Social Media Recruiting gegen den Fachkräftemangel
Wie baut man auf Social Media eine attraktive Arbeitgebermarke auf? Und wie setzt man Social Media als Recruitingtool ein? Neue Impulse vom 67. Social Media Gipfel am vergangenen Mittwoch.
Anja Reimann, Geschäftsführerin von Work Life Aargau, erklärt, warum Unternehmen ihre Arbeitgebermarke auf Social Media stärken müssen. (Bild: Boris Baldinger / www.boris-baldinger.com)
Es ist noch vor 7:30 Uhr in der Frühe. Trotzdem ist das Tibits hinter dem Opernhaus Zürich schon fast voll. Social Media Expertinnen, Kommunikationsprofis, diverse Medienschaffende und Interessierte treffen nacheinander im kleinen Bistro ein, um sich vor Beginn einen Kaffee und, wie es zum Ritus des Events gehört, ein Gipfeli zu holen.
«Der Fachkräftemangel ist ein Problem in der Schweiz», begrüsste Moderatorin Irène Messerli die versammelte Menge. Um Bewerbende anzulocken, müssten Arbeitgebende ihre Attraktivität steigern und ihre Marke stärken. Viele Schweizer Unternehmen nutzen Social Media bereits zu diesem Zweck. In einer aktuellen Studie von Bernet Relations in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Medienwissenschaften der ZHAW zeigte Messerli auf, welche Ziele Unternehmen mit dem Einsatz von Social Media verfolgen. Die Top-3 Prioritäten der Unternehmen? Sichtbarkeit, Imagepflege und Reichweite. Nur 21 Prozent nutzen Social Media hauptsächlich, um sich als innovative Arbeitgebende zu positionieren.
Mit Authentizität die Arbeitgebermarke stärken
Nach dieser Einführung übergibt Irène Messerli das Wort an Anja Reimann, die Geschäftsführerin von «Work Life Aargau». Für das dem zumeist nicht dem HR zugehörigen Publikum ordnet sie den Fachkräftemangel ein: Aufgrund der demografischen Entwicklung gäbe es zum ersten Mal mehr Pensionierte als Berufseinsteigende. Unternehmen müssten mit einem «Minus» an Arbeitskräften rechnen – also nicht nur einem Fachkräftemangel, sondern einem generellen Personalmangel. Das Unterangebot bedeute für Unternehmen, sie sich an das bestehende Angebot anzupassen: Künftig gebe es daher keine «fixfertigen» Arbeitskräfte mit der benötigten Expertise mehr, die sich bei Unternehmen bewerben. Stattdessen sollten Firmen auf den Skills der Arbeitskräfte aufbauen und sie weiterbilden, um so den optimalen Fit für das Unternehmen zu finden. Sich an die Arbeitnehmenden anpassen bedeute auch, auf ihre Forderungen einzugehen – und die Arbeitgeberversprechen auch einzuhalten.
Doch wie kommuniziert ein Unternehmen, dass es dazu bereit ist? Und wie zeigt es das auf Social Media? Die Antwort ist einfach: Mitarbeitende auch auf Social Media zu Wort kommen lassen. Dafür schlägt Reimann Kurzinterviews mit Mitarbeitenden vor, die ihre Sichtweise einbringen und Einblick in ihren Arbeitsalltag geben. Weitere Ideen seien Videos, die das Arbeitsumfeld zeigen und somit das Arbeitsklima vermitteln. Wichtig sei dabei der Mut zur Realität und Authentizität – und keine perfekte Produktion.
Beim Social Media Recruiting gilt: Qualität vor Quanität
Dann stellt Moderator Roger Wernli den Employer Branding Spezialisten Previon Ramon Müller vom Universitätsspitals Zürich vor. Einem Betrieb mit 8000 Mitarbeitenden aus 120 Berufsgruppen in einem Bereich, wo der Fachkräftemangel besonders spürbar ist. Eine grosse Herausforderung stellen die unterschiedlichen Bedürfnisse der sehr diversen Belegschaft im Recruiting dar.
Eine andere sei der Mangel an Ärztinnen und Ärzten und Pflegefachkräften sowie die miteinander konkurrierenden Arbeitgebenden innerhalb der Stadt Zürich im Gesundheitswesen. Doch wie sticht man in dieser Situation als Pflegebetrieb hervor? Das Universitätsspital bewirtschaftet dafür diverse Social-Media-Kanäle, nutzt jedoch nicht alle fürs Recruiting. Die Profile auf Tiktok, LinkedIn, Facebook und Instagram fokussieren sich beispielsweise auf das Employer Branding. Das Marketing-Team unter Ramon Müller setzt hierfür auf Organic Content, zum Beispiel Videos auf Tiktok, die über Krankheiten informieren oder einen Einblick im Spitalalltag vermitteln.
Das Recruiting erfolgt je nach Zielgruppe auf anderen Kanälen. Kaderpositionen werden beispielsweise auf LinkedIn gepostet, während Stellen für Lernende auf Tiktok und solche für Pflegefachkräfte auf Instagram beworben werden. Dabei greift das Marketing oft auf Paid Content zurück und achtet darauf, mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viele potenzielle Bewerbende zu erreichen. Deshalb wird auch nicht jede offene Stelle auf Social Media veröffentlicht. Werde eine offene Stelle auf Social Media beworben, sei Authentizität wichtig, sagt Müller und rät Qualität vor Quantität zu setzen. Ausprobieren sei dabei erlaubt: Mit verschiedenen Botschaften, Channels und Parametern. Beim Erstellen der Inhalte empfiehlt er, die Teams einzubeziehen, auch wenn es nicht immer einfach sei, Mitarbeitende dafür zu motivieren. Dafür müsse man Vertrauen zu schaffen, die Mitarbeitenden gut briefen und ihnen versichern, dass nichts ohne ihre Zustimmung publiziert würde.
Zum Abschluss des Events wird Roger Wernli von Previon als langjähriger Partner des Social Media Gipfels verabschiedet. Danach bleibt den Besuchenden etwas Zeit, um von der Expertise der beiden Referierenden zu profitieren und bei Kaffee und Gipfeli auszutauschen. Ein Ausblick: Der nächste Social Media Gipfel findet im April in Bern statt. www.socialmediagipfel.ch