Vereinfachte Dokumentationspflicht: Eine praxisfremde Idee
Replik: Arbeitszeiterfassung aus der Praxis-Perspektive.
(Illustration: Jonas Raeber)
Anhand des nebenstehenden Textes lässt sich objektiv analysieren, ob die vereinfachte Dokumentationspflicht von Nutzen ist für die Unternehmen und ihre Mitarbeitenden. Die Mustervereinbarung könnte den Eindruck erwecken, der Aufwand für die Arbeitszeitdokumentation sei an den Mitarbeiter delegiert – und damit reduziere sich der Verwaltungsaufwand für das Unternehmen. Dem ist jedoch nicht so. Die Verlagerung der vereinfachten Dokumentationspflicht vom Unternehmen zum «eigenverantwortlichen» Mitarbeiter ist keine administrative Erleichterung. Der arbeitende Mensch kann nicht nach Gefühl wissen, ob er Pausenregelungen und 45-Stundenwoche eingehalten hat. Deshalb muss er die geleistete Arbeitszeit mit einem Hilfsmittel erfassen – egal ob auf einem Handzettel oder mit einer Software.
Gemäss nebenstehender Mustervereinbarung erfassen die Mitarbeitenden deshalb auch bei vereinfachter Dokumentationspflicht täglich die Arbeitsstunden und Pausen. Dies können sie jedoch nur tun, wenn sie auch die Lage der Arbeitszeit kennen. Die Mitarbeitenden müssen also auch bei vereinfachter Dokumentationspflicht wissen, wann sie die Arbeit beginnen und wann sie diese beenden. Nur so können sie ausrechnen, wie viele Stunden sie gearbeitet haben.
Aufschreiben und Ausrechnen der Anzahl gearbeiteter Stunden nach Gefühl ist schlicht unmöglich und deshalb praxisfremd. Aus dieser Erkenntnis lässt sich direkt die zentrale Frage ableiten: Wenn Mitarbeitende mit vereinfachter Dokumentationspflicht die Lage ihrer Arbeitszeiten kennen müssen, warum sollten sie diese nicht ganz einfach erfassen? Und wenn sie diese erfassen, warum sollten sie dies nicht mit dem gleichen Zeiterfassungssystem tun, mit dem alle anderen Mitarbeitenden ihre Arbeitszeiten abrechnen?
Das in allen Unternehmen sowieso vorhandene Zeiterfassungssystem rechnet aufgrund von Beginn- und Endzeiten die gearbeiteten Stunden und Pausen vollautomatisch aus. Ohne Mehraufwand durch Kopfrechnen und Handzettelakrobatik stehen damit die Zeitdaten aller Mitarbeitenden für die Ermittlung von Projektfortschritt, Kapazitäten und Produktivität auf Knopfdruck zur Verfügung. Dieser Vorteil geht verloren, wenn Kadermitarbeiter Ende Monat einen Stundenrapport mit bezogenen Ferien, Feiertagen und anderen Abwesenheiten abliefern. Mitarbeitende des Kaders können zudem auch ohne Stempeluhr den Beginn und das Ende der Arbeitszeit ganz einfach mit dem Smartphone erfassen – einem Arbeitsinstrument, das sie für die Terminverwaltung sowieso immer dabei haben. Auch für die Produktivitätsklausel ist die Arbeitszeiterfassung erforderlich.
Ohne Erfassung der Zeiten kann man schon per Definition keine Produktivität ermitteln. Auf der Suche nach der richtigen Entlöhnung kommt man mit und ohne Leistungsziele am Erfassen der Arbeitszeiten nicht vorbei. Aus der Zeitforschung gibt es bezüglich optimaler Produktivität wichtige Erkenntnisse, über die wir in späteren Beiträgen berichten werden.