Heft 6/2015: Arbeit und Recht

Vaterschaftsurlaub

BGE 140 I 305

Das Urteil

Als A. zum zweiten Mal Vater wurde, bezog er drei Wochen Ferien und vereinbarte mit der Arbeitgeberin, zu einem späteren Zeitpunkt weitere vier Wochen Ferien zu beziehen, um die Eingewöhnung seines Sohnes in der Kinderkrippe sicherstellen zu können. Am 3. September 2013 stellte er bei der AHV-Zweigstelle der Stadt Bern ein Gesuch um «Elternschaftsentschädigung gemäss EOG» für einen «Elternurlaub» von sechs Wochen. Die Ausgleichskasse wie auch das Verwaltungsgericht des Kantons Bern verneinten seinen Anspruch, so dass A. daraufhin mit einer Beschwerde an das Bundesgericht gelangte.

A. machte eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots nach Art. 8 Abs. 3 BV sowie eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geltend. Laut Bundesgericht dürfen Geschlechter nur ungleich behandelt werden, wenn die Gründe auf funktionalen oder biologischen Unterschieden beruhen, die eine Gleichbehandlung absolut ausschliessen (BGE 129 I 265). Wegen des Gleichbehandlungsgebots in Art. 8 Abs. 3 BV können namentlich traditionelle Rollenverteilungen nicht als Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung herangezogen werden.

A. begründete die Verletzung des Gleichbehandlungsgebots damit, dass nur während der ersten acht Wochen nach Geburt «zwingende biologische Gründe» eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würden. Diese Zeit stehe der Mutter zu Erholungszwecken zur Verfügung, weshalb es der Frau gesetzlich verboten sei, arbeiten zu gehen (Art. 35a ArG). Danach könne die Frau freiwillig wieder die Arbeit aufnehmen. Von der 9. bis 14. Woche des Mutterschaftsurlaubs stehe deshalb der Urlaubs- und Entschädigungsanspruch der Frau nicht mehr aus zwingenden biologischen Gründen, sondern zum Aufbau einer Bindung zum Kind und damit aus sozialen Überlegungen zu. Dass der Anspruch nur der Frau zustehe, beruhe auf überkommenen gesellschaftlichen Vorstellungen und knüpfe unzulässig an das Geschlecht an, denn ab der 9. Woche werde der Mutterschaftsurlaub faktisch zu einem Elternurlaub, der geschlechtsneutral gewährt werden müsse.

Das Bundesgericht hielt jedoch am Urteil der Vorinstanz fest und begründete seinen Entscheid damit, dass der Wortlaut von Art. 16b EOG klar und unmissverständlich ist und nur Frauen anspruchsberechtigt sind. Der Gesetzgeber habe ganz bewusst den Anspruch nur auf Frauen beschränkt. Der während 14 Wochen entschädigte Mutterschaftsurlaub diene der Mutter zur Erholung und stelle eine Minimallösung der von der EU vorgeschriebenen Dauer des Mutterschutzes dar. Auf das zentrale Argument des Beschwerdeführers, die letzten sechs Wochen des Mutterschaftsurlaubs würden aus sozialen Überlegungen gewährt und führten zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung, ging das Bundesgericht nicht ein.

Konsequenz für die Praxis

Väter sind mit Bezug auf die Betreuung ihrer Kinder direkt nach der Geburt und somit auch auf die Intensivierung der Eltern-Kind-Bindung schlechter gestellt als Mütter. Diese Schlechterstellung ist vom Gesetzgeber so gewollt und kann laut Bundesgericht mit biologischen Gründen gerechtfertigt werden, weshalb keine unzulässige Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt. Eine Änderung der geltenden Regelung durch Einführung eines für Väter und Mütter geltenden Elternurlaubs kann nur vom Gesetzgeber vorgenommen werden.

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Gloria Eschenbach, lic. iur. Rechtsanwältin, ist Partnerin und Leiterin der Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts. www.obt.ch

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