Wandel als Konstante
Von der HR-Assistenz zur Leiterin Direktion Human Resources und zum Geschäftsleitungsmitglied der Genossenschaft Migros Aare: Birgit Meier-Hobmeier kennt das HR von der Pike auf. Welche HR-Themen die 51-Jährige umtreiben, was Wandel in der Migros Aare bedeutet und wieso sie Personalabbauerfahrung nicht missen möchte.
«Wir rekrutieren zentral statt jeder Fachbereich für sich», erklärt Birgit Meier-Hobmeier unter anderem in unserem Porträt. (Bilder: Aniela Lea Schafroth)
Kanton Bern. Verkehrsknotenpunkt Schönbühl. Unmittelbar neben dem stark frequentierten Shoppyland befindet sich die Betriebszentrale der Genossenschaft Migros Aare. «Unser Herzstück», betont Leiterin Direktion Human Resources und Geschäftsleitungsmitglied Birgit Meier-Hobmeier. Von hier aus versorgt die Logistik zwischen Gstaad und Spreitenbach täglich 123 Supermärkte, 48 Restaurants und 10 Take-aways mit Frischeartikeln. Auch die Geschäftsleitung zieht von hier aus ihre Fäden, darunter die 51-jährige HR-Leiterin und ihr rund 60-köpfiges HR-Team. Noch ist im Hauptsitz wenig los. «Wir setzen weiterhin auf einen reduzierten Vor-Ort-Betrieb», erklärt Meier-Hobmeier die Situation: «Es werden auch nicht alle Mitarbeitenden Vollzeit aus dem Homeoffice zurückkehren.» Der Grund? Mit dem Geschäftsleitungsteam erarbeitete die HR-Leiterin in den letzten Monaten eine Flexwork-Policy, die es Mitarbeitenden nach Teamabsprache erlaubt, zwischen 0 und 100 Prozent von zu Hause aus zu arbeiten. «Der Verkauf ist davon natürlich ausgenommen», schmunzelt sie.
Die Pandemie beschleunigte bei der Migros Aare nicht nur die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle, sie war auch Wasser auf den Mühlen der laufenden Unternehmenstransformation hin zu einer agileren Arbeitswelt. «Vieles, was vor zwei Jahren noch undenkbar war, ist auf einmal möglich», freut sich Meier-Hobmeier über diesen Wandel. Die Ausnahmesituation habe geholfen, internes Silodenken aufzubrechen und Synergien innerhalb der Migros Aare vermehrt zu nutzen. «Heute rekrutieren wir beispielsweise zentral statt jeder Fachbereich für sich.» Auch die Mitarbeitenden seien flexibler geworden: Jene aus der vorübergehend geschlossenen Gastronomie oder den Freizeitzentren unterstützten die in den Supermärkten stark geforderten Teams tatkräftig. «Vielen hat es am neuen Ort so gut gefallen, dass sie gerne geblieben wären.» Diese Erkenntnis führte dazu, dass die HR-Leiterin mit ihrem Team über einen fachübergreifenden Mitarbeitenden-Pool nachdenkt. Das Ziel: «Wenn irgendwo Not an Arbeitskräften ist, könnten wir diese Engpässe intern ausschreiben und Mitarbeitende, die Zeit und Lust haben, könnten einspringen.» Die Frage sei, welche Anreiz- und Vergütungsmodelle geschaffen werden müssten, damit Mitarbeitende auch abseits der Pandemie flexibel blieben.
