Sechs Aspekte der gesunden Führung
Die zunehmende Komplexität unserer modernen Arbeitswelt kann besser von begeisterungsfähigen, gesunden und kreativen Mitarbeitern bewältigt werden. Wie also lässt sich eine Unternehmenskultur gestalten, in der Begeisterung, Gesundheit und das Engagement der Mitarbeiter langfristig erhalten werden können?
Ein zentraler Papierkorb trägt dazu bei, dass sich Mitarbeiter austauschen. (Foto: iStockphoto)
Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz geht davon aus, dass europaweit rund 60 Prozent aller Fehlzeiten auf beruflichen Stress zurückgehen und jeder dritte Mitarbeiter mit Burnout-Symptomen kämpft. Führungskräfte können Teil der Lösung oder Teil des Problems sein und sind in doppelter Hinsicht von Burnout betroffen: Einerseits sind sie als Leistungsträger mit hohem Engagement selber gefährdet und auf der anderen Seite tragen sie Mitverantwortung für die seelische Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter. Folgende Tipps aus der systemischen Lösungsfokussierung tragen dazu bei, dass Mitarbeiter ihr Brennen für die Sache behalten – ohne auszubrennen:
1. Balance der Bedürfnisse
Ein «empathischer Führungsstil» ist gekennzeichnet durch Führen ohne Angst, Strafe und Scham, sondern mit Empathie und klaren Ansagen. Das heisst, genau herauszufinden, welche Bedürfnislage jeder Mitarbeiter hat und durch welche Strategie er Bedürfniserfüllung erfährt: Der eine erlebt Wertschätzung durch «Danke», der andere durch ein eigenverantwortliches Projekt und der Dritte braucht eine Gehaltszulage. Wenn Führungskräften diese Moderation der unterschiedlichen Bedürfnislagen achtsam gelingt, dann haben sie wesentlich zu einem gesunden Unternehmen beigetragen.
2. Wertschöpfung durch Wertschätzung
Eine sehr wirkungsvolle Übung für Führungskräfte ist es, einen Mitarbeiter pro Tag gedanklich wertzuschätzen: Was genau bringt dieser Mensch in die Arbeit ein? Aber Achtung: Jede Stärke ist der potentielle Eintritt in ein Burnout: Sind Hilfsbereitschaft und hohes Verantwortungsbewusstsein nicht gepaart mit einer gesunden Abgrenzung, dann fehlt die antagonistische Balance, was auf die Dauer zum Ausbrennen führen kann. Zur wertschätzenden Führungsverantwortung gehört es also, einen Blick für die «Antagonisten» zu haben und dadurch Mitarbeiter und Arbeitsprozesse zu schützen.
3. Über den Wert von Benutzerhandbüchern
Wir haben von all unseren Produkten Benutzerhandbücher, nur vom wertvollsten «Gut» nicht – den Mitarbeitern. Interessante Einsichten ergeben sich, wenn Führungskräfte die systemische Fragetechnik der Paradoxen Intervention anwenden: «Was müsste ich tun und was könnten Sie dazu beitragen, damit Sie in einem Jahr stressbedingt ausfallen…?» Interessanterweise antworten hier Mitarbeiter offener, als wenn man sie fragen würde, was man tun könne, damit sie gesund, glücklich und motiviert bleiben. Eine weitere systemische Grundannahme ist: Handeln macht immer Sinn für den Handelnden – zumindest zu diesem Zeitpunkt. Bevor das seltsame Verhalten des Mitarbeiters einen also wieder ärgert, empfiehlt sich das Nachfragen, was wohl die guten Gründe für diese Handlungsstrategie waren.
