Werte im Unternehmen

Von höchstem Stellenwert

Werte stehen oft schwarz auf weiss im Leitbild verankert. Doch wie werden 
sie gelebt? Und wie unterscheiden sich je nach Branche die Grundwerte? 
HR Today hat bei vier Unternehmen nachgefragt, welches deren Top-Werte sind.

Für die einen zählt Integrität zu den Basiswerten, für die anderen ist Wertschätzung grundlegend und wieder andere setzen auf Gästeorientierung. Jedes Unternehmen definiert seine ganz spezifischen Werte, oft sind sie sogar aus der Firmengeschichte hervorgegangen. HR Today fragte bei vier Unternehmen nach, welche Grundwerte bei ihnen die drei wichtigsten sind, wie sie gelebt und vermittelt werden. Ausserdem wollten wir von den vier HR-Verantwortlichen wissen, welche Werte sie in der heutigen Geschäftswelt vermissen. 

Kantonspolizei Schwyz:

Integrität, 
Ehrlichkeit und 
Offenheit

«Integrität ist für uns der zentrale Wert und als solcher in unserer Strategie festgehalten», sagt Reto Pfister, Stabschef bei der Kantonspolizei Schwyz und HR-Verantwortlicher für die 310 Mitarbeitenden. Daneben zählen Offenheit und Ehrlichkeit zu den erwünschten Verhaltensweisen bei jedem Mitarbeitenden. Ob Mitarbeitende diese Werte verkörpern, versucht die Polizei in einem mehrstufigen Rekrutierungsverfahren herauszufiltern, bei dem sie auch mit dem IAP (Institut für Angewandte Psychologie) zusammenarbeitet.

«Entweder jemand bringt die Werte mit oder nicht. Später wird es oft schwierig bis unmöglich, auf die Werte eines Mitarbeitenden Einfluss zu nehmen», sagt Pfister. Gerade die Ehrlichkeit lasse sich in den Bewerbungsgesprächen gut testen: «Wir erleben regelmässig, dass Leute versuchen, sich mit einer Notlüge durchzuschummeln», sagt Pfister.  Etwa wenn sie verneinen, schon einmal etwas mit der Polizei zu tun gehabt zu haben, der Leumundsbericht aber beispielsweise einen Unfall in alkoholisiertem Zustand protokolliert. «Mir ist es lieber, die Leute sagen die Wahrheit», sagt der Stabschef. «Ich stelle eher jemanden ein, der offen sagt, dass er schon mal einen Joint geraucht hat, als einen mit einer scheinbar sauberen Weste, bei dem wir nachher herausfinden, dass sie Flecken hat.» Die Polizei Schwyz investiere viel Zeit und Geld in die Rekrutierung. Nicht zuletzt auch, weil eine Fehlentscheidung den Kanton teuer zu stehen kommt, da alle Polizeianwärter bei vollem Lohn eine zweijährige Ausbildung durchlaufen.

«In unseren Kaderrapporten machen wir immer wieder auf unsere Werte aufmerksam», sagt Pfister, vor allem aber gelte es, mit gutem Beispiel voranzugehen. Beispielsweise indem eine offene Fehlerkultur gepflegt werde, in der jeder für seine Fehler die Verantwortung übernimmt. «Mitarbeitende und insbesondere Vorgesetzte werden viel eher respektiert, wenn sie zu ihren Fehlern stehen», ist Pfister überzeugt. Deshalb gibt er auch offen zu, kürzlich bei einem Einsatz als Einsatzleiter auf einer Unfallstelle den «falschen» Staatsanwalt morgens um drei geweckt zu haben. Da der Verunfallte ein Jugendlicher war, hätte Pfister den Jugendstaatsanwalt informieren sollen und nicht denjenigen für Erwachsene.

Bei der Kantonspolizei Schwyz sei die Zusammenarbeit –  trotz militärischer Grade – alles andere als «militärisch»: «Der Umgang ist sehr offen und unkompliziert, wir duzen uns alle und verstehen uns als Gemeinschaft.» Nächtelang zusammen zu patrouillieren, schweisse zusammen, weiss Pfister. So komme es durchaus vor, dass Polizistenfamilien zusammen in die Ferien gehen. Das Vertrauen untereinander sei gross. «Vertrauen ist zudem auch ein Wert, der in unserer Polizeigeschichte eine zentrale Rolle einnimmt», sagt Pfister.

