Vier Aspekte, damit Mitarbeitende nicht fliehen

Der Fachkräftemangel bewirkt, dass offene Stellen schwierig nachzubesetzen sind und die Fluktuation steigt. Da beides teuer und mühsam zu kompensieren ist, sollten Unternehmen verhindern, dass noch weitere Mitarbeitende abwandern.

Ein ehemaliger Kollege stellte gerne süffisant fest, dass es sofort auffalle, wenn die Reinigungskräfte einen Tag nicht da sind, aber nicht, wenn die Führungsriege für eine Woche ausser Haus ist. Natürlich liegt der Witz in den unterschiedlichen Planungshorizonten und Wirkungszusammenhängen der beiden Berufsgruppen. Gleichzeitig weist er jedoch auf eine kritische Schwierigkeit von Führung hin: Ob diese gelingt oder nicht, zeigt sich erst verzögert. Und: Die Kommunikationskompetenz der Führungskraft bestimmt massgeblich darüber, wie erfolgreich es gelingt,

  • die Belegschaft zusammenzuführen und auf ein gemeinsames Ziel auszurichten.
  • gesetzte Strategien umzusetzen.
  • Konflikte zwischen Mitarbeitenden beizulegen.
  • Mitarbeitende für die Beteiligung an Change-Projekten zu gewinnen.
  • neue Talente anzuziehen und im Gespräch für sich einzunehmen.
  • die Firma in kritischen Situationen überzeugend nach aussen zu vertreten.
  • eine wertschätzende und agile Firmen-Kultur zu etablieren.

Die Bedeutung einer klaren Kommunikation

Da Kommunikation sich zu rund 80 Prozent im nonverbalen Bereich abspielt und durch die ihr zugrunde liegende Psychologie geprägt wird, sind es in der Regel eher subtile Einflüsse, die darüber entscheiden, wie gut Führung tatsächlich gelingt. Dazu kommen gruppendynamische Einflüsse. Ebenso greift die Kommunikationsregel, dass der Empfänger die Botschaft macht – der Mitarbeitende entscheidet, als wie passend er die Führung empfindet.

Erfolgreiche Kommunikation geschieht also nur in selten zufällig, aber es gibt einige Stellschrauben, an denen man ansetzen kann, um sie in gelingende Bahnen zu lenken. Eine davon ist Klarheit. In Anlehnung an die Themenzentrierte Interaktion von Ruth Cohn sollten Führungskräfte in Bezug auf vier Aspekte Klarheit erlangen, um erfolgreicher zu kommunizieren:

1. Klarheit über den Rahmen, in dem die Organisation agiert

Wer aktiv im Auge behält, wie sich die Märkte und die Gesellschaft entwickeln und welche Trends sich abzeichnen, kann deren Relevanz in Bezug auf die eigene Organisation und Führungsarbeit besser einordnen. Neben dem Austausch mit Branchenkollegen und Netzwerkpartnern aus angrenzenden Bereichen, kann unterschieden werden, ob es sich beim Rahmen um einen sogenannten roten oder blauen Ozean handelt. Während rote Ozeane von starker Konkurrenz geprägt sind, zeichnen sich blaue Ozeane durch starke Wachstumsmöglichkeiten aus. (1)

Um potenzielle blaue Märkte zu untersuchen, ist die online abrufbare Megatrend-Map des Zukunftsinstitutes sehr hilfreich: Diese zeigt strukturiert auf, welche grossen Trends unsere Gesellschaft jetzt und in den nächsten Jahren prägen werden und welche Märkte dabei entstehen. Wichtig dabei ist, nicht einfach auf jeden Zug aufzuspringen.

2. Klarheit über das Unternehmen und das organisatorische Umfeld

Kommunikation wird durch die Struktur geformt, in der sie stattfindet. Neben klassischen Einflussgrössen wie der Unternehmensform und -grösse hat der Autor Frederic Laloux (Reinventing Organizations) eine zusätzliche Grösse entdeckt, welche die Unternehmenskultur und Kommunikation massgeblich bestimmt. Laloux bezeichnet diese Grösse als das Paradigma, das in einem Unternehmen vorherrscht und die Vorstellung prägt, was eine Organisation überhaupt ist.

Aus dem Paradigma ergeben sich unterschiedliche Wege der Entscheidungsfindung und Mitarbeiterführung. Während das moderne Paradigma die Organisation als Maschine versteht, in der die grossen Rädchen bestimmen, wie sich die kleinen Rädchen zu drehen haben, versteht das postmoderne Paradigma die Organisation als Familie, in der es zwar ein Oberhaupt gibt, aber jedes Mitglied Mitspracherecht hat. Das evolutionäre Paradigma beschreibt die Organisation als selbstorganisierten lebenden Organismus, der nicht durch eine zentrale Instanz gesteuert werden kann, sondern in dem jedes Organ und Teil des Systems am besten weiss, was es an seiner Position zu tun hat, um Veränderungen bestmöglich zu begegnen. So kann in komplexen Umfeldern agiler gehandelt werden, während die Motivation der Mitarbeitenden durch das höhere Mass an Eigenverantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten steigt.

