Wie häufig tritt das Phänomen Burnout in den verschiedenen Industrieländern auf und wie wird damit umgegangen?
In Skandinavien wird Burnout häufiger verzeichnet als in Deutschland. Zumal sich der Sozialstaat hier verpflichtet, für jemanden zu sorgen, der bei der Arbeit für die Gemeinschaft Schaden genommen hat. In den individualistisch funktionierenden Staaten wird dem Erkrankten selbst die Schuld an seinem Leiden zugeschoben, somit steht er als Versager da. In den USA erhöht sich das Risiko zu erkranken durch noch mehr Individualisierung und Rücksichtslosigkeit, weniger Sozialausgleich und hohen Konkurrenzdruck. Somit ist das Individuum in Krisensituationen überfordert, da kein Netz aus sozialen Bindungen Rückhalt bietet.
Was raten Sie Kindern, um Burnout zu vermeiden beziehungsweise dessen Anfänge zu erkennen?
Viele gute Freunde zu haben, denen man wirklich vertrauen und mit denen man Dinge besprechen kann, ist ein guter Schutz vor Burnout. Findet Euch selbst und Euren Weg! Entwickelt Euch weiter und bleibt nie stehen! Denn wer beweglich ist, kann sich neuen Situationen anpassen und bleibt im Fluss.
Kennen Sie den Zustand aus eigener Erfahrung?
Aufgrund einer persönlichen Krise war ich am Arbeitsplatz nur noch reduziert leistungsfähig. Allerdings wurde ich von meinen Mitarbeitern so entlastet, dass ich weiterarbeiten konnte. Oft ist bei psychischen Krisen der soziale Support niedrig, was die Gefahr zu erkranken erhöht. Dem Vorgesetzten kommt hier eine grosse Verantwortung zu, zumal er der wichtigste einzelne Faktor im Leben eines Arbeitnehmers ist. Ein entsprechendes Vertrauensverhältnis trägt viel zur Genesung bzw. zur Gesundheit bei. Denn ein Arbeitsplatz ist ein äusserst wirksames Feld, das Mitarbeiter ebenso sehr zu stützen wie auch runterzuziehen vermag. Aus meiner Erfahrung entwickelt sich ein Burnout nicht durch zu viel Arbeit allein. Multiple Ereignisse, die parallel auftreten, führen dazu (Beziehungsprobleme, Verlust Angehöriger, Suchtprobleme). Unterstützung aus dem Umfeld hilft, wie bei einem Gipsbein auch, die Krise zu überwinden.
Was ist wichtig, um ein Burnout zu überwinden?
Der Mensch muss in seiner Ganzheit betrachtet und behandelt werden. Zu Beginn stehen unter anderem Sport, Wellness, Wiederherstellung einer Tagestruktur, die Schlafregulierung und die körperliche Nährung auf dem Plan. Bei fortgeschrittener Erkrankung ist es unerlässlich, das Feld, in dem man erkrankte, zu verlassen, um Fortschritte machen zu können. Dies kann zum Beispiel eine psychosomatische Klinik sein. Nach und nach finden die Betroffenen zu sich selbst und ein Wachstumsprozess kann beginnen.
- * Die Akademie Heiligenfeld GmbH bietet regelmässig Veranstaltungen zu den Themen Medizin, Psychotherapie und Wirtschaft. Weitergehende Informationen zu den Heiligenfeld Kliniken und zur Akademie Heiligenfeld sowie den Kongress «Burnout und Resilienz» finden Sie unter: www.akademie-heiligenfeld.de, www.heiligenfeld.de und www.auditorium-netzwerk.de.
Buchtipp
Sylvia Kéré Wellensiek, Joachim Galuska: Resilienz – Kompetenz der Zukunft. Beltz-Verlag 2014.