Vorsichtskündigung und Internetrecherche – zulässig?
Nach Klassentreffen sollen Kündigungen seitens Mitarbeitenden sprunghaft ansteigen – und auch ein häufiges Updaten des Linkedin- und Xing-Profils kann auf den Kündigungswillen eines Mitarbeitenden hinweisen. Dürfen Arbeitgeber systematisch Daten über einzelne Mitarbeitende im Internet sammeln? Und: Darf der Arbeitgeber quasi sicherheitshalber kündigen, wenn er bei einem Arbeitnehmer den Verdacht hat, dass dieser kurz vor dem Absprung steht?
Die Internet-Recherche über Mitarbeitende unterliegt rechtlich gewissen Restriktionen. (Bild: 123RF)
«Vorsicht, der Chef liest mit!» titelte die Sonntagszeitung kürzlich und nahm eine repräsentativen Untersuchung des Marktforschungs- und Technologieinstitut CEB mit Hauptsitz in Arlington zum Anlass, darüber zu berichten, dass bestimmte externe Faktoren zu einen Mehr an Kündigungen führen. So nimmt offenbar die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz nach Klassentreffen sprunghaft zu. Weitere Auslöser für eine berufliche Veränderung seien Firmenjubiläen oder runde Geburtstage. Kurz vor einem 40. oder 50. Geburtstag soll die Jobsuche von qualifizierten Angestellten gemäss der Studie um 12 Prozent ansteigen.
Weiter stellte die Sonntagszeitung fest, dass Unternehmen vermehrt Informationen aus dem Internet in Zusammenhang mit ihren Mitarbeitern analysieren. So können etwa Linkedin- oder Xing-Profile von Mitarbeitenden verfolgt werden. Hier weisen scheinbar vor allem die Aktualisierung oder häufige Updates auf einen Kündigungswillen des Mitarbeitenden hin. Aber auch Facebook- und Twitter-Posts lassen sich entsprechend analysieren und können Rückschlüsse auf die Zufriedenheit eines Mitarbeitenden zulassen.
Obschon die systematische Auswertung von mitarbeiterrelevanten Daten im Internet in der Schweiz noch kaum extensiv betrieben wird, zeigt ein Blick auf den angelsächsischen Raum, dass diese Entwicklung auch in der Schweiz Einzug halten könnte.
Dabei stellen sich diverse rechtliche Fragen. Allen voran: Darf der Arbeitgeber systematisch Daten über seine Mitarbeiter im Internet sammeln? Dann aber auch: Darf der Arbeitgeber quasi sicherheitshalber kündigen, wenn er bei einem Arbeitnehmer den Verdacht hat, dass dieser kurz vor dem Absprung steht?
Internetrecherche
Die Recherche im Internet über Mitarbeitende gilt rechtlich als «Bearbeiten von Daten» und unterliegt gewissen Restriktionen.
Der Arbeitgeber darf Daten über Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind.
Neben den arbeitsrechtlichen sind auch die Regeln des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG) bei der Bearbeitung von Mitarbeiterdaten beachtlich. Will der Arbeitgeber hiervon abweichen, ist dies ausnahmsweise zulässig, sofern er sich auf einen speziellen Rechtfertigungsgrund berufen kann.
Die Datenbearbeitung muss zudem mit legalen Mitteln geschehen und verhältnismässig sein. Demnach dürfen so viele Daten wie nötig, aber nur so wenige wie möglich bearbeitet werden.
Eine Rechtsprechung zur systematischen mitarbeiterspezifischen Auswertung von sozialen Medien, beruflichen Netzwerken etc. gibt es nicht. Sie dürfte jedoch im Lichte der allgemeinen Grundsätze zumindest als heikel gelten, sofern sie nicht etwa anonymisiert und beispielweise zur Determinierung der grundsätzlichen Stimmung im Unternehmen verwendet wird, ohne Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeitende zuzulassen.
Vorsichtskündigung
In der Praxis begegnet man immer wieder Fällen von Kündigungen, die seitens Arbeitgeber ausgesprochen worden sind, weil sie einer Kündigung von Mitarbeitern zuvor kommen wollten – sogenannte Vorsichtskündigungen. Solche Kündigungen können im Kern auf Grund besserer Planbarkeit (der Arbeitgeber ist im Driver Seat) oder aber aus diffusen vorgezogenen Rachegefühlen ausgesprochen werden.
Bei solchen Vorsichtskündigungen stellt sich die Frage der Zulässigkeit.
Grundsätzlich gilt in der Schweiz das Prinzip der Kündigungsfreiheit: Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann jederzeit und grundlos gekündigt werden, sofern sie nicht missbräuchlich oder diskriminierend ist, nicht während einer Sperrfrist ausgesprochen worden ist und sofern die Kündigungsfristen und -termine eingehalten werden. Hier im Zentrum steht die Frage der Missbräuchlichkeit einer Vorsichtskündigung.
Grundsätzlich ist eine Vorsichtskündigung nicht per se als missbräuchlich einzustufen, namentlich dann nicht, wenn sie organisatorisch begründet ist. Jedoch dürfte, sofern der Arbeitnehmer beweisen kann, dass der Arbeitgeber ihm wegen eines Verdachts, wonach der Arbeitnehmer sich nach einer neuen beruflichen Herausforderung umgesehen hat, gekündigt hat, immer ein gewisses Risiko vorhanden sein, dass ein Arbeitsgericht eine solche Kündigung als missbräuchlich ansieht. Insbesondere, wenn es sich um einen Racheakt des Arbeitgebers handeln sollte.