HR Today Nr. 9/2022:

Sprachnachricht statt Lebenslauf

Im heutigen Arbeitnehmermarkt muss das Personalmarketing kreativ werden. Doch welche Massnahmen und Kanäle bringen etwas? Wir haben bei drei Unternehmen nachgefragt.

«Wir verstärken unsere Präsenz auf Job-Boards, um unsere Zielgruppen dort anzusprechen, wo sie sich tummeln», sagt Pascal Paulus, Leiter HR Development & Recruiting bei Swica. Dadurch soll die Aufmerksamkeit potenzieller Mitarbeitender auf die Karriereseite der Gesundheitskasse gelenkt und diese sollen von der Swica-Arbeitswelt und deren Vorzügen überzeugt werden. «Dabei geht es keinesfalls um eine ­einmalige Marketingkampagne, die möglichst viel Staub aufwirbeln soll», betont Paulus. ­Entscheidend sei das Innenleben einer Unternehmung und nicht, wie man die Fassade bepinsle. «Deshalb bieten auf unserer Karriereseite ein Erlebnispaket und keine Textwüste mit Superlativen und Hochglanzbildern.»

Den Ansatz der authentischen Unternehmens-Karriereseite verfolgt auch Kristina Schneider, Leiterin Employer Branding & Recruiting der ­Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) AG. Mehr noch: «Eine gute Besucherführung mittels Storytelling und stets aktuellen Inhalten. Das bringt Visibilität und Aktualität.» Auf der UPD-Karriereseite können sich Interessierte zudem unverbindlich mit Mitarbeitenden ­verschiedener Berufsgruppen austauschen. Ausserdem sollen die Hürden im Bewerbungsprozess bei besonders schwierig zu besetzenden Vakanzen möglichst niedrig gehalten werden. So sind auf der UPD-Karriereseite auch Schnellbewerbungen mit einer kurzen (Sprach-)Nachricht und einem Link zum Linkedin-Profil möglich.

«Eine gute Besucherführung mittels Storytelling und stets aktuellen Inhalten.»

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Kristina Schneider ist Leiterin Employer Branding & Recruiting bei der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD) AG.

 

Ähnlich benutzerfreundlich gestaltet die Swisscom ihre Karriereseite. «Ausgeschriebene Positionen wurden mit einem Skill-Check versehen und bringen so Gamification in den Prozess», sagt Nina Jakob, Employer Branding Manager bei Swisscom. «Kandidatinnen und Kandidaten finden so schnell heraus, ob sie zur ausgeschriebenen Position passen.» Je nach Vakanz können Interessentinnen und Interessenten zusätzlich einen Online-«CoffeeCall» mit den Teammitgliedern vereinbaren. Etwa, um Fragen oder Unklarheiten zu klären. «Daneben haben wir auch den Bewerbungsprozess vereinfacht. So reicht in einem ersten Schritt  beispielsweise die Verlinkung zum LinkedIn-Account.» Wolle jemand lieber einen CV mitschicken, sei das zwar möglich, aber nicht nötig. «Erst nach einem ersten Austausch und bei gegenseitigem Interesse sind weitere Unterlagen erforderlich.»

«Mit einem Skill Check und CoffeeTalk Angeboten gestalten wir den Bewerbungsprozess für potentielle Kandidatinnen und Kandidaten attraktiver.»

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Nina Jakob ist Employer Branding Manager bei Swisscom.

 

Bewerbende mit «Appetizern» locken

Nebst der eigenen Karriereseite setzen die befragten Unternehmen im Personalmarketing auf weitere Kanäle. Doch welche? «Das kommt auf die Zielgruppe an», sagt Kristina Schneider von der UPD. Eine Karriereseite sei für das Personalmarketing sicherlich der zentrale Hub. Dort könnten sich Arbeitgebende präsentieren und vorstellen sowie Besucherinnen und Besucher mit aktuellen Inhalten abholen. Doch das reiche nicht. «Gerade für jüngere Generationen ist die Präsenz auf Social-Media-Kanälen sowie ein aktives Employer Branding unabdingbar.» Ähnlich sieht es Pascal Paulus von Swica: «Kann man es sich leisten, alle möglichen Kanäle zu bespielen, um Reichweite und Sichtbarkeit zu schaffen, ist das bestimmt nicht verkehrt.» Im Wissen allerdings, dass man dann eher mit Kanonen auf Spatzen schiesse. «Ich empfehle daher vor allem eine gehaltvolle, ansprechende und authentische Karriereseite und verschiedene Social-Media-Kanäle mit kleinen ‹Appetizern›, die auf die Karriereseite verlinken.» Ähnlich handhabt das Nina Jakob, die zielgruppenabhängig verschiedene soziale Medien mit Botschaften bespielt, die auf die Karrierewelten von Swisscom verweisen.

