Studie zu HR Governance legt Schwächen auf den Tisch
HR-Fachwissen ist gerade im Vergleich zum Finanz-Know-how auf der VR-Ebene noch zu wenig verankert, und strategische HR-Themen werden dadurch häufig zu schwach gewichtet und nicht konsequent umgesetzt. Eine Studie gibt Einblick in das Zusammenspiel von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung und zeigt den Entwicklungsbedarf.
Die Forschung hat sich bisher noch wenig mit dem Thema HR Governance befasst. Eine Befragung des IFPM Center for Corporate Governance der Universität St. Gallen erlaubt erste Aussagen zum Stand der HR Governance in der Schweiz.(1) Die Studie nimmt insbesondere zu folgenden Aspekten Stellung:
- Welche Bedeutung kommt dem Thema HR Governance im Verwaltungsrat zu?
- In welchem Ausmass werden strategische HR-Themen im Verwaltungsrat behandelt?
- Welches explizite HR-Fachwissen ist im Verwaltungsrat und insbesondere bei den Vorsitzenden von Personalausschüssen vorhanden?
Bei der Frage nach der Relevanz von HR-Themen auf der Verwaltungsratsebene zeigt sich, dass viele strategische HR-Themen noch wenig Berücksichtigung in den Diskussionen finden (siehe Abbildung 1).
Die relativ häufige Behandlung von Honorierungs- und Besetzungsthemen überrascht kaum, da Spitzengehälter auf oberster Führungsebenen in den letzten Jahren zunehmend kontrovers diskutiert wurden und die Thematik mit der Finanzkrise noch an Bedeutung gewonnen hat.
Wenn Nachhaltigkeit und Angemessenheit der Vergütung nicht über die HR Governance durch die Aufsichtsgremien sichergestellt werden, ruft dies unweigerlich nach mehr Regulierung. Im Mittelfeld liegen Themen wie Nachfolgeplanung auf Geschäftsleitungsebene und etwas tiefer der Mitglieder des Verwaltungsrates sowie die HR-Politik und die HR-Strategie. Insbesondere wenn es um die längerfristige Ausrichtung des HR Management geht, sollten diese Themen auf der Agenda des Verwaltungsrates noch eine stärkere Berücksichtigung erfahren. Noch deutlicher zeigt sich dies bei den für die Aufsicht sehr wichtigen Themen des HR-Risikomanagements und HR Controlling. Nur bei einem Viertel der Unternehmen finden diese Themen in hohem oder sehr hohem Ausmass Eingang in die Diskussionen der Aufsichtsgremien.
Spezifisches HR-Fachwissen ist meist kaum auf der Verwaltungsratsebene vorhanden. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen geben an, dass bezüglich HR-Planung und -Controlling kaum Fachwissen im Gremium vorhanden ist. Ebenso fehlen Fachkenntnisse bei Arbeitsrecht und Gesamtarbeitsverträgen. Auch in anderen relevanten HR-Themen wie Change Management, Strategisches HRM, Lohn- und Incentivierungs-Systemen, Selektion, Vorsorge und Nachfolgeplanung verfügt das Gremium kaum über spezifisches HR-Wissen sowie HRM-Erfahrung mit Erfolgsausweis (siehe Abbildung 2).
Es stellt sich die Frage, wie eine wirksame Führung und Aufsicht des HRM sichergestellt werden kann, wenn die HR-Fachkompetenz in vielen Fällen nicht adäquat im Aufsichtsgremium repräsentiert ist.
Nur rund ein Drittel der befragten Unternehmen arbeiten mit spezifischen Ausschüssen zur Behandlung der HR-Themen. Bei diesem Drittel der Unternehmen, die mit Ausschüssen arbeiten, sind dies vielfach getrennte Nominations- und Entschädigungsausschüsse, was sich als wenig sinnvoll erweist.
Die Frage der Fachkompetenz in den relevanten Themen stellt sich insbesondere bei den Vorsitzenden der Personalausschüsse, da diese in der Vorbereitung der Dossiers zuhanden des gesamten Verwaltungsrates massgeblich Einfluss nehmen können. Gemäss der Umfrage verfügen lediglich 16 Prozent der Vorsitzenden der Personalausschüsse über eine HR-spezifische Aus- und Weiterbildung und HRM-Erfahrung mit Erfolgsausweis.
Auf die Frage, ob der HR-Leiter bei HR- relevanten Themen in die Diskussion auf Verwaltungsratsebene einbezogen wird, zeigt sich ein eher schlechtes Bild. Nur bei 21 Prozent der Unternehmen ist dies durchwegs gewährleistet; während 43 Prozent gelegentlich einbezogen werden, sind 36 Prozent an der Diskussion im Verwaltungsrat beziehungsweise den vorbereitenden Ausschüssen gar nicht beteiligt.
