Motivationskiller

Wenn Benefits mehr schaden als nützen

Im Kampf um Arbeitskräfte überbieten sich die Unternehmen mit Benefits. Immer mehr, immer ausgefallener werden sie, um die besten Talente anzulocken. Zudem sollen sie die Mitarbeitenden zu Höchstleistungen anspornen. Doch machen Benefits überhaupt so viel Sinn, wie man landläufig annimmt? Oder können sie in bestimmten Fällen sogar eher schaden als nützen?

Anfang dieses Jahrtausends – gegen Ende des Jahres 2002, um genau zu sein – machten sich Professor Dan Ariely vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und drei seiner Kollegen auf den Weg von Boston, USA, nach Madurai, Indien. Dort wollten sie ein Experiment durchführen. Das Ziel der vier Verhaltensökonomen war es herauszufinden, ob materielle Anreize ab einer bestimmten Höhe zu einer schlechteren Leistung führen können. Sie lesen richtig: zu einer schlechteren Leistung. Denn gemeinhin nahm man (und nimmt noch immer) an, dass eine höhere Entlöhnung zu besserer Leistung führt. In der einschlägigen Fachliteratur hingegen gab es seit längerer Zeit Hinweise darauf, dass das nicht stimmte. Dem wollten die Wissenschaftler mit ihrem Experiment nachgehen.

Dafür rekrutierten sie 87 Freiwillige und liessen sie Spiele spielen, die entweder hauptsächlich motorische Fähigkeiten oder Konzentration oder Kreativität erforderten. Um zu testen, wie sich ein materieller Anreiz auf die Leistung auswirkte, boten sie den Teilnehmern verschieden hohe Belohnungen:

  • Ein Drittel erhielt für das Erreichen einer «guten» oder «sehr guten» Leistung einen Tageslohn. Das war die unterste Stufe des Bonusmodells.
  • Ein weiteres Drittel erhielt für «gut» oder «sehr gut» den Lohn für ungefähr zwei Wochen Arbeit, was der mittleren Stufe entsprach.
  • Das letzte Drittel erhielt für eine gute oder sehr gute Performance einen ausgesprochen hohen Bonus, und zwar den Lohn für die Arbeit von knapp einem halben Jahr.

Die Eindeutigkeit der Ergebnisse erstaunte selbst die Wissenschaftler. Dass die Resultate der bis dahin landläufigen Meinung entgegenlaufen würden, dass höhere Boni zu besseren Leistungen führten, damit hatten sie gerechnet. Doch dass die Gruppe mit dem höchsten Anreiz – also jene, der ein Halbjahreslohn in Aussicht gestellt worden war – am schlechtesten von allen abschnitt, war selbst für Ariely und seine Kollegen eine Überraschung. Sogar diejenigen, die nur einen Tageslohn zu erwarten hatten, waren besser gewesen als die Top-Verdiener.

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Signalisieren Sie mit Ihren Benefits, wer sie als Arbeitgeber sind und wofür Sie stehen.

 

 

 

In ihrem Bericht an die Federal Reserve Bank of Boston, die Kooperationspartnerin im Experiment, hielten die Wissenschaftler ihr ernüchterndes Fazit fest: «Viele Institutionen bieten sehr grosse Anreize für genau die Art von Aufgaben, die wir im Experiment eingesetzt haben – solche, die Kreativität, Problemlösung und Konzentration erfordern. Unsere Ergebnisse stellen die Annahme infrage, dass eine Steigerung des Anreizes zwangsläufig zu Leistungsverbesserungen führt. In acht der neun Aufgaben, die wir in den drei Experimenten untersucht haben, führten höhere Anreize zu schlechteren Leistungen.»

Es gab nur eine Ausnahme: «Aufgaben, für die nur eine Kraftanstrengung notwendig ist, könnten von höheren Belohnungen profitieren», schrieben Ariely et al. Aber auch hier schien die Grenze schnell erreicht: «Sobald jedoch eine kognitive Komponente hinzukommt, scheint es ein Maximum für Anreize zu geben, das, wenn es überschritten wird, sich nachteilig auf die Leistung auswirkt.»

