So überwindet Wissen den Generationengraben
Von altersgemischten Teams profitieren alle. Dennoch existiert in vielen Schweizer Unternehmen noch ein Generationengraben zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitenden. Dieser Zustand kann relativ einfach verändert werden.
«Der demografische Wandel und das steigende Durchschnittsalter der Mitarbeitenden sind unumkehrbare empirische Fakten. Noch wird dies aber nur halbherzig in der Personalplanung umgesetzt», umreisst José San José, Mediensprecher Adecco Switzerland, eine der grossen Herausforderungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Eine der wichtigen Fragen dabei ist, wie man den Wissenstransfer an die nachfolgende Generation sichert. Er ist essenziell für das Talent Management und muss gewährleistet sein, wenn die Älteren ausscheiden.
Das Wissen als Wert wahrnehmen
Die Möglichkeiten, den Wissenstransfer im Rahmen des Talent Management zu fördern, sind zahlreich, oft werden sie aber erst langsam umgesetzt. Erst bei 42 Prozent der Schweizer Unternehmen gibt es altersheterogene Arbeits- oder Lerngruppen. Und nur 52 Prozent bauen bewusst altersgemischte Teams auf, um Wissenstransfer und Talent Management zu optimieren. Dies ergab die von Adecco herausgegebene repräsentative Studie «Sind Unternehmen bereit für den demografischen Wandel?», aus dem Jahr 2009. Thomas Ellwart, Professor für Wirtschaftspsychologie, will es genauer wissen und untersucht in einer gross angelegten Studie an der FHNW den generationenübergreifenden Wissenstransfer. Seine wichtigste Erkenntnis: «Ältere teilen ihr Wissen, wenn es als Wert wahrgenommen wird und sie das entsprechende Feedback bekommen.» Keinesfalls dürfte das Gefühl entstehen, ihr Wissen sei nicht geschätzt.
Das Team als Ganzes belohnen
Entsprechende Leistungssysteme wirken unterstützend. Erhält der Beste im Team am meisten, wird jeder versuchen, seine Vorteile zu behalten. Daher muss das Team als Ganzes belohnt werden. «Monetäre Anreize wirken», betont Ellwart, «aber besser für den Wissenstransfer ist es, Leistung herauszuheben und Kompetenzen zuzuschreiben.» Von altersgemischten Teams profitieren alle, nicht nur die Jungen. Es braucht Durchlässigkeit von beiden Seiten. Weitergabe von Wissen im Rahmen des Talent Management heisst nicht, es zu konservieren, sondern daraus innovative Ideen zu entwickeln. Hier können sich beide Seiten einbringen. Das Ziel ist, sagen zu können: «Eigentlich sollte das Alter beim Wissenstransfer nicht im Vordergrund stehen, sondern die Chance, in altersgemischten Teams, aus unterschiedlichen Perspektiven neues Wissen entstehen zu lassen», so Ellwart.
Bei ABB Schweiz scheint dies der Fall zu sein. Lukas Inderfurth, Leiter der Medienstelle, führt das auf die Tatsache zurück, dass ABB ein Ingenieursunternehmen ist. «Für Ingenieure steht das konkrete Projekt im Mittelpunkt. Würde da einer sein Wissen zurückhalten, gäbe es am Ende nichts zu bauen.» Altersgemischte Teams seien Tagesgeschäft. Zwar habe ABB vor fünf Jahren eine Zeit lang einen Wissensmanager angestellt. «Der hat vor allem festgestellt, dass der Transfer funktioniert.» Heute gibt es die Position nicht mehr.
Plattform für die Wissensteilung
Bei einem so vielfältigen Unternehmen wie IBM muss der Wissenstransfer Tagesgeschäft sein. Stephan Kunz, Leiter Personalentwicklung, bringt es auf den Punkt: «Das Wissen der Organisation soll wachsen. Die Frage ist immer: Welches Wissen braucht der Markt, den wir bedienen?» Daher schafft IBM Plattformen, auf denen Mitarbeitende Wissen teilen können. Das geschieht zum Teil informell, zum Teil strukturiert in Communities oder durch Mentoring und in Wissensmanagementsystemen. All das funktioniert, weil Wissensaustausch wirklich gelebt wird.
Kunz stellt klar: «Die Menschen spüren, dass sie besser vorankommen, wenn sie Wissen teilen statt horten, weil es ihre Arbeitsmarktfähigkeit steigert.» Daher wird Wissen teilen ganz klar in die Zielvereinbarungen aufgenommen. Messbar wird die Zielerfüllung durch die Zahl von Artikeln, die jemand im Intranet veröffentlicht oder wie oft jemand an Coaching- oder Mentoring-Programmen teilnimmt. Wissen zu teilen, ist bei IBM zudem auch noch eine Frage der Jobsicherheit. Kunz: «Nur wenn man Wissen zu teilen hat, ist man nicht einer unter Tausenden. Wer also bei IBM Wissen hortet, macht hier keine Karriere.»