Aufhebung des Euro-Mindestkurses

Wann dürfen Schweizer Arbeitgeber Eurolöhne zahlen?

Seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses setzen Firmen verschiedene Massnahmen um, um allfällige Verluste einzudämmen: Manche erhöhen die Arbeitszeit, andere streichen Boni und einige zahlen Grenzgängern die Löhne in Euro aus. Wir haben bei der Juristin Brigitte Kraus nachgefragt, ob und unter welchen Umständen das überhaupt legal ist.

Frau Kraus, dürfen Schweizer Firmen Grenzgängern die Löhne in Euro auszahlen?

Brigitte Kraus: Gemäss Obligationenrecht müssen Löhne in der gesetzlichen Währung, also in Schweizer Franken, ausbezahlt werden. Dabei handelt es sich aber nicht um einen zwingenden Artikel: Unternehmen können vertraglich vereinbaren, eine andere Währung zu wählen. Doch jetzt zahlen manche Firmen nur einem Teil der Belegschaft Eurolöhne. Unter Umständen bedeutet das eine Verletzung des Freizügigkeitsabkommens, weil dadurch eine Gruppe benachteiligt werden könnte.

Was heisst «unter Umständen»?

Die Frage ist, ob es für die Grenzgänger wirklich eine Benachteiligung ist, wenn sie ihren Lohn in Euro erhalten. Eine Rolle spielen dabei die Kaufkraft und der Umrechungskurs. Wenn der Umrechnungskurs des Schweizer Lohns in Euro zu der entsprechenden Kaufkraft passt, könnten Eurolöhne legal sein. Allerdings gibt es dazu noch kein verbindliches Gerichtsurteil. Eine andere Option wäre, der gesamten Belegschaft Eurolöhne zu zahlen, dann würden alle gleich behandelt werden. Ob das sinnvoll ist, ist allerdings eine andere Frage.

Zur Person

Brigitte Kraus-Meier ist Juristin und Unternehmenskommunikatorin. Als Inhaberin der Agentur «konzis» in Zürich begleitet sie Unternehmen in Veränderungsprozessen mit personalrechtlichen Folgen.

Können Unternehmen einfach selbst entscheiden, in welcher Währung sie den Lohn auszahlen?

In den meisten Arbeitsverträgen sind der Lohn und die Währung festgehalten. Will eine Organisation neu die Löhne in Euro ausbezahlen, braucht es dafür das Einverständnis der Arbeitnehmer. Ohne deren Zustimmung ist ein solches Vorgehen nicht erlaubt.

Können Firmen ihren Mitarbeitern drohen: Entweder sie akzeptieren den Lohn in Euro, oder sie erhalten die Kündigung?

Macht ein Unternehmen das, handelt es sich um eine sogenannte Rachekündigung, also um eine missbräuchliche Form der Kündigung. Geht der Arbeitnehmer vor Gericht, könnte der Arbeitgeber zu einer Strafzahlung von mehreren Monatslöhnen verurteilt werden.

Ist die Auszahlung von Eurolöhnen überhaupt eine sinnvolle Massnahme, um die Folgen des Währungsschocks abzumildern?

Das ist vom Unternehmen abhängig. Meiner Meinung nach sollte zuerst geprüft werden, was für andere Lösungen und Möglichkeiten es gibt. Denn die Zahlung von Eurolöhnen stellt Firmen vor weitere ungelöste Probleme: So müssen etwa Sozialversicherungsabgaben weiterhin in Franken geleistet werden. Diese Trennung ist mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden und ich habe Zweifel, ob sich deshalb überhaupt ein Spareffekt einstellt. Zudem kann die Ungleichbehandlung der Belegschaft einen Keil in Teams treiben und das Betriebsklima beeinträchtigen. Anders sieht es natürlich aus, wenn die Grenzgänger damit einverstanden sind. Aber wenn die Geschäftsleitung einfach einseitig Eurolöhne durchdrückt, ist das zu kurzfristig gedacht.

Was für andere Lösungen gibt es?

Prämien, Boni oder der 13. Monatslohn könnten dieses Jahr ausnahmsweise gestrichen werden. Unter Umständen macht es Sinn, die Arbeitszeit zu verlängern – aber nur dann, wenn genügend Arbeit vorhanden ist. In den meisten Arbeitsverträgen ist die wöchentliche Arbeitszeit festgelegt, um sie zu erhöhen, braucht es das Einverständnis der Mitarbeiter.

Was passiert, wenn die Mitarbeiter dem nicht zustimmen?

Will der Arbeitgeber die Massnahme einseitig durchsetzen, ist eine Änderungskündigung nötig und die Arbeitnehmer können sich überlegen, ob sie den neuen Vertrag unterschreiben wollen. Diese Massnahme ist aber nicht sehr förderlich in Bezug auf das Vertrauen der Mitarbeiter in das Unternehmen. Zudem müssen Kündigungsfristen beachtet werden, so dass eine schnelle finanzielle Entlastung des Unternehmens nicht möglich ist. Auch können so gute Mitarbeiter vergrault werden. Bei solchen Aktionen zeigt sich stark, wie loyal die Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen sind und wie es um die Unternehmenskultur steht. Können die Angestellten die Massnahmen nachvollziehen und sind sie der Ansicht, dass diese die beste Lösung sind, tragen sie sie eher mit. Erhalten aber die Manager weiter hohe Boni und haben die Mitarbeiter das Gefühl, dass die Sparmassnahmen nur auf ihrem Buckel ausgetragen werden, werden sie diese nicht mitspielen.

Was empfehlen Sie daher?

Meine Empfehlung ist, mögliche Massnahmen vorgängig mit den Mitarbeitern zu besprechen und Lösungen mit der Belegschaft zu diskutieren. Und die Personalkosten zu analysieren, den Personalbestand zu begutachten, Doppelspurigkeiten erkennen etc. Wichtig ist, die oft recht kreativen Ideen der Mitarbeiter einzuholen. Wenn sie mitbestimmen können, tragen sie die Massnahmen auch eher mit. Will ein Unternehmen Massnahmen rasch umsetzen, ist es auf die Zustimmung der Belegschaft angewiesen.

Welche Unternehmen sind überhaupt von der Aufhebung des Mindestkurses betroffen?

Neben den exportorientierten Firmen sind es doch auch viele inländische, die kaum im Export tätig sind. Oft kommen Kunden und verlangen nun tiefere Preise. Ich habe allerdings festgestellt, dass sehr viele Firmen bereits reagiert haben.

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