Gefördert und gelebt wird Vertrauen, indem bewusst nicht jedes Detail geregelt ist. «Die Verantwortung ist auf eine tiefe Stufe delegiert.» Gemäss dem Leitbild wird das Ziel vorgegeben, nicht aber der Weg. Die Mitarbeitenden schätzen es, selbst Verantwortung übernehmen zu können, weiss Pfister. Er selber hat ein gewisses Grundvertrauen: «Ich glaube an das Gute im Menschen, trotz vieler negativer Erfahrungen, die mein Beruf mit sich bringt. Grundsätzlich ist aber Vertrauen etwas, das man sich auf längere Zeit erarbeiten muss.» Werte, die der Stabschef generell in der heutigen Geschäftswelt vermisst, sind Respekt, Anstand und Höflichkeit. «Ich wünsche mir diese guten alten Tugenden zurück, allzu oft werden sie nicht mehr beachtet.»

McDonald’s Schweiz:

Teamgeist, 
Gästeorientierung und Respekt

«Teamgeist und Gästeorientierung sind zwei unserer Basiswerte, die seit dem ersten Tag gefordert und gefördert werden», erklärt Gabriela Leone, Human Resources Director bei McDonald’s Schweiz. Als dritten Wert nennt sie Respekt. «Wir beschäftigen Mitarbeitende mit 100 verschiedenen Nationalitäten. Ohne Respekt wäre die Zusammenarbeit mit Menschen aus so vielen Kulturen mit unterschiedlichen Religionen und Sprachen sowie verschiedenen Altersstufen gar nicht möglich.»

Die Gästeorientierung, präzisiert Leone, bezieht sich auf die Gäste in den Restaurants, aber auch auf die interne Zusammenarbeit: McDonald’s Schweiz beschäftigt rund 7300 Mitarbeitende und betreibt über 150 Restaurants, die wie KMU funktionieren und von Managern geleitet werden. «Wir schulen die Restaurantverantwortlichen regelmässig in allen HR-Themen, damit sie die Verantwortung über ihre Mitarbeitenden selber tragen können.» Das zentrale HR leiste zwar gewisse Vorarbeiten, gerade bei Rekrutierungen, das letzte Wort für die Einstellung aber habe der Restaurantmanager. Ausser bei Kaderstellen, hier sind Gabriela Leone und ihr Team direkt zuständig. Ob ein Bewerber zu McDonald’s passt, versucht das HR-Team bei den Bewerbungsinterviews und Assessments herauszufiltern. «Die Basiswerte muss jemand mitbringen. Die Arbeitsschritte können alle bei uns lernen. Aber die Wertehaltung später zu ändern, wäre schwierig», erklärt Leone.

Damit diese drei Grundprinzipien, die im Leitbild verankert sind, auch gelebt werden, spricht man bereits bei der Mitarbeitereinführung über Werte und Teamprozesse. Weiter gibt es regelmässig Schulungen und auch in den jährlichen Mitarbeiterumfragen spielen Teamgeist, Gästeorientierung und Respekt eine zentrale Rolle.

Eine respektvolle Haltung sei nicht nur für die Teamarbeit essenziell, sondern werde auch von den Vorgesetzten gegenüber allen Mitarbeitenden erwartet, so Leone. «Es geht um Anerkennung der Leistung, denn wir sind uns bewusst, unsere Leute arbeiten hart.» Gabriela Leone schätzt an den Mitarbeitenden von McDonald’s ihre Offenheit gegenüber Menschen aus anderen Kulturen und ihre kollegiale Haltung. «Über die Mittagszeit geht es in unseren Restaurants hektisch zu, da kann es vorkommen, dass die Kommunikation etwas lauter ausfällt als gewöhnlich. Ist der Druck aber vorbei, klopfen sich die Mitarbeitenden auf die Schulter. Etwa so, wie man es in einer Familie auch macht.»