Benefits oder keine Benefits, das ist hier die Frage

Die Erkenntnisse aus dem Experiment sind mehr als zwanzig Jahre alt. Dennoch blieben sie in der Praxis weitgehend unbeachtet. Nach wie vor werden Benefits von Aktienoptionen über Krankenkassenbeteiligungen oder Fitnessabos bis zu gratis Starbucks-Kaffee offeriert, in der Hoffnung, die Mitarbeitenden würde dadurch produktiver und kreativer arbeiten, während für die Firma unter dem Strich ein positiver «Return on investment» herausschauen würde. Die Resultate von Professor Dan Ariely und seinen Kollegen sprechen aber eine andere Sprache. Was also tun? Sollte man besser gar keine Benefits anbieten, da diese nicht motivieren, sondern sich im Gegenteil sogar negativ auf die Leistung auswirken können?

So einfach – und so eindeutig – ist es nicht. Laut einem anderen Professor aus den USA – dem in HR-Kreisen bekannten Frederick Herzberg, dem Vater der Zwei-Faktoren-Theorie – würden zwar Faktoren wie Einkommen die Zufriedenheit (und damit die Motivation) nicht steigern. Aber sie würden Unzufriedenheit verhindern, sofern sie auf einem guten Niveau vorhanden sind. Für die Motivation sind laut Herzberg andere Dinge ausschlaggebend, namentlich die eigene Leistung, Anerkennung, die Arbeit selbst, Verantwortung, Aufstieg und das Potenzial für persönliches Wachstum. Das Einkommen und die Arbeitsbedingungen hingegen, wozu auch die Benefits gehören, sind nur Hygienefaktoren. Aber sie sind dennoch wichtig. Denn sie machen sich dann bemerkbar, wenn sie fehlen.

Die Arbeitgebermarke profitiert

Für Unternehmen, besonders heutzutage, bedeutet das: An attraktiven Benefits kommt man nicht vorbei. Zumal die Mitarbeitenden sie vo­raus­setzen. So hat die Studie «Employer Brand Research 2021» von Randstad herausgefunden, dass für Arbeitnehmende zwar die gute Arbeitsatmosphäre bei einem Arbeitgeber an erster Stelle steht. Aber auf Platz zwei der wichtigsten Merkmale befinden sich bereits eine attraktive Entlöhnung und Benefits, gefolgt von Jobsicherheit und der finanziellen Gesundheit eines Unternehmens.

Als Firma sollten Sie also Benefits nicht als Motivation für aussergewöhnliche Leistungen anbieten. Stattdessen sollten Sie Benefits als ein Signal für den Arbeitnehmermarkt be­trachten – nämlich dafür, dass Ihnen Ihre Belegschaft wichtig ist, dass Sie in Ihre Mitarbeitenden investieren oder dass Sie es sich als solide und stabile Firma leisten können, ein gutes Package anzubieten. Signalisieren Sie mit Ihren Benefits, wer Sie als Arbeitgeber sind, wofür Sie stehen und was man von Ihnen erwarten kann, wenn man bei Ihnen arbeitet. Im Kontext von Employer Branding ist es somit wichtig, dass Sie Benefits anbieten, die zu Ihnen als Firma passen. So können sie als Verstärker für den Kern Ihrer Arbeitgebermarke wirken, ohne dass Ihnen im atemlosen Goodie-Wettrüsten der Mitbewerber irgendwann die Puste, sprich das Geld, ausgeht. Zumal immer jemand kommt, der mehr oder Besseres zu bieten hat.

Die Voraussetzung jedoch ist, dass Sie Ihre Hausaufgaben in Sachen Arbeitgebermarke gemacht und erarbeitet haben: Wer Sie sind (Identität), wofür Sie stehen (Werte), was Sie erreichen wollen (Ziele) und wer zu Ihnen passt (Kultur). Erst dann können Sie die Benefits bieten, die für Ihr Unternehmen die richtige Botschaft senden. Dann aber profitiert die Arbeitgebermarke – und letzten Endes auch die ganze Firma mitsamt den Mitarbeitenden.


Quellen:

Ariely, D., Gneezy, U., Loewenstein, G., Mazar, N. (2005): Large stakes and big mistakes, Working Papers, No. 05-11, Federal Reserve

Herzberg, F., Mausner, B., & Snyderman, B. B. (1959). The motivation to work. John Wiley & Sons

Randstad, Employer Brand Research 2021, Report Switzerland

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Andreas Panzer

Andreas Panzer ist Inhaber der Agentur Stilecht in Chur, Markenprofi und Ideenlieferant für innovative und zukunftsorientierte Kommunikationslösungen. Die Bündner Agentur wurde 2008 gegründet und ist mittlerweile auf sechs Mitarbeitende herangewachsen. Unter anderem unterstützt sie KMU bei der Entwicklung einer starken Arbeitgebermarke. www.stilecht.ch

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