

Um den Überblick zu behalten, wo dieser Bewerber potenziell eingesetzt werden könnte, braucht es eine gute Personalbedarfsplanung. Vernünftige Konzepte sieht Urs Klingler, Managing Partner bei cc-t und Spezialist für das HR-Controlling, allerdings bei den wenigsten Unternehmen (lesen Sie auch den Kommentar auf Seite 37). «Bei vielen Firmen läuft die Personalbedarfsplanung im Rahmen der Budgetierungsrunde.» Die einzelnen Abteilungen geben an, wie viele Leute sie noch brauchen, «man kann sozusagen eine Bestellung aufgeben», so Klingler. Ein Fehler, findet er, denn dabei werde nicht das ganze Unternehmen nach dem Personalbedarf durchleuchtet, sondern jede Abteilung schaue nur für sich.

Eine klare Vorstellung, welche Kompetenzen ein Unternehmen braucht, ist für Urs Klingler ein weiteres wichtiges Element. «Dafür müssen Berufsgruppen mit Kompetenzprofilen definiert werden.» Was logisch und unabdingbar klingt, ist allerdings noch lange nicht überall Realität. «Ich habe schon HR-Abteilungen angetroffen, die nicht sagen konnten, was alles für Berufsgruppen in ihrem Unternehmen vorhanden sind.» Da zu glauben, mit Controlling das Problem lösen zu können, sei falsch. «Controlling ist für mich nur das Ergebnis einer guten Personalbedarfsplanung. Bis dorthin ist es aber ein relativ langer Weg. Und auf diesem lernt ein Unternehmen viel über sich selbst.» Warum aber ist Controlling wenig verbreitet? «HRM ist eine Disziplin, die nicht gerne Instrumente einsetzt. Sie versucht vielmehr, über Beziehungen und Werte das Unternehmen zu beeinflussen», meint Klingler. Es mangle also an Instrumenten, die eingesetzt werden. «Und wenn welche vorhanden sind, sind sie meist extrem kompliziert.»

Führungskräfte müssen wissen, was das HRM von ihnen braucht

Unkompliziert ist das System der Delta Group und der ServX AG. «Unser Credo ist Einfachheit», sagt Geschäftsleiter Nicholas Hansen. Die Unternehmen, welche im Sicherheitsbereich, Sicherheitsassistenzdienst und Hostessengeschäft tätig sind, kombinieren die Einsatzplanung mit der Personalbedarfsplanung. «Wir arbeiten mit Segmentierungen. Das 
heisst, wir erfassen in einem webbasierten Tool Kriterien wie beispielsweise Verkaufsflair, kulturelle Kenntnisse, Sprachkenntnisse, Grösse, Gewicht oder Kampfsporterfahrung der einzelnen Mitarbeiter.»

Diese Kriterien werden über Einzelgespräche und Einsatzqualifikationen erfasst. Bei den Security-Angestellten zusätzlich auch über die interne Ausbildung und Wiederholungskurse. «Da sehen die Instruktoren, wer welche Stärken und Schwächen hat. Das ist für uns gleichzeitig auch ein Selektionsverfahren.» Kommt ein Auftrag herein, gibt die HR-Fachfrau die Kriterien ins System ein, die ein Angestellter erfüllen muss, um für den Auftrag eingesetzt werden zu können. Daraufhin wird automatisch eine Liste aller 
in Frage kommender Mitarbeiter erstellt. «Gleichzeitig wird dann, ebenfalls automatisch, eine elektronische Nachricht mit den Details zum Einsatz an die betreffenden Personen geschickt. Und sie geben uns ein Feedback, ob sie Zeit haben oder nicht.»
Denn bei der Delta Group verfügt die grosse Mehrheit über Abrufverträge. «Meistens erfüllen mehr Leute die Anforderungen für den Auftrag, als wir einsetzen können. Ist dies nicht der Fall, dann wissen wir, dass wir wieder Personalrekrutieren müssen», so 
Hansen.