4. Wenn du es eilig hast, gehe langsam
Die hormonelle Stress-Reaktion befähigt uns zu körperlichen Höchstleistungen. Pech für uns, da diese nicht mehr muskulär, sondern mit kognitiven Höchstleistungen gemeistert werden müssen. Stress deaktiviert die Grosshirnrinde und so kommt es, dass in vielen Unternehmen vor lauter Stress purer Aktionismus herrscht – statt in einem Moment der Ruhe achtsam das weitere Prozedere zu planen. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Führungskräfte Vorbild sind und zum Beispiel in den Pausen nichts anderes tun, als eine Pause zu machen. Oder pünktlich in den Feierabend gehen – und vor allem: Keine Emails ausserhalb der Arbeitszeiten schreiben.
5. Was hat ein Papierkorb mit Innovation zu tun?
Als Ergebnis der Effizienzmaximierung in Unternehmen hat man kaum noch Anlass, seinen Arbeitsplatz kurz zu verlassen. Das ist schade, denn unser Gehirn liebt diese kleinen Lösungswege: Eine Firma hat zum Beispiel die Papierkörbe zentral aufgestellt. Die Entsorgung von Papier wird so zum schnittstellenübergreifenden Kommunikationsplatz. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern diese kleinen produktiven Auszeiten gönnen: Man findet mehr Ideen und ankert Wissen – unser Gehirn ist hochaktiv, wenn wir äusserlich zur Ruhe kommen.
6. Was hat Schielen mit Konfliktlösung zu tun?
Im Chinesischen hat das Schriftzeichen für «Konflikt» zwei Bedeutungen: Gefahr und Chance. Im Systemischen Coaching ist der Perspektiv-Wechsel bereits der Schlüssel zur Lösung. Konflikte entstehen nur durch unsere Bewertung des Geschehens oder durch unterschiedliche Annahmen. So lohnt es sich, im Konflikt auf die mögliche Chance zu blicken, aber auch, eine andere Perspektive zu suchen: Betrachtet man das Geschehen einmal aus Sicht des Konfliktpartners und begreift seine Sicht auf die Dinge, würden wir leichter zu einem langwährenden Konsens statt zu einem kurzfristigen Kompromiss kommen.
Was Führungskräfte für sich tun können
Take five: Die tägliche Burnout-Prävention
Diese fünf Übungen dienen der täglichen Burnout-Prävention und als kleiner Test, ob bereits erste Warnzeichen vorliegen:
- Machen Sie doch für fünf Minuten einfach mal NICHTS. Sollte Ihnen das nicht gelingen, weil die Gedanken oder das Telefon nicht zur Ruhe kommen, können Sie es mit
- fünf wertschätzenden Gedanken an sich oder Ihre Mitarbeiter versuchen. Notieren Sie ganz spontan, was Ihnen heute gut getan hat, worauf Sie mit Zufriedenheit blicken oder was Ihnen an einem Mitarbeiter Freude bereitet.
- Oder atmen Sie ruhig und gelassen für fünf Atemzüge tief in den Bauch und entspannen mit jedem Atemzug noch mehr Ihre Gedanken, Muskelgruppen und Ihre Sichtweise auf die Dinge.
- Die Achtsamkeitsfünf: Welche 5 schönen und erfüllten Momente fallen mir für heute ein? 5 Takte einatmen, 5 Takte Pause, 5 Takte ausatmen, 5 Takte Pause. Welche Bedürfnisse waren heute erfüllt? Welche nicht?
- Ein Blick in den Terminkalender zeigt: Haben Sie pro Woche mindestens fünf Stunden der Musse? Heilige Zeit, in der Sie machen können, was Ihnen wichtig ist und was Sie erfüllt?
Sollten Ihnen die «Take five» leicht von der Hand gegangen sein, dann gelingt Ihnen die Eigen-Führung offensichtlich schon sehr gut und Sie können gut gerüstet in die tägliche Balance von Privatem, Arbeit und sozialem Umfeld gehen. Falls nicht: Mittlerweile gibt es viele gute Burnout-Präventions-Programme. Scheuen Sie sich nicht, rechtzeitig Inspiration für ein Leben in Balance zu holen.
Weitere Checklisten für HR-Professionals
Hier finden Sie weitere HR Today-Checklisten zu ausgesuchten Problemstellungen des HRM.