Generell vermisst die HR-Leiterin heutzutage den Mut, unpopuläre Entscheidungen zu treffen sowie Fehler einzugestehen. Ebenso fehlt ihr, dass man sich Zeit nimmt. «Sie werden lachen, dass dies gerade jemand von McDonald’s sagt, wo wir doch grössten Wert auf schnellen Service legen», sagt Leone. «Aber Entschleunigung ist bei uns ein grosses Thema.» Als Unternehmen seien sie dabei, zu entschleunigen. Konkret: Anstelle von 20 Projekten lieber 10 qualitative in Angriff nehmen und richtig umsetzen. Bereits seien erste Resultate spürbar, seit Entschleunigung ein Thema sei: «Die Leute kennen sich besser, haben mehr Verständnis für die Kollegen und deren Business. Aber es ist ein Lernprozess, denn unsere Kultur und unsere Leute sind eher darauf ausgerichtet, sich flexibel für Neues zu begeistern und es möglichst schnell umzusetzen.» Gabriela Leone ist überzeugt, dass sich in Zukunft auch der Service weiter verändern wird. «Der persönliche Kontakt wird zunehmend an Bedeutung gewinnen.»

Universal-Sport AG:

Authentizität, 
Professionalität und Wertschätzung

«Als KMU wollen wir unsere Mitarbeitenden vor allem moralische Werte und Kooperationswerte erleben lassen», sagt Alessandro Pasquinelli, Leiter Personal & Ausbildung bei der Universal-Sport AG. Zusammen mit der Geschäftsleitung hat er die Werte Authentizität, Professionalität und Wertschätzung als Grundwerte des Unternehmens definiert. Diese werden top down vermittelt, vorgelebt und in internen Schulungen immer wieder thematisiert und ihre Anwendung diskutiert.

«Der grösste Teil unserer 125 Mitarbeitenden arbeitet im Verkauf», sagt Pasquinelli. «Sie sollen gegenüber den Kunden authentisch auftreten und der Kunde muss ihre Emotionen spüren, wenn sie ihm etwas verkaufen.» Weiter müssen Verkäufer professionell sein und individuell, das heisst, sie sollen nicht einem Kollegen nacheifern und dessen Verkaufsstil übernehmen. Die Wertschätzung sei ein Wert, der sowohl gegenüber den Kunden wie auch den Mitarbeitenden angewendet werde. «Die Geschäftsleitung zeigt ihre Wertschätzung, indem sie sagt, wenn etwas gut läuft, und die Mitarbeitenden lobt. Wir versuchen auch, wann immer möglich, Gutes für unsere Leute zu tun», sagt der HR-Leiter.

Damit spricht er beispielsweise den Einkaufsgutschein im Wert von 500 Franken an, den alle Mitarbeitenden, auch die Lernenden, im Sommersonderverkauf erhalten haben und den sie zusammen mit dem üblichen Personalrabatt von 45 Prozent einsetzen können. Ausserdem sind sie alle inklusive des CEO per Du und es sprechen alle die gleiche Sprache, das heisst, «auch die Manager reden so, dass die Mitarbeitenden sie verstehen», erläutert Pasquinelli.

«Ich freue mich enorm, wenn ich die Freude sehe und spüre, die unsere Leute an ihrer Tätigkeit haben», sagt Pasquinelli, der jede Woche ein anderes Geschäft besucht. Der HR-Leiter will professionelle Verkäufer und enthusiastische Menschen im Unternehmen anstellen. Damit er dies erreicht, müssen Bewerber im persönlichen Gespräch ihre Wertehaltung zum Ausdruck bringen können. «Die Wertehaltung ist eines unserer Killerkriterien bei der Rekrutierung», sagt er.

Er ist sich aber bewusst, dass jedes Individuum seine eigene Persönlichkeit hat, und diese will er auch gar nicht ändern. «Ich bin überzeugt, dass die Kraft eines Teams höher einzustufen ist als diejenige eines einzelnen Mitarbeitenden», sagt Pasquinelli. «Durch gegenseitige Wertschätzung und Motivation erkennen die Teammitglieder die Werte und können sie teamintern und gegenüber den Kunden anwenden.» Daher besprechen die Teams in jeder Filiale wöchentlich, was gut gelaufen und was in der bevorstehenden Woche zu verbessern ist.

