HR Today Nr. 6/2016: Debatte

Social Media am Arbeitsplatz?

Wer mit seinen Stakeholdern nicht im Dialog bleibt, gefährdet den Geschäftserfolg, findet Daniel C. 
Schmid, Leiter des Bereichs Academy an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Jan Maik Baumann, 
HR-Bereichsverantwortlicher der Schulthess Klinik, befürchtet hingegen einen Kontrollverlust.

Daniel C. Schmid

Wer sich beruflich mit Social Media auseinandersetzt, kommt um die Gretchenfrage nicht herum: Herrscht im Unternehmen eine Vertrauenskultur, die von der Mündigkeit der Mitarbeitenden ausgeht, oder gilt die Misstrauensprämisse, die jegliche Nutzung sozialer Medien unter müssiggängerischen Generalverdacht stellt?

Bereits in den 1960er-Jahren präsentierte der amerikanische Managementforscher Douglas McGregor mit der Theorie X den Masterplan der damals vorherrschenden, streng hie-rarchischen Betriebsführung. Diese ging davon aus, dass der Mensch von Natur aus faul und nur durch extrinsische Anreize wie Lohn oder Status zu bewegen sei. Allerdings legte McGregor in der Folge mit der Theorie Y einen Komplementärentwurf vor, der die Sinnhaftigkeit der Arbeit als intrinsisches Leitmotiv und gleichsam als Quelle der Mitarbeiterzufriedenheit interpretierte.

Natürlich wusste McGregor in Zeiten des Kalten Krieges noch nicht, dass sich die Welt in den nächsten fünfzig Jahren fundamental verändern sollte: Digitalisierung, Vernetzung und die zunehmende Komplexität der Systeme führen zu einem permanenten Austauschprozess in Kunden- und Lieferantenbeziehungen, in welche die Mitarbeitenden involviert sind, indem sie Kundenfeedbacks liken, Kommentare posten oder Produktneuheiten twittern. Gebot in den 1990er-Jahren die Netiquette, E-Mails binnen 24 Stunden zu beantworten, wird diese Frist heute als unhöflich, da nicht genügend zeitnah interpretiert.

Im Zeitalter des digitalen Permanentgewitters kann eine professionell orchestrierte Social-Media-Strategie helfen, unternehmerische Kommunikationsprozesse zielführend zu steuern. Angesichts der digitalen Zeitenwende  führt kein Weg am permanenten Dialog entlang der  Wertschöpfungskette vorbei: Das Auftragsbuch ist im Zeitalter des Internets der Dinge definitiv Geschichte.

Es gilt die Devise «Real Time, aber bitte jederzeit und sofort!» – ohne Social Media ein Ding der Unmöglichkeit. McGregors Menschenbild der Theorie Y war geprägt durch Selbstorganisation, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität, alles Faktoren, die heute und manchmal mitunter unreflektiert der Generation Y zugeschrieben werden. Mit dieser Bevölkerungskohorte schliesst sich der Kreis zur Theorie Y.

Es bleibt jedoch zu hinterfragen, ob der persönliche Reifegrad eines Vertreters der «Generation Why?» zwingend stärker ausgeprägt ist, nur weil dieser als Digital Native nichts anderes kennt als den permanenten Austausch mit seinen Peers in- und ausserhalb des Unternehmens.

Die übermässige Nutzung von Facebook & Co. lässt möglicherweise nicht nur auf unterforderte Mitarbeitende, sondern auch auf Organisationen schliessen, denen die Sinnhaftigkeit für das eigene Tun abhandengekommen ist. Wer seine Arbeit als herausfordernd und sinnerfüllt erlebt, hat wenig Anreize, kontinuierlich Belanglosigkeiten im Netz auszutauschen.

 

Jan Maik Baumann

Social-Media-Plattformen wie Twitter, Instagram und Youtube werden vor allem von Jüngeren sehr rege genutzt. Nicht nur auf dem Smartphone, sondern immer häufiger auch am Computer am Arbeitsplatz. Mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Konzentrationsfähigkeit: Chats sowie Bild- und Informationsflüsse lenken die Mitarbeitenden nebst alltäglichen Störungen zusätzlich ab. Multitasking erschwert ihnen, eine Aufgabe abzuschliessen.

Auch der Datenschutz erweist sich bei der Social-Media-Nutzung als heikel: So wertet Facebook beispielsweise hinterlegte Benutzerdaten aus, die es erlauben, Rückschlüsse auf Geschäftsgeheimnisse zu ziehen. Aus Sicht der IT stellen eingeschleppte Viren eine noch grössere Gefahr dar.

Erst kürzlich ist unser Geschäftsserver von einer solchen Virenattacke heimgesucht worden. Eine weitere Verbreitung dieses Virus hätte bei unseren vernetzten Klinik-Applikationen erhebliche Folgen für die IT-Infrastruktur gehabt.

Nutzen Mitarbeitende Social Media während der Arbeitszeit, sind nebst negativen Äusserungen zu Themen, die nicht über öffentliche Kanäle verbreitet werden sollten, besonders Aussagen zu Mitbewerbern, Parteien, Nationalitäten oder zur Sexualität delikat. Speziell dann, wenn diese Beiträge mit dem Arbeitgeber in Verbindung gebracht werden, der Schreibstil nicht adäquat ist, Umgangsformen nicht eingehalten werden oder der Inhalt während der üblichen Arbeitszeit gepostet wurde.

Problematisch ist zudem, dass nicht nur die Follower eines Mitarbeitenden diese Inhalte sehen, sondern auch Nutzer, mit denen dieser nicht befreundet ist, wenn diese Inhalte über das Netzwerk des Mitarbeitenden weiter geteilt wurden. Sind Social-Media-Inhalte jedoch erst einmal «viral», können sie kaum mehr gelöscht werden. Social Media sind deshalb während der Arbeitszeit sparsam einzusetzen.

Sind diese Kanäle im Unternehmen jedoch freigeschaltet, braucht es klare Nutzungsregeln, in denen festgelegt wird, wie und wie häufig Mitarbeitende Social Media nutzen dürfen und wie sie sich in diesen Kanälen verhalten sollen. Ob Social-Media-Plattformen im Unternehmen freigegeben werden, sollte nicht auf HR- oder IT-Ebene entschieden werden, sondern von der Unternehmensleitung. Sie ist dazu aufgerufen, grundsätzlich zu entscheiden, wie im Unternehmen mit Social Media umgegangen wird. Dabei sind Branchenunterschiede zu erwägen, denn ein Produktionsunternehmen lässt sich nicht mit einem Medienunternehmen vergleichen. 

Wie auch immer ein Unternehmen den Umgang mit Social Media regelt: Die Social-Media-Kultur muss von der Führung von oben herab gelebt werden, sodass ein allfälliges Social-Media-Verbot von allen Mitarbeitenden akzeptiert wird. Mitarbeitende mit Informatikzugang sollten Social Media meiner Meinung nach während der Arbeitszeit jedoch nur eingeschränkt, kontrolliert oder gar nicht nutzen.

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Dr. Daniel C. Schmid leitet die Academy der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Er berät seit über 15 Jahren renommierte Unternehmen in strategischen Weiterbildungsthemen. Mit 2´200 Studierenden und rund 500 Dozierenden aus der Praxis ist die HWZ die grösste Hochschule mit ausschliesslich berufsbegleitenden Studiengängen im Bereich Wirtschaft der Schweiz.

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Jan Maik Baumann ist HR-Bereichs-
verantwortlicher bei der Schulthess Klinik, die auf dem Gebiet der Orthopädie zu den führenden Kliniken Europas gehört.

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