Verstecken gilt nicht

Es gibt Anliegen, die werden wie heisse Kartoffeln behandelt: Man will sie nur schnell aus den Händen bekommen nach dem Motto: «So, das habe ich endlich vom Tisch». Das ist oft ein Zeichen mangelnder Verantwortung. Doch das ist zu kurz gedacht: Denn wer Verantwortung übernimmt, kann mitgestalten und erfährt Wertschätzung.

«Das hat Frau Steiner organisiert.» «Ich bin nur die Übermittlerin.» «Wir müssen warten bis mein Chef zurückkommt.» Standardsätze, die immer wieder auftauchen – meist wenn jemand versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Woran das liegt? Viele Frauen sind sich ihrer Kompetenzen nicht bewusst. Dabei sind sie gerade mit ihrer Intuition dafür prädestiniert – trauen sich oft aber leider nicht.

Das lässt sich sogar evolutionsgeschichtlich erklären: Von jeher war es der Mann, der für den Lebensunterhalt sorgte: Er jagte und brachte das Essen nach Hause. Das gehörte zu seinen Fürsorgepflichten für seine Familie und implizierte, dass er die Entscheidungen traf. Heute sind wir einen Schritt weiter. Auch Frauen gehen jagen – meist im Supermarkt oder Warenhaus –, um für ihre Familien zu sorgen. Nicht selten bezahlen Frauen diese Einkäufe vom eigens verdienten Geld. Spätestens daran sollten Frauen erkennen, dass sie nicht nur involviert, sondern massgeblich an Entscheidungen beteiligt sind. Das gilt ebenso im Job.

Was bedeutet Verantwortung?

Wir haben die Pflicht, uns Sachen oder Personen anzunehmen und so zu handeln, dass kein Schaden entsteht. In unserer Leistungsgesellschaft sogar noch mehr: einen Standard zu erhalten und Weiterentwicklung zu ermöglichen. Bedenken Sie dabei, dass Fehler zur Weiterentwicklung dazu gehören. Je nach Umfeld, der gesellschaftlichen Praxis und dem Wertesystem sind Konsequenzen in Form von Lob, Tadel, Belohnung oder Bestrafung zu erwarten. Manches Mal fordert sie überdies Ersatz- oder Zusatzleistungen. Der Verantwortung liegen gesellschaftliche Normen zugrunde, die einen rechtlichen, religiösen, ethischen, moralischen oder weltanschaulichen Ursprung haben. Sie kann aber auch auf einem selbst gewählten Ideal – einer nur individuell gültigen Norm – beruhen. In jedem Fall ist sie an andere Regeln und Institutionen gebunden. Denn nur unter Einbeziehung der Mitmenschen sowie der Umwelt macht Verantwortung überhaupt erst Sinn.

Was bedeutet Verantwortung im Office? Stellen Sie sich vor, niemand übernähme Verantwortung. Wie sähe das wohl aus? Die Geschirrspülmaschine wäre nie eingeräumt, es gäbe bald kein sauberes Geschirr mehr. Ja, vermutlich gäbe es nicht einmal Geschirr, weil niemand sich verantwortlich fühlt, dieses zu beschaffen. So ist es auch mit den Aufgaben: Wenn sich niemand verantwortlich fühlt, werden die Aufgaben eben nicht erledigt. In der Eskalation bedeutet das Pflichtverletzung, Rüge, Jobverlust, Imageschaden und Untergang des gesamten Unternehmens. Daher gilt es, über den Tellerrand zu schauen, um das grosse Ganze zu ergründen. Dazu gehört, sich für das Drumherum zu interessieren und sich verantwortlich zu fühlen. Wer keine Verantwortung übernimmt, weder für sich noch für sein Handeln, der hilft nicht und dem ist am Ende auch nicht mehr zu helfen.

Verantwortung durch Kompetenz

Um Verantwortung übernehmen zu können, müssen Sie mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet sein. Dazu zählt die Entscheidungskompetenz, mit der uns unser Handlungsspielraum aufgezeigt wird, innerhalb dessen wir uns bewegen und welche Entscheidungen wir bis zu welchem Masse treffen dürfen. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Davon unberührt sind unsere Handlungskompetenzen. Diese splitten sich auf in Fachkompetenz – Ihr Wissen, das Sie einbringen, in Sozialkompetenz – der Umgang mit anderen und in Selbstkompetenz – wie gehen Sie mit sich selbst um. Bewegen Sie sich in Ihrem Umfeld so, dass es sozialverträglich ist. Denn es geht immer um Angemessenheit – die Passung zum vorherrschenden Wertesystem. Wer sich nicht integriert, grenzt sich selber aus.

