Was es braucht, damit die Übergabe mit guten Gefühlen vonstattengeht
Mit genügend Zeit und einem guten Plan ist schon vieles getan für eine reibungslose Übergabe vom alten an den neuen Stelleninhaber. Allerdings müssen auch – von beiden Seiten – die zwischenmenschlichen Belange berücksichtigt werden. Was aber sind die Dos and Don’ts, und was kann das HR zu einer harmonischen Nachfolgeregelung beitragen?
(Bild: RFArt)
Irgendwann nimmt alles ein Ende. Das gilt auch für die Arbeit, die man macht. Die Gründe, weshalb jemand seine Arbeitsstelle verlässt, mögen vielfältig sein: Eine neue Herausforderung wartet, die Pensionierung steht an oder der Storch klopft an die Türe, um nur einige zu nennen. Was auch immer der Grund ist, in vielen Fällen bleibt eines gleich: Es muss ein Nachfolger für die nun vakante Stelle gefunden werden.
Um den freien Arbeitsplatz optimal besetzen zu können, braucht es ein vorausschauendes Talent Management (siehe auch Artikel Seite 28). Aus einem Pool von Talenten wird die Person mit den für die frei gewordene Funktion nötigen Fähigkeiten ausgewählt oder sie wird in absehbarer Zeit auf diese Position vorbereitet. So weit, so nüchtern der strategische Idealfall.
Wenn der Senior Consultant nicht weiss, was er genau tun soll
In der Realität macht es aber nur schon einen Unterschied, ob die Nachfolgeplanung beispielsweise im Rahmen einer Pensionierung, Kündigung oder Umstrukturierung vorgenommen wird. Bei Ersterem ist der Zeitpunkt klar, wann der Stelleninhaber ausscheidet – die Planung kann also frühzeitig in Angriff genommen werden. Anders sieht es aus, wenn der Mitarbeitende kündigt. Hier ist oft ein Reagieren innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten nötig.
Für eine produktive und harmonische Nachfolgeregelung spielt aber nicht nur der Faktor Zeit eine Rolle, sondern auch das, was gemeinhin als das «Zwischenmenschliche» bezeichnet wird. Auch wenn jede Situation letztendlich – genau wie die Menschen selbst – individuell ausschaut, so gibt es doch einige Aspekte, die, sofern sie berücksichtigt werden, zu einer erfolgreichen Stellenübergabe beitragen.
So ist es im Falle einer Pensionierung laut Aleksandar Sibilia, Projektleiter Personalentwicklung in der Baudirektion des Kantons Zürich, wichtig, dass die Planung bereits sehr früh beginnt. «Das sind Mitarbeitende, die unter Umständen sehr lange in diesem Job gearbeitet haben, über viel Erfahrung und ein grosses Wissen verfügen. Da geht es darum, dieses zu sichern und gleichzeitig einen würdigen Austritt zu ermöglichen.»
Damit dies auch gelingt, ist es demnach von Vorteil, dass die Übergabe an den Nachfolger über einen längeren Zeitraum statt-findet. Idealerweise – bei einer internen Nachfolge –, wenn beide noch im Haus sind. «Der Klassiker, wie es eben nicht ablaufen sollte», erzählt Sibilia, «ist, wenn der Chef drei Monate vor der Pensionierung im Büro steht und verlangt, dass der Mitarbeitende doch bitte noch die Arbeit der vergangenen 20 Jahre dokumentieren soll.» Eine höchst undankbare und schwierige Aufgabe. «So will niemand in Pension gehen.»
Um einen unschönen Abgang zu verhindern, ist es deshalb wichtig, für die abtretende Person eine Lösung zu finden, die für sie akzeptabel ist. «Das heisst konkret, dass der Mitarbeitende zum Beispiel das Pensum schrittweise reduziert, der Lohn aber noch derselbe ist», sagt Sibilia. Zudem gilt es zu klären, welche Aufgaben, insbesondere bei einer Pensumsreduktion, der Mitarbeitende noch übernehmen soll. Für Sibilia ist klar, dass es Aufgaben sein müssen, die Sinn machen. Oft passiere es jedoch, dass es heisst: «Wir machen dich jetzt zum Senior Consultant.» Auf die Frage aber, was diese Person in dieser Funktion genau macht, ist die Antwort dann lediglich ein Schulterzucken.
So vergibt sich ein Unternehmen nicht nur die Chance, von der Erfahrung des Mitarbeiters zu profitieren, sondern riskiert auch, dass die Übergabe an den Nachfolger harzig verläuft. Denn wer jahre-, vielleicht sogar jahrzehntelang in einer verantwortungsvollen Position war, lässt sich häufig ungern auf einen anspruchslosen Posten abschieben.
Um dies zu verhindern, gilt es, frühzeitig das Gespräch zu suchen. Bereits einige Jahre vor der Pensionierung wird optimalerweise geklärt, wie sich der Mitarbeitende seinen Abgang vorstellt, was seine Bedürfnisse sind, ob er vielleicht froh ist, Verantwortung abzugeben, oder ob er es sich vorstellen kann, seinen Nachfolger im Rahmen eines Mentoringprogramms einzuführen und in gewissen Bereichen weiterhin Einfluss zu nehmen. «Ein Patentrezept gibt es allerdings nicht, wie es das nie gibt, wenn es um menschliche Bedürfnisse geht», meint Sibilia.