Stetige Weiterentwicklung
Potenzial sieht die Birgit Meier-Hobmeier ausserdem bei der Effizienzsteigerung der HR-Prozesse. «Für administrative Standardprozesse wollen wir möglichst wenig Zeit aufwenden, um uns Themen wie der Mitarbeiterführung und -förderung zu widmen.» Damit die internen Abläufe noch einheitlicher und effizienter werden, löst die Migros Aare mit den weiteren Migros-Unternehmen ihr bisheriges SAP-System durch SAP Success Factors ab. «Das Projekt ist bereits gestartet. Bis 2024 sollen alle Module des neuen IT-Systems eingeführt werden», wagt die HR-Leiterin einen Blick in die Zukunft. Abseits davon sei die Migros Aare digital bereits gut aufgestellt. «Wir digitalisieren und automatisieren was wir können, bauen Workflows und arbeiten mit Management-Service-Systemen.» Dadurch hätten Vorgesetzte direkten Zugriff auf Statistiken und Mitarbeiterinformationen, ohne dafür das HR zu beauftragen. Nicht nur die Vorgesetzten, auch die Mitarbeitenden sollen umfangreichere Datenzugriffe erhalten. Eine Herausforderung, wie Meier-Hobmeier betont. «Wir arbeiten in einer Branche, in der rund 80 Prozent der Arbeitnehmenden keine eigene geschäftliche E-Mail-Adresse besitzen und wenig bis nie am PC arbeiten.» Da gelte es, andere Lösungen zu finden – etwa über Handy-Apps oder mobil zugängliche Kommunikationskanäle wie Teams.
Intensiv beschäftigt die HR-Leiterin auch das Employer Branding. Zum Beispiel, wie sich das Unternehmen als grösste private Arbeitgeberin im Wirtschaftsgebiet vermarktet. Birgit Meier-Hobmeier möchte dabei nicht nur nach aussen scheinen. «Es geht nicht nur ums Werben und Rekrutieren, sondern auch darum, Mitarbeitende zu entwickeln und zu halten.» Dass dieses Bestreben bislang gegen innen aufgeht, zeigt sich im grössten Fachbereich «Supermarkt», wo 93 Prozent der Kaderleute aus den eigenen Reihen stammen. Weniger gut gelingt die interne Nachwuchsförderung bei Fachleuten aus dem Finanz- oder Projektleiterbereich. «Hier stehen wir in direkter Konkurrenz zu anderen Branchen. Bei einem Telekommunikationsanbieter verdient man einfach mehr als bei der Migros.» Um im Wettbewerb zu bestehen, brauche es deshalb abseits des Lohns gute Arbeitsbedingungen, attraktive Lohnnebenleistungen und eine angenehme Unternehmenskultur.
Geht es um die Mitarbeitendengewinnung, will Birgit Meier-Hobmeier ihre HR-Kolleginnen und -Kollegen zu einer neuen Denkhaltung anregen. «Geht jemand, sucht man einen Ersatz und alles läuft weiter wie bisher. Müssten wir uns stattdessen nicht fragen, ob es dessen Position noch braucht? Und falls ja, in welcher Form?» Beispielsweise, weil Stellenprofile durch Technologie überflüssig werden: «Die davon betroffenen Mitarbeitende versuchen wir jeweils zeitig weiterzubilden oder umzuschulen.»
Aufbau und Abbau
Erstmals in Berührung mit dem HR kommt die damals 21-jährige Zürcherin 1991, als sie nach der Lehre eine Stelle als HR-Assistentin bei General Motors Europe in Glattbrugg antritt. Da sie ihr Faible für die englische Sprache intensiver ausleben möchte, verlässt sie General Motors und wechselt 1992 zur russischen Import-Export-Firma Seabeco AG in Dietlikon. «Dort entfernte ich mich in einer Stabsposition wieder vom HR und war international unterwegs.» 1993 nimmt sie sich eine sechsmonatige Auszeit und begleitet ihren späteren Mann nach England, wo sie ihre Englischkenntnisse «perfektioniert.» Noch während ihres Urlaubs erreicht sie die Nachricht, dass sich die Seabeco AG in Liquidation befände und ihre Arbeitskraft nicht mehr benötigt würde. Als Birgit Meier-Hobmeier in die Schweiz zurückkehrt, hat sie keine Arbeit. «Was tun? Ich war 25 Jahre alt und wollte nicht ewig Assistentin bleiben.» Der Berufsberater rät ihr zum HR-Einstieg. 1995 beginnt sie beim Computerhersteller Compaq als Personalassistentin im Sales und Marketing und übernimmt dort 1997 eine Personal-Bereichsleitung und die Verantwortung für die Lernenden des Unternehmens.