Denken Sie daran, dass Sie nicht nur für das verantwortlich sind, was Sie tun, sondern ebenso für das, was Sie nicht tun. Beim Umgang mit sich selbst geht Verantwortung los: Sorgen Sie gut für sich? Schimpfen Sie sich noch oder loben Sie sich schon? Geisseln Sie sich für Ihre Fehler mehrmals täglich oder belohnen Sie sich für Ihre Erfolge? Können Sie auch mal nein sagen oder möchten Sie nur, dass es anderen gut geht? Sie kennen das aus dem Flugzeug: «Ziehen Sie die Sauerstoffmaske schnell zu sich heran und platzieren Sie diese fest auf Mund und Nase. Danach helfen Sie Kindern und hilfsbedürftigen Personen.» Mit anderen Worten: Wenn es Ihnen selbst nicht gut geht, sind Sie auch anderen keine grosse Hilfe. Wer immer nur andere glücklich macht, bleibt auf der Strecke. Das wäre schade, denn Sie sind der einzige Mensch, der Sie garantiert ein Leben lang begleitet.

Verantwortung im Office

Da sitzen Sie nun. Haben den Tisch voll mit Aufgaben und Ihr Zeitlimit vor Augen. Sie legen los. Schnelligkeit ist toll. Aber bitte nie zulasten von Qualität. Diese sollte über der Geschwindigkeit stehen, denn Qualität ist das, was Sie professionell macht. Apropos professionell: Heben Sie auch die Blätter auf, die die Pflanzen auf dem Flur abwerfen? Kümmern Sie sich um den Papierstau im Drucker? Ist Ihr Arbeitsplatz vorzeigbar? Wie ist Ihre Einstellung, um als würdige Repräsentantin Ihres Chefs, Ihrer Abteilung, Ihrer Firma zu wirken? Man kann es an Ihrem Verhalten ablesen. Halten Sie sich vor Augen, dass man Ihnen den Job gegeben und die Aufgaben anvertraut hat, nicht nur weil man es erwarten darf, sondern es Ihnen einfach zugetraut hat. Ihnen wird neben Vertrauen die erforderliche Kompetenz zugesprochen.

Fragt sich, warum Sie sich nicht trauen, die für Ihren Job nötigen Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung zu übernehmen? Bei meinem «Training on the Job» erstelle ich mit meinen Schützlingen meist ein Bedürfnisprofil. Dabei ist festzustellen, dass folgende Bedürfnisse bei Assistentinnen sehr hoch ausgeprägt sind: Gerechtigkeit, Harmonie, Anerkennung und Freude. Menschen, die sehr nach Gerechtigkeit streben, halten Harmonie für den Schlüssel dazu. Das führt oft zu Schwierigkeiten beim Neinsagen. Sie wünschen sich Anerkennung und möchten Freude bei der Arbeit haben. Schauen wir uns das einmal aus der Vogelperspektive an: Wann bekommen wir Anerkennung? Wenn wir einen guten Job machen! Wann haben wir Freude? Wenn wir uns in unserer Kompetenz erleben, Erfolge einfahren und dafür Lob kassieren. So macht Arbeit sogar Spass! Eine logische Kette von Reaktion und Aktion.

Gehirn benutzen

Dies ist der letzte Schritt, den wir gehen sollten, wenn wir als verantwortungsvoll wahrgenommen werden wollen. Lassen Sie sich nicht verunsichern, sondern vertrauen Sie sich selbst. Entscheiden Sie einfach nach bestem Wissen und Gewissen. Für die Veränderung brauchen Sie nur drei Dinge: Können, Dürfen, Wollen. Wie gesagt: Die Frau ist an sich prädestiniert, um weise Entscheidungen zu treffen. Sie muss sich nur noch selber trauen.

Sieben gute Gründe, Verantwortung zu übernehmen

  1. Sie können die Welt massgeblich mitgestalten.
  2. Mit jeder Entscheidung wird Ihre Komfortzone etwas grösser.
  3. Sie gewinnen an Sicherheit, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, weil Sie sich in Ihrer Kompetenz erleben dürfen.
  4. Ihnen wird Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht.
  5. Verantwortungsvolle Menschen gelten als gewissenhaft, professionell und zuverlässig.
  6. Letzten Endes helfen Sie sich selbst und geben anderen damit Halt.
  7. Durch Ihre Souveränität werden Sie automatisch zum Vorbild für andere.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei Miss Moneypenny.

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Marit Zenk ist Deutschlands erster Secretary Coach und stärkt die Assistenz direkt vor Ort. Mit ihrem «Training on the Job» greift sie gezielt ein, wirft ihren versierten Blick auf die Bürostruktur, entwickelt Optimierungspotenzial 
und hilft auch beim Profiling. marit-zenk.de

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