Vielleicht nicht das Patent-, sicher aber ein erfolgreiches Rezept hat die Vifor Pharma AG für die Nachfolgeplanung einer wichtigen Schlüsselfunktion aufgrund einer Pensionierung gefunden. Monica N. Ziegler-Epper, Head Human Resources beim St. Galler Unternehmen, erzählt, dass die Basis dafür ein gutes Talent Management und eine sorgfältige Vorbereitung seien. «Vor drei Jahren haben wir gesehen, dass ein Talent, das vor sechs Jahren zu uns ins Unternehmen kam, sich für diese wichtige Position gut eignen würde.» Die Person wurde entsprechend geschult und immer mehr in die Abläufe der künftigen Stelle miteinbezogen.
Im Rahmen eines Mentoringprogramms traf sich der Nachfolger über längere Zeit regelmässig mit dem alten Stelleninhaber und konnte so in seine neue Aufgabe hineinwachsen und Schritt für Schritt die Verantwortung übernehmen. «Ja, das ist tatsächlich eine ganz klassische Nachfolgeplanung», meint Ziegler-Epper lachend auf die Bemerkung, das klinge ja wie aus dem Lehrbuch.
Das unsichtbare Netz der ungeschriebenen Gesetze
Und es kommt noch besser: Der alte Stelleninhaber, welcher das Pensionsalter inzwischen erreicht hat, bleibt dem Unternehmen auf unbestimmte Zeit mit einem Pensum von 50 Prozent erhalten. «Dies ist natürlich auch im Sinne seines Nachfolgers», erklärt die HR- Chefin. So könne er immer und jederzeit auf die Ressourcen seines Vorgängers zugreifen. «Das ist wirklich der Idealfall. Und zudem ein schönes Beispiel von Golden Age. Denn jemand mit einer solch grossen Erfahrung ist im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert.»
Zu einer gelungenen Nachfolge trägt auch der neue Stelleninhaber viel bei – insbesondere, wenn es sich um eine Führungsposition handelt. So muss er sich laut Aleksandar Sibilia im Klaren sein, auf was er sich bei der neuen Stelle einlässt. Das lässt sich einerseits einfach im Stellenbeschrieb nachlesen. «Wichtiger aber ist meiner Erfahrung nach, dass sich der Nachfolger mit den ungeschriebenen Gesetzen vertraut macht.»
Es gelte also, in Erfahrung zu bringen, welchen Führungsstil die Person vorher gepflegt hat, wie die Prozesse abgelaufen sind und wie die Beziehungen zwischen den Teammitgliedern aussehen. «Wenn man ein Team übernimmt, übernimmt man immer auch dessen Geschichte und die Beziehungen.» In der Baudirektion beispielsweise herrscht eine hohe Verweildauer: Im Durchschnitt bleiben die Mitarbeitenden 13 Jahre in ihrem Job. Da entstehen langjährige und feste Beziehungen untereinander. «Um da nicht später irgendwo in diesem unsichtbaren Geflecht hängen zu bleiben, macht es Sinn, sich mit dem Umfeld vertraut zu machen.» Und dies gelinge, indem gefragt werde. «Die ersten 100 Tage sollte eine neue Führungskraft eigentlich nur damit verbringen, Fragen zu stellen», zeigt sich der HR-Fachmann überzeugt. Monica N. Ziegler- Epper pflichtet dem bei: «Einige finden vielleicht, diese 100 Tage Bewährungsprobe seien ein alter Zopf aus der Politik.» Einer der Führungsgrundsätze ist für sie jedoch: «Wer fragt, der führt.»
Vom Idealfall, in dem Vorgänger und Nachfolger voneinander profitieren
Ebenso entscheidend ist laut Ziegler-Epper allerdings auch, ob die neue Führungskraft zum Team passe. «Da können die Linie und ich selbst noch so überzeugt davon sein, dass diese Person genau die perfekte Besetzung für den Posten ist – wenn das Team nicht passt, nützt das alles nichts.» Aus diesem Grund arbeitet Ziegler mit dem Instrument MPA – Master Person Analysis.
Damit werden verschiedene Persönlichkeitsdimensionen erhoben, die nicht nur zeigen, ob das Persönlichkeitsprofil des Bewerbers oder Talents auf das Anforderungsprofil passt, sondern auch, wie die Struktur innerhalb eines Teams aussieht und ob sie mit der Art und Weise, wie der potenzielle neue Chef arbeitet und führt, zusammenpasst. Dieses Wissen helfe auch, das Kennenlernen des Teams mit der neuen Führungskraft zu gestalten. «Im Falle eines externen Einführungstages, der von einem Coach begleitet wird und bei dem ich ebenfalls dabei bin, sehe ich schnell, wo es im Team knistern könnte oder ob es einen Engpass gibt. Und das kann dann von Anfang an aufgelöst werden», erklärt Ziegler-Epper.
Beide HR-Fachleute sind sich zudem einig, dass eine neue Führungskraft zu Beginn nicht in operative Hektik verfallen darf. «Wenn ein neuer Chef alles über den Haufen wirft, dann bringt das nur Unruhe», meint Aleksandar Sibilia. Und Monica Ziegler weiss aus Erfahrung, dass neue Vorgesetzte mit diesem Verhalten an die Wand laufen.
Eine Begleitung des Nachfolgeprozesses durch das HR kann dies verhindern – wie sie auch dazu führen kann, dass beide, der Vorgänger und der Nachfolger, von der Situation letztendlich profitieren. «Die austretende Person kann einbringen, was sie braucht und was ihr wichtig ist, damit sie sauber gehen kann», so Sibilia. Die nachfolgende Person sieht, was sie übernimmt und wie sie damit umgehen kann. «Und im Idealfall machen das beide zusammen.»