Kurz und bündig
Migroskind oder Coopkind
Ich bin ein geborenes Coopkind, das zum Migroskind mutierte, als ich für die Migros-Gruppe zu arbeiten begann und die hohe Qualität und Vielfalt der Produkte entdeckte und sehr zu schätzen lernte.
KMU oder Grosskonzern
Grosskonzerne. Zwar besitze ich KMU-Erfahrung, aber das HR in einem Grosskonzern finde ich deshalb spannender, weil ich mehr personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung habe, um Neues vorwärtszutreiben. Zudem kann ich mit kompetenten Spezialistinnen und Spezialisten im eigenen Team und anderen Abteilungen zusammenarbeiten.
Pop oder Klassik
Grundsätzlich beides. Doch tendenziell eher Pop und dort vor allem die Musik aus den 80er-Jahren.
Wein oder Bier
Wein ist für mich komplexer und vielschichtiger als Bier. Zudem geniesse ich es immer wieder, auf weltweiten Reisen mir bislang unbekannte Weingüter zu besuchen und Winzerinnen und Winzer kennenzulernen.
Struktur oder Chaos
Ich bin jemand, der sehr strukturiert arbeitet, brauche aber Leute um mich herum, die manchmal querschiessen und Chaos erzeugen. Das bereichert, eröffnet neue Möglichkeiten – und ich kann das gut zulassen.
Um weiterzukommen und neue HR-Erfahrungen zu sammeln, wechselt sie 1999 zu Globus. Knapp 29-jährig übernimmt sie dort die Personalverantwortung der Filiale Glattzentrum. «Meine erste Führungsfunktion», sagt Birgit Meier-Hobmeier. Sie bleibt dem Detailhandelsunternehmen in den nächsten 13 Jahren treu, steigt auf und kann ab 2007 als Leiterin Human Resources und Geschäftsleitungsmitglied viele Anliegen umsetzen: von der Erarbeitung und Einführung eines Personalentwicklungskonzepts bis hin zu einem neuen Zeitwirtschafts- und Einsatzplanungsinstruments. Der CEO, mit dem Meier-Hobmeier bislang eng zusammengearbeitet hat, verlässt das Unternehmen 2011. «Das war die Gelegenheit, ebenfalls einen Wechsel anzustreben.» Eine neue berufliche Herausforderung ist bald gefunden: Ein Headhunter macht sie auf die Stelle als Leiterin Human Resources bei der Charles Vögele Gruppe aufmerksam. «Ich wollte weiterhin gestalten und etwas aufbauen. Deshalb habe ich zugesagt.»
Rückblickend ein Tanz auf dem Hochseil. Nicht nur weil Vögele ihre erste internationale HR-Stelle war, bei der sie sich um Pensionskassen und Gewerkschaften in verschiedenen Ländern kümmern musste, sondern auch, weil sich das Unternehmen schon bei ihrem Stellenantritt 2013 in Schieflage befand. «Das war zunächst ernüchternd, dann kam aber die Erkenntnis, dass mich diese Herausforderung anspricht.» Für Meier-Hobmeier war klar: «Wir geben Gas und stellen uns nochmal neu auf.» Trotz riesigem Engagement ist es für eine Rettung zu spät: «Nach dem Euro-Währungsverfall 2015 fielen zwei Drittel unseres Umsatzes weg. Das war das Ende für Charles Vögele.» Für die engagierte Personalleiterin beginnt eine neue Zeitrechnung, in der sie mit Geschäftsleitungskollegen nach Käufern sucht und gleichzeitig Personal abbauen muss. «Obschon das nicht immer einfach war, möchte ich diese Erfahrung nicht missen», betont sie. Zumal diese Thematik in ihrer späteren Berufslaufbahn immer wieder aufflammte. «Als HR wird man in diesen Momenten mehr denn je gebraucht. Wir müssen arbeitsrechtliche Situationen beurteilen, transparent und ehrlich kommunizieren und Mitarbeitende unterstützen – mit einem Sozialplan, Umschulungen oder einem Outplacement-Angebot.»