«Ein frisches und ansprechendes Personalmarketing ist zeit- und ideenintensiv.»

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Pascal Paulus ist Leiter HR Development & Recruiting bei Swica.

 

Neu kommen Technologien wie Metaverse ins Spiel. Es ist ein wachsender Markt: Laut Finanzdienstleister Bloomberg Intelligence soll sich das Geschäft bis zum Jahr 2024 auf rund 800 Milliarden Dollar belaufen. Gemäss einer Umfrage der Projektplattform «freelancermap» bietet die neue Technologie vor allem Freelancern neue Chancen und Möglichkeiten. Insbesondere wenn sie sich dafür neue Skills aneignen. Noch wird Metaverse-Technologie gemäss der Umfrage von Unternehmen kaum genutzt: insbesondere weil der noch recht unerschlossene Markt durch die Monopolstellung der Big Player stark eingeschränkt werde und viele Risiken bei der Datensicherheit bestünden.

Fest steht: Metaverse polarisiert, bietet aber auch ganz neue Chancen. Dennoch nutzen weder Swisscom, UPD noch Swica diese Technologie. «Metaverse ist ein grosser Begriff. Ein Teil davon – etwa Virtual Reality – wird unseren Berufsalltag jedoch künftig bestimmt prägen», meint Kristina Schneider. Auch Nina Jakob hat im Employer Branding noch keine Erfahrungen damit gesammelt, will sich aber künftig vermehrt damit beschäftigen. Ebenso zurückhaltend gibt sich Pascal Paulus. Dafür nennt er gewichtige Gründe: «Wie bei allen einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen ist es ­vermessen, zu denken, dass bisherige Strukturen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten auf Knopfdruck verschwinden.» Die Digitalisierung sei dafür ein Paradebeispiel. Trends seien prüfenswert, aber nie als allgemeingültige, neue Welt zu verstehen. «Es ist eher eine komplementäre Möglichkeit, die aber nicht für alle Märkte denselben Stellenwert hat.»

Marketingtechniken im Personalmarketing

Swisscom, UPD und Swica investieren viel ins Personalmarketing. Dennoch haben alle noch Potenzial: Insbesondere in der Entwicklung und bei der Bewirtschaftung, betont Pascal Paulus, Leiter HR Development & Recruiting bei Swica. «Ein frisches und ansprechendes Personalmarketing ist zeit- und ideenintensiv. Das haben wir unterschätzt.» Personalmarketing könne man nicht nebenher betreiben, sondern müsse sich spezifisch und konsequent damit auseinandersetzen. Verbesserungsbedarf sieht Nina Jakob, Employer Branding Manager bei Swisscom, auf Arbeitgeberseite: «Künftig möchten wir unsere Arbeitgeberpositionierung stärker bewerben. Bis anhin dominiert bei Swisscom das Produktmarketing.»

Die UPD will dagegen die Inhalte der neuen Karriereseite mit einer Kampagne breiter bekannt machen. Zudem möchte Kristina Schneider näher an potenzielle Mitarbeitende heranrücken. «Entweder mit Hochschulmarketing oder an Fachmessen und Kongressen.» Das nicht nur im Mittelland, sondern auch in der DACH-Region. «Dort können wir mit unseren Standorten punkten. Bern und das Bernbiet sind in Sachen Lebensfreude, Kultur und Freizeit Spitze.» Daneben solle die berufliche Attraktivität der Psychiatrie hervorgehoben und als Alternative zur körperlichen Medizin bekannt gemacht werden. «Das Wort Psychiatrie macht immer noch vielen Menschen Angst, obschon viele in ihrem Umfeld mit ADHS, Depressionen, Burn-out und anderen psychischen Krankheiten konfrontiert sind.»

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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