Handlungsbedarf für HR Governance
Die Umfrage zeigt, dass die Professionalität der Führung und Aufsicht von HR-Funktionen in vielen Unternehmen verbessert werden kann. Dies ist umso wichtiger, als über ein Drittel des Unternehmensertrags über Löhne, Sozialleistungen und HR-Entwicklungsmassnahmen durch die HR-Know-how-Träger auf Verwaltungsrats- und GL-Ebene direkt oder indirekt beeinflusst werden kann. Aus der Studie können Folgerungen sowohl auf der Ebene des Verwaltungsrates wie auch auf der Ebene der Geschäftsleitung gezogen werden.
1) Folgerungen für die HR Governance auf Ebene Verwaltungsrat
Die globale Finanzkrise und die zahlreichen Corporate-Governance-Skandale, die sich in vielen Industrieländern ereignet haben, zeichnen sich durch eine Gemeinsamkeit aus: Die Probleme lagen nicht primär in fehlenden gesetzlichen Regelungen, sondern in der Human Side of Corporate Governance, der HR Governance. Es gilt daher, vor allem zwei bisher häufig auftretende Schwachstellen zu überwinden:
- Fehlendes fundiertes HR-Know-how mit Erfolgsausweis auf Board-Ebene
Es ist die klare Forderung zu stellen, dass mittlere und grössere Organisationen über ein Mitglied des Verwaltungsrates mit fundiertem HR-Know-how mit Erfolgsausweis verfügen müssen. Nur so kann gewährleistet werden, dass in Zukunft eine wirksame Steuerung des HRM auf GL-Ebene sichergestellt werden kann und das in der GL für HRM verantwortliche Mitglied über einen Sparringpartner im VR verfügt. - Unreflektierte Übernahme angloamerikanischer Richtlinien bezüglich der Trennung von Nominations- und Remunerationsausschüssen
Dieser Ansatz macht wenig Sinn, denn Nomination, Beurteilung, Remuneration sowie Förderung und Nachfolgeplanung von Vorsitzenden und Mitgliedern von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung müssen integriert angegangen werden, um Wirkung zu erzielen. Aus diesem Grund besteht eine weitere zentrale Folgerung betreffend HR Governance darin, dass ein integrierter Personalausschuss gebildet werden sollte, der gezielt die Gewinnung, Beurteilung, Honorierung und Nachfolgeplanung von Mitgliedern des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung verantwortet.
2) Folgerungen für das HR Management auf Ebene Geschäftsleitung
Damit die anspruchsvollen Ziele der HR Governance auf der GL-Ebene erfolgreich umgesetzt werden können, sind folgende Voraussetzungen entscheidend:
- Glaubwürdige Verankerung eines strategischen HR-Rollenverständnisses
Die HR-Leitung ist auf oberster Ebene eng in den Unternehmensstrategieprozess einzubinden. Dies bedingt in aller Regel auch, dass der/die oberste HR-Verantwortliche Mitglied der Geschäftsleitung oder zumindest dem CEO direkt unterstellt ist. Mit der HR-Strategie ist eine enge Abstimmung mit den Zielen der Geschäftsbereiche sicherzustellen. Wirksames HR Management auf GL-Ebene erfordert die Involvierung, das Engagement und Commitment aller GL-Mitglieder bei den zentralen HR-Themen. - Messung von HR-Wertschöpfung und Steuerung von HR-Risiken
Durch ein konsequentes Aufzeigen von Wirkungszusammenhängen und wo immer möglich messbaren Ergebnissen kann die Positionierung von HR zusätzlich gestärkt werden. Ein erhöhtes Risikobewusstsein auf Board- und GL-Ebene erfordert auch eine umfassendere Darstellung von HR-Risiken. Dies kann durchaus als Chance genutzt werden, wichtige HR-Themen gezielt ins Bewusstsein des obersten Managements zu rücken.
Verbesserte HR Governance und ein darauf abgestimmtes, wirkungsvolles HR Management können in einem zunehmend vom «Engpassfaktor» Human Resources geprägten Umfeld zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil führen. Daher drängt sich eine vertiefte Forschung in dem bislang noch wenig untersuchten Themenfeld HR Governance dringend auf.
Buchtipp
Martin Hilb, Marcel Oertig: HR Governance. Wirksame Führung und Aufsicht des Board- und Personalmanagements. Luchterhand 2010. 208 Seiten, gebunden, CHF 84.90
- (1)
Die Umfrage wurde zusätzlich zur internationalen Cranet-Studie für die Schweiz erhoben und in der Publikation von Martin Hilb und Marcel Oertig: HR Governance – Wirksame Führung und Aufsicht des Board- und Personalmanagements, Luchterhand 2010, dokumentiert.