Weiter, immer weiter
Ende 2017, kurz vor dem endgültigen Lichterlöschen bei Charles Vögele, verlässt auch Birgit Meier-Hobmeier das Unternehmen und nimmt sich eine Auszeit. «Nach diesen intensiven und emotionalen Wochen und Monaten brauchte ich etwas Zeit für mich.» Eingeplant war ein Jahr, doch schon nach neun Monaten klopft die Migros-Tochtergesellschaft Mibelle Group an ihre Tür. «Sie wollten jemanden mit Erfahrung für den Aufbau eines internationalen HR-Managements für die Mibelle Group und die Auslandplattformen der Migros-Industrie.» Meier-Hobmeier sagt zu und beginnt 2018 als Head Group HR, bleibt allerdings nicht lange. Nach acht Monaten macht ihr die personell zehnmal so grosse Genossenschaft Migros Aare ein unwiderstehliches Angebot. «Und da bin ich jetzt.»
Veränderungsprozesse ziehen sich auch bei der Migros durch Birgit Meier-Hobmeiers HR-Leben «Wir befinden uns inmitten eines Transformationsprozesses und haben Hierarchien abgebaut. Im HR arbeiten wir beispielsweise schon in vier agilen Circle-Teams, die nach agilen Grundsätzen in einem Rollenmodell aufgestellt sind. Die HR-Mitarbeitenden arbeiten vernetzt und eigenverantwortlich.» Ein System, das die oberste Personalerin schätzt: «Ich will Mitarbeitenden möglichst viel Freiheit in der Ausführung ihrer Arbeit zugestehen.» So sieht sie sich selbst nicht als Controllerin, sondern als Inputgeberin, die Sachen hinterfragt, den Überblick über das grosse Ganze behält und so steuert.
Findet die HR-Leiterin bei so viel beruflichem Engagement überhaupt noch Zeit für Privates? «Absolut», betont sie. «Mein Erfolgsrezept: Ich trenne, wenn immer möglich, Privates und Berufliches.» Der Feierabend und das Wochenende gehören ihrem Mann, ihrer Familie, den Freunden und den zahlreichen Hobbys. Meier-Hobmeier ist sommers wie winters in den Bündner Bergen unterwegs: Auf Tourenski, dem Bike oder zu Fuss. «Das brauche ich, um mit voller Energie anzupacken. Bei der Migros habe ich noch einiges vor.»
Genossenschaft Migros Aare
Gottlieb Duttweiler gründete die Migros 1925 in Zürich. Ihr Kern bilden regionale Genossenschaften, die 1941 den Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) als Tochterunternehmen ins Leben riefen. Die heute insgesamt zehn Genossenschaften sind nicht nur alleinige Eigentümer des MGB, sondern auch autonom, erstellen eigenständige Jahresabschlüsse und besitzen uneingeschränkte Flächen- und Personalhoheit im Kerngeschäft, dem Detailhandel unter dem Namen Migros. Die Genossenschaft Migros Aare erstreckt sich über die Kantone Aargau, Bern und Solothurn und zählt über 500'000 Genossenschafterinnen und Genossenschafter. Gemessen am Inlandumsatz ist sie die umsatzstärkste der zehn Migros-Genossenschaften. In den Bereichen Supermarkt, Fachmarkt, Gastronomie, Logistik, Real Estate, Freizeit & Bildung, Corporate Development, Human Resources und Finance arbeiten über 12'000 Mitarbeitende. Die Migros Aare bildet zudem 700 Lernende in 24 Lehrberufen aus. migrosaare.ch