Laut Studie der Boston Consulting Group spielt das Salär allerdings eine untergeordnete Rolle.
In Zeiten des Talentmangels werden Vergütungsstrategien kurzfristig tatsächlich keine Veränderung der grundsätzlichen Situation herbeiführen. Im Einzelfall können sie die Entscheidung eines Kandidaten in die eine oder andere Richtung jedoch beeinflussen. Ausserdem setzen Unternehmen zunehmend auf neue Strategien, um Talente zu finden und für das Unternehmen zu gewinnen. Eine davon ist, ins Ausland auszuweichen oder Arbeitsmodelle zu flexibilisieren sowie virtuelle Arbeitsmöglichkeiten – und Personalstrategien – zu entwickeln. Diese zielen darauf ab, Kompetenzen, die man nicht am Arbeitsmarkt findet, den jetzigen Mitarbeitenden beizubringen. Darüber hinaus gibt es Anzeichen dafür, dass gerade Kandidaten der Generation Y stark auf die Unternehmenswerte und die Reputation achten. Nach dem Eintritt verschiebt sich der Fokus auf die unmittelbare Arbeitssituation: Verstehe ich mich mit den Kollegen, mit denen ich jeden Tag zusammenarbeite? Ist die Arbeit fair verteilt, so dass ich meine Vorstellung einer akzeptablen Work-Life-Balance realisieren kann? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Vorgesetzten? Oder: Wird meine Arbeit von meinem Chef geschätzt?
Wollen Sie damit sagen, dass Talentmanagement im Grunde eine Führungsaufgabe ist?
Talentmanagement und Implementation einer motivierenden Unternehmenskultur ist eine zentrale Führungsaufgabe, die sich nicht einfach ans HR delegieren lässt. Die Zeiten, als einige wenige Führungskräfte als «Heroic Leaders» ein Unternehmen zum wirtschaftlichen Erfolg führten, sind vorbei. Teams müssen engagiert bei der Sache sein – nicht nur der Chef. Ausserdem muss das Talentmanagement strategisch vom CEO und der gesamten Führungsmannschaft gesteuert werden. Führungskräfte treffen meistens die Personalauswahlentscheidungen, entwickeln und fördern Talente on the Job, geben Feedback und beurteilen die Leistung. Im Optimalfall führen sie eine Teamsituation herbei, in der jeder Kollege seinen bestmöglichen Beitrag leisten kann. Die HR-Abteilung kann dabei als Business Partner die Führungskräfte in dieser Kernaufgabe unterstützen sowie Talentmanagement-Lösungen entwickeln. Moderne HR-Abteilungen und ihre Leiter werden sich daran messen lassen, ob sie die Unternehmensstrategie verstehen und in praktische Konzepte übersetzen.
Ist es nicht zu teuer, das Talentmanagement bei den Vorgesetzten anzusiedeln?
Wenn es Führungskräften nicht gelingt, ihre Mitarbeiter zu entwickeln und zu motivieren, besteht die Gefahr, dass dringend benötigte Talente den Organisationen den Rücken kehren. Es dauert eine Weile, bis neue Kollegen produktiv sind, und wir wissen, dass sie ihre optimale Leistung nur dann abrufen, wenn sie wirklich motiviert bei der Sache sind. Hire-and-Fire-Methoden sind weder für Talente noch für Unternehmen zielführend, wie die Deloitte-Studie über die Veränderungsprozesse innerhalb eines Unternehmens zeigt.
Wie motivierend sind Zielvereinbarungen?
Nahezu alle Unternehmen haben in den letzten 20 Jahren Zielvereinbarungsprozesse eingeführt, doch oft fehlte die Verzahnung mit anderen Personalentwicklungsmassnahmen. Trotzdem glaubt jeder aufgeweckte Personalleiter, dass sein Talentmanagement eng mit der Geschäftsstrategie verknüpft ist und diese unterstützt. Das zeigt die Cornerstone-Umfrage zu Talentmanagement-Massnahmen besonders frappant. Das Vertrauen der «Linie» in die Kompetenzen und Talentmanagement-Massnahmen, die HR-Abteilungen zur Verfügung stellen, ist aber oft nicht kompatibel mit der Selbsteinschätzung. Performance Management kann folglich unter Umständen mehr Mitarbeiter frustrieren, als sie zu besseren Leistungen anzuspornen.
Was prägt das Talentmanagement der Zu kunft?
Wir haben uns zu lange auf die Effizienz von HR-Abteilungen fokussiert und Transformationsprojekte als Kostensenkungsmassnahmen begriffen. Deshalb müssen wir verstärkt auf die Effektivität unserer Talentmanagement-Lösungen achten. Hilft unser Performance-Management-Prozess die individuelle Performance, aber auch die Team-Performance zu verbessern? Und sichert das Succession Planning die richtigen Führungskräfte für morgen? Andererseits brauchen wir eine neue Kultur des «easy to use», unterstützt durch die Instrumente, die uns Digitalisierung und Social Media zur Verfügung stellen – beispielsweise eine App auf dem Smartphone, mit der Mitarbeitende Feedback zu Projekten einholen können. Ebenfalls sollten wir auf Strategic Workforce Planning setzen.
Was meinen Sie damit konkret?
Viele Unternehmen befinden sich im Blindflug hinsichtlich der Zukunft ihres Talent-Pools. Mitarbeiter werden nur als Kostenfaktor betrachtet. Die wenigsten Firmen haben einen Plan, welches Talent mit welchen Kompetenzen gefördert werden sollte, um mittel- und langfristig erfolgreich zu bleiben. Das beinhaltet auch die Frage der Kontinuität und des Wissenstransfers. Nur wenn ich eine Planung habe, die aufzeigt, wann ich welches Talent brauche, kann ich fundiert entscheiden, ob ich dieses Talent extern rekrutieren oder intern schulen muss.