Für Alessandro Pasquinelli sind es genau die Werte ihres Unternehmens, die er heute in der Geschäftswelt vermisst – mit ein Grund, weshalb Universal-Sport die Authentizität, die Professionalität und die Wertschätzung fördert. «Speziell mit der Wertschätzung können sich unsere Mitarbeitenden identifizieren, sie ist seit der Gründung 1929 natürlich gewachsen und war schon immer Teil unseres Systems.»

Trisa:

Vertrauen, 
Wertschätzung und Identifikation

«Wir haben eine ganze Reihe von Werten, die bei Trisa hoch im Kurs stehen. Die wichtigsten daraus sind für mich Vertrauen, Wertschätzung und Identifikation», sagt Marco Müller, Leiter Human Resources bei Trisa. Die Werte seien im Leitbild der Firma festgeschrieben und fänden sich in den Führungsgrundsätzen wieder. «Die Vorbildwirkung der Führungskräfte ist entscheidend, damit Werte im Alltag umgesetzt werden», sagt der HR-Leiter. In den jährlichen Schulungen der Führungskräfte werden deshalb einzelne Werte immer wieder ins Zentrum gestellt und mit aktuellen Businessthemen in Verbindung gebracht. Eine interdisziplinäre «Trisa-Spirit»-Gruppe von acht Mitarbeitenden aus verschiedenen Hierarchiestufen, zwei davon aus dem HRM, sorgt zudem dafür, dass die Werte mit verschiedenen Projekten und Aktivitäten im Alltag umsetzbar und spürbar werden.

Dazu gehören etwa die regelmässige Mitarbeiterbefragung, Aktivitäten für Jubilare, Geburtstagsgeschenke und andere kleinere Benefits für die Mitarbeitenden, das jährliche Trisa-Fest, Impulsprogramme zur Förderung der Gesundheit, Referate und Flyer zu bestimmten Themen und sportliche Anlässe wie ein Firmenfussballturnier, ein Familienskitag oder die gemeinsame Teilnahme an Events wie dem Luzerner Stadtlauf. «Mit solchen identifikationsstiftenden Anlässen möchten wir auch unsere Wertschätzung gegenüber unseren Mitarbeitenden zeigen und den Zusammenhalt fördern», erklärt Müller.

Die Wertehaltung ist bereits bei der Rekrutierung ein wichtiger Bestandteil: «Wir kommunizieren auf unserer Homepage und bei Stellenausschreibungen unsere Werte, analysieren die Lebensläufe gründlich, fragen im Bewerbungsinterview nach privaten Interessen und Aktivitäten – soweit zulässig natürlich – und laden Bewerber wenn möglich zu einem Schnuppertag ein, um sie noch besser kennen zu lernen. Ein Persönlichkeitstest rundet in der Regel unsere Beurteilung ab.» Wer beispielsweise alle zwei Jahre die Stelle wechsle, sei wohl punkto Identifikation nicht der erwünschte Trisa-Mitarbeitende.

Dennoch sei es nicht das oberste Ziel, dass alle 1000 Mitarbeitenden die gleichen Werte haben. Eine gemeinsame Grundeinstellung erleichtere zwar die Zusammenarbeit, aber je vielfältiger die Interessen, desto kreativer und langfristig erfolgreicher sei ein Team. «Es gibt auch kritische Mitarbeitende, die sich nicht mit allen Werten oder deren Ausgestaltung einverstanden erklären können, aber von ihrer Grundhaltung her zu Trisa passen», sagt der HR-Leiter. «Das sind für mich sehr wichtige und wertvolle Stützen, die massgebliche Inputs geben und Diskussionen zu unserer Kultur und unseren Werten fördern. Es braucht in jeder Organisation konstruktiv Unzufriedene, damit sich ein Unternehmen weiterentwickeln kann.»

Für Marco Müller ist Vertrauen der wichtigste Wert überhaupt, beruflich wie privat. «Echter Vertrauensaufbau funktioniert nur über Menschen und im persönlichen Kontakt. Die Technologie kann im besten Fall eine Unterstützung dazu bieten», ist er überzeugt. Ausserdem haben für Müller Werte wie Respekt, Zuverlässigkeit und eine gewisse Bescheidenheit ein hohes Gewicht. Dagegen bedauert er, dass Eigenschaften wie Anstand und Respekt in der heutigen Gesellschaft viel an Stellenwert verloren haben.

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