Talent-Horting: Warum die Eichhörnchen-Taktik der Unternehmen nicht funktioniert
Unternehmen sind im Sammelmodus. Das ist nicht nur ineffizient, sondern belastet auch Mitarbeitende. Was Talent-Horting genau ist und mit welchen Alternativen man Personalengpässen am besten entgegenwirken kann.
Hortet Ihr Unternehmen auch Talente für einen möglichen «Winter»? (Bild: Jan Meeus/Unsplash)
Das Jahr über Vorräte sammeln, um bei Knappheit gewappnet zu sein – was nach dem Verhalten eines Eichhörnchens klingt, beschreibt derzeit die Personalpolitik vieler Unternehmen. In der aktuellen Arbeitsmarktlandschaft, die stark vom Fachkräftemangel geprägt ist, neigen zahlreiche Firmen dazu, ihre Mitarbeitenden «zu horten», um zukünftige Personalengpässe abzufedern. Langfristig kann dieses Vorgehen negative Auswirkungen auf die Unternehmen selbst haben.
Mitarbeitende, die aus dieser Motivation heraus eingestellt werden, können meist nicht voll in Projekte eingebunden werden, da sich ihre Aufgabenbereiche mit bereits länger beschäftigten Mitarbeitenden überschneiden. Doch wenn Mitarbeitende nicht voll eingesetzt werden können, werden sie auch nicht vor neue Herausforderungen gestellt und weiter gefördert. Mitarbeitende, die in ihrer beruflichen Entwicklung stagnieren, suchen sich langfristig neue Herausforderungen. Denn fehlende berufliche Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten führen dazu, dass Mitarbeitende das Gefühl haben, nicht wertgeschätzt zu werden. Ergebnis ist, dass Unternehmen nicht nur Fachkräfte mit wertvollem Know-how und Erfahrung verlieren, sondern auch potenzielle Botschafterinnen und Botschafter, die das Unternehmen weiterempfehlen.
Der Winter naht: Das sind die Symptome von Talent-Horting
Doch was sind Anzeichen dafür, dass ein Unternehmen, auch unbewusst, Talente hortet? Mangelnde Weiterbildungsmöglichkeiten und fehlende Karrierepfade können häufig schon ein erstes Anzeichen sein. Unternehmen, die nur wenige oder keine Weiterbildungsprogramme anbieten und keine klaren Karrierepfade bieten, offenbaren damit, dass sie keine klare Strategie und Ziele für ihre Mitarbeitenden verfolgen.
Regelmässige Gespräche mit den Mitarbeitenden über ihre Karriereziele und Entwicklungsmöglichkeiten sind essenziell, um deren langfristige Bindung zu sichern. Ein weiteres Anzeichen sind auch überbesetzte Abteilungen, in denen viele Kollegen und Kolleginnen ähnliche Aufgabenbereiche haben oder sich Tätigkeiten überschneiden. Mitarbeitende sind sich dessen bewusst, wenn sie beruflich stagnieren und in Unternehmen keine neuen Herausforderungen bekommen. So verlieren Unternehmen am Ende nicht nur den «Überschuss» an eingekauften Fachkräften, sondern erleben einen grösseren Mangel als zuvor.
Strategie statt Aktionismus
Warum ist es also wichtig, eine strategische Einstellungspolitik zu verfolgen? Unternehmen, die langfristig denken und strategisch einstellen, profitieren in vielerlei Hinsicht, da sich Mitarbeitende, die sich gefördert und wertgeschätzt fühlen, motivierter und engagierter sind. Statt neu einzustellen, obwohl keine langfristige Perspektive für Mitarbeitende besteht, kann es Sinn ergeben, die Fähigkeiten der Mitarbeitenden in neuen Bereichen zu fördern und zu erweitern.
Eine klare, zielgerichtete Einstellung neuer Fachkräfte trägt somit auch zu einer geringeren Fluktuation bei. Abgänge von Mitarbeitenden sind immer auch mit einem Verlust von Bestandswissen verbunden und machen die Einarbeitung neuer Mitarbeitender notwendig. Unternehmen profitieren langfristig davon, in ihre bestehenden Mitarbeitenden zu investieren. Dies erzeugt ein positives Arbeitgeberimage, das zukünftig neue Talente anzieht.
Die Aufgabe von Führungskräften
Doch wie können Unternehmen Talent-Horting vermeiden und dennoch kurzfristigen Bedarfsspitzen und Personalengpässen entgegenwirken? Neben den Personalabteilungen spielen auch Führungskräfte eine entscheidende Rolle. Nicht nur müssen sie die eigene Ressourcenplanung im Blick haben, sondern auch die Bedürfnisse ihrer Team-Mitglieder kennen und darauf eingehen. Ihre Aufgabe ist es, einen Blick darauf zu haben, dass eine klare Aufgabenverteilung besteht, alle Team-Mitglieder voll eingebunden sind und sich weiterentwickeln können.
Übergeordnet ist es zudem sinnvoll, auf ein flexibleres Personalmanagement zu setzen. Durch den Einsatz von flexiblen Arbeitsmodellen und Zeitarbeit können Unternehmen ihren Personalbedarf agil und bedarfsgerecht decken und kurzfristige Bedarfsspitzen abdecken, ohne langfristig Talente zu horten. Darüber hinaus können auch zeitlich begrenzt technische Fähigkeiten eingekauft werden, die es im Unternehmen nicht gibt. So können Firmen mit qualifizierten Zeitarbeitskräften und projektbezogenen Mitarbeitenden kurzfristige Auftragsspitzen abfedern, ohne langfristige Verpflichtungen einzugehen. Das führt langfristig zu einer Win-win-Situation für beide Seiten, da die so vermittelten Fachkräfte einen Einblick ins Unternehmen bekommen und Arbeitserfahrung sammeln können. Sobald sich die Auftragslage bessert und die Unternehmen dauerhaft neue Mitarbeitende benötigen, sind diese Fachkräfte bereits eingearbeitet und können problemlos übernommen werden.
Fazit: Mit strategischer Personalplanung zum Ziel
Die Praxis des Talent-Horting mag in Zeiten des Fachkräftemangels verlockend erscheinen, doch die langfristigen Nachteile überwiegen deutlich. Unternehmen sollten daher auf eine strategische Personalplanung setzen, die sowohl den aktuellen als auch den zukünftigen Bedarf berücksichtigt, ohne die berufliche Entwicklung ihrer Mitarbeitenden zu vernachlässigen. Durch gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten, eine Kultur der Wertschätzung und den Einsatz flexibler Arbeitsmodelle können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Mitarbeitende motiviert und engagiert bleiben.
Nur Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden als wertvollstes Gut betrachten und in deren Entwicklung investieren, werden langfristig erfolgreich sein. Der Schlüssel liegt darin, eine Balance zwischen der Sicherung des aktuellen Bedarfs und der Förderung zukünftiger Potenziale zu finden. So können Unternehmen den Fachkräftemangel meistern und sich als attraktive Arbeitgebende positionieren.