Das Prinzip der Einfachheit funktioniert bei der Delta Group auch deshalb, weil es nur wenige Berufsgruppen gibt. Das heisst aber nicht, dass Unternehmen mit komplexeren Strukturen auf Instrumente verzichten sollten. «Es ist ein Fehler, keine Instrumente einzusetzen. Und sind welche vorhanden, ist es ist ebenfalls ein Fehler, wenn die Linienmanager auf diesen nicht ausgebildet werden», sagt Urs Klingler. Er habe gute Erfahrungen mit Kursen für Führungskräfte gemacht, in denen ihnen vermittelt werde, was die Anforderungen an sie aus Sicht des HRM sind. «Das bedingt aber auch, dass klar geregelt ist, was in die Kompetenz des HRM fällt und was nicht. Und da muss ich die HR-Leute in Schutz nehmen, denn oft genug ist dies eben nicht der Fall.» Wenn dies genau definiert ist, liege es am HRM, auch eine HR-Strategie zu entwickeln. «Das ist ein wiederkehrender Prozess, der alle zwei bis drei Jahre stattfindet. Und auch vom operativen HR-Geschäft getrennt werden muss. Am Ende ergibt sich ein Dokument, in dem steht, was man wann für Projekte machen muss.»

Mit simulierten Szenarien zur 
optimalen Personalbedarfsplanung

Diese Vorgehensweise wählt die Schweizerische Post. Seit 2008 arbeitet die HR-Abteilung im Rahmen der Personalbedarfsplanung mit der Software Dinaplan SMIA. «Das ist eine Applikation, die szenariogestützte Simulationen zulässt», erklärt Jürg Reichen, Verantwortlicher für strategisches Personalcontrolling bei der Post. «Auf der Basis eines HR-Planungsmodells lassen sich so innere und äussere Einflüsse mit Parametern simulieren und verschiedene Szenarien entwerfen und steuern, die sich letztlich unterschiedlich auf den 
Personalbedarf und -bestand auswirken.»

Solche Parameter sind laut Reichen beispielsweise Verkehrsveränderungen von Briefen und Paketen, Massnahmen aus Optimierungsprojekten, Eintritte, Fluktuationsraten oder Funktionswechsel. «Wir wollen mit dem Programm erkennen, wo in Verbindung mit strategischen Projekten zum Beispiel Altersstruktur- oder Kapazitätsrisiken auftreten könnten. Damit will der HR-Bereich zusammen mit dem Management letztlich die Frage beantworten, welche HR-Massnahmen wann und für welche Funktionsgruppen zu ergreifen sind, um den künftigen Personalbedarf sicherzustellen.»

Die Kosten im Blick behalten

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Cost Per Hire: Damit ist der Gesamtaufwand eines Rekrutierungsprozesses inklusive Personal-, Schalt- und Einarbeitungskosten gemeint. Durch Controlling können diese Kosten überwacht und wenn nötig mit dem Ergreifen von Massnahmen gesenkt werden.
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Kennziffervergabe: Im anzeigengestützten 
Recruiting bildet die Vergabe von Kennziffern ein einfaches Mittel, Quantität und Qualität des Bewerbungsrücklaufs zu messen. So lässt sich beurteilen, bei welcher Zielgruppe sich welche Print- und Onlinekanäle bewähren.
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Tausender-Kontakt-Preis: Er gibt Auskunft darüber, wie teuer es in einem bestimmten Medium ist, mit einer Anzeige jeweils 1000 Leser zu erreichen. Anhand dieser Messgrösse kann man schon im Vorfeld den voraussichtlichen Return-on-Investement einer Inserateschaltung abschätzen.
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Zielgruppenbefragung: Der tatsächlich erzielte Employer-Branding-Erfolg ist relativ komplex zu messen. Während im Onlinebereich automatisierte Statistiktools existieren, liefert offline eine Zielgruppenbefragung die besten Ergebnisse.
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