Neben den beschriebenen Grössen umfasst das organisatorische Umfeld auch die Gruppendynamik, die sowohl zwischen den einzelnen Abteilungen und Akteuren einer Organisation als auch innerhalb einzelner Teams wirkt. Je unterschiedlicher eine Gruppe ist, desto grösser ist ihr kreatives Potenzial, desto höher sind aber auch die Anforderungen, die Unterschiedlichkeiten auszugleichen, um zu verhindern, dass die Gruppe auseinanderfällt.

3. Klarheit über den einzelnen Mitarbeitenden

Wie beschrieben macht der Empfänger die Botschaft. Im Fokus stehen also Fragen nach den Bedürfnissen, Motiven, Werten und Zielen der Mitarbeitenden. In welcher Lebensphase befinden sie sich, was sind die Herausforderungen, denen sie sich gerade zu stellen haben? Darüber hinaus sollten Führungskräfte sich bemühen, die Ängste ihrer Mitarbeitenden zu verstehen. Auf einer grundlegenden Ebene lassen sich dabei vier Ängste unterscheiden, die zu unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeitenden und damit zu verschiedenen Kompensationsaufträgen für die Führungskraft führen:

  • Die Angst eines Mitarbeitenden vor Einsamkeit geht einher mit einer hohen Beziehungsorientierung und kann kompensiert werden, wenn der Zusammenhalt der Gruppe sowie Nähe und Harmonie zwischen den Mitarbeitenden angestrebt werden
  • Die Angst vor fehlender Individualität und Bedeutung führt zu Autonomieorientierung und lässt sich durch Anerkennung und der Schaffung von Möglichkeiten der selbstbestimmten Arbeit ausgleichen
  • Mitarbeitende, die Angst vor Orientierungslosigkeit und Unbestimmtheit empfinden, entwickeln eine hohe Balanceorientierung und benötigen Ordnung, Sicherheit, klare Regeln und Zuverlässigkeit
  • Mitarbeitende, die dagegen zur Angst vor Gleichförmigkeit und Monotonie neigen, entwickeln eine hohe Stimulanzorientierung, der mit Abwechslung, Flexibilität und Spontanität passend begegnet werden kann

Natürlich gibt es Mischtypen und verschiedene Ausprägungen, aber in der Regel lässt sich eine dominante Strömung identifizieren und berücksichtigen.

Über die beschriebenen Aspekte hinaus führt am Thema Wertschätzung kein Weg vorbei: Eine Boston-Consulting-Studie mit global über 360’000 Teilnehmenden belegte 2018, dass die Wertschätzung der eigenen Arbeit im DACH Raum auf Platz 1 der Mitarbeiterbedürfnisse steht.

4. Klarheit über sich selbst

Neben den äusseren Einflüssen und den Gesprächspartnern braucht es immer noch zwei zum Tango. Damit steht und fällt das Gelingen der Kommunikation mit der Klarheit, die die Führungskraft über sich selbst und die eigenen Bedürfnisse, Werte und Ziele hat. Welche Motive und Glaubenssätze prägen das Selbstverständnis, wie wird die eigene Rolle definiert, und wie gross ist die Bereitschaft, die damit verbundenen Erwartungen zu erfüllen?

In Bezug auf einzelne Mitarbeitende steht stets die Frage nach der Beziehung im Raum. Bei schwierigen Mitarbeitenden hat man teilweise den Eindruck, sie kämen von einem anderen Stern. Wie eine Nextpractice-Studie des BMAS zeigt, leben wir bei der Arbeit tatsächlich in sieben verschiedenen Wertewelten, die sich auf unsere Einstellung und unser Verhalten auswirken.

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Es liegt auf der Hand, dass eine Führungskraft, die engagiert Höchstleistung erzielen will, nur wenige Berührungspunkte mit einem Mitarbeitenden hat, dessen Priorität auf der Work-Life-Balance liegt. Trösten sollte, dass es dem Mitarbeitenden genauso geht. Mit dieser Klarheit kann in den Dialog getreten werden, um herauszufinden, welche Potenziale sich daraus ergeben und welche Erwartungen aneinandergestellt werden.

Fazit

In Zeiten des Fachkräftemangels bildet die Kommunikationskompetenz der Führungskraft ein kritischer Faktor für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und deren Bindung ans Unternehmen. Neben der Notwendigkeit erhöhter Wertschätzung bestimmt die Klarheit der Führungskraft, wie gut Kommunikation und damit letztlich Führung gelingt.

Quelle:

  • (1) Chan Kim, Renée Mauborgne, «Der blaue Ozean als Strategie: Wie man neue Märkte schafft, wo es keine Konkurrenz gibt.», 2016, Carl Hanser Verlag, 294 Seiten.
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Christian Bernhardt ist Dozent für non-verbale Kommunikation und Kommunikationspsychologie. Er hält Vorträge und Trainings zu den Themen Recruiting und Kommunikation und berät Unternehmen in Deutschland und der Schweiz.

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