Change Management

Was es braucht, um in neun Monaten eine neue Personalstruktur zu etablieren

Verwaltungen gelten als schwerfällig und wenig erneuerungsfreudig. Gegen dieses Vorurteil setzt das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich ein klares Zeichen: In nur neun Monaten wurde der gesamte Personalbereich 
umstrukturiert und nebenher noch 110 neue Leute rekrutiert. Die Bewährungsprobe allerdings steht noch aus.

Wie müsste ein HRM aussehen, mit dem die Herausforderungen der Zukunft gut bewältigt und ein Beitrag an die Organisationsentwicklung geleistet werden können? Antworten auf diese Fragen hat sich auch Andrea Engeler überlegt, nachdem sie über ein Jahr als Leiterin Personal und Dienste beim Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) mit den vorhandenen Instrumenten und Prozessen gearbeitet hat. «Bevor ich kam, war meine Stelle rund ein Jahr interimistisch besetzt und es wurde vorwiegend auf der operativen und administrativen Ebene gearbeitet.

Es gab nur wenig konzeptionelle Grundlagen, keine strategische Ausrichtung, und in der Aufgabenerfüllung der Abteilungen Personal und Personalentwicklung hatte es historisch gewachsene Schnittstellen, die in der Praxis wenig Sinn machten», erklärt Engeler. Ihr Ziel war es, die Rolle des HR neu zu definieren und erweiterte HR-Dienstleistungen anzubieten. Zudem wollte sie eine Professionalisierung erreichen, die es erlaubt, der Linie eine gleichwertige Ansprechpartnerin zu sein, um sie in allen HR-Belangen beraten und unterstützen zu können.

Ihre Ideen und Modelle hat Engeler zusammen mit dem Abteilungsleiter Personalentwicklung, Roman Ogg, besprochen und entwickelt. «Die Projektleitung haben wir zusammen wahrgenommen, was für den Erfolg des Projektes ganz wichtig war», sagt Engeler. Auch die Unterstützung des Amtsleiters war ihr gewiss, «einem sehr entwicklungsorientierten, zielstrebigen Mann mit Visionen», dessen Ziel sich mit ihrem Anspruch deckt: das HR muss einen wesentlichen Beitrag zur Führungskultur und der Kultur im Allgemeinen leisten.

Aufwändige Mitarbeitergespräche 
als Grundlage für das Projekt

Das Besondere am Projekt im AWA ist die kurze Zeitspanne, in der es im Umfeld der öffentlichen Verwaltung durchgeführt und umgesetzt wurde: neun Monate. Dies sei möglich gewesen, weil sie von Anfang an auf verschiedenen Stufen gearbeitet habe, sagt Engeler: auf der Strukturebene (Organisation, Funktionen, Prozesse) und der Kompetenzebene (Individuum, Team). Und auch die Kommunikation mit der Linie, ihre Bedürfnisse und Wünsche ans HR der Zukunft, habe sie immer im Auge behalten. Äusserst wichtig und «sehr aufwändig» seien die vielen Gespräche mit den Mitarbeitenden gewesen. «Sehr früh mussten alle Mitarbeitenden ihre eigenen Kompetenzen definieren und überlegen, wie sie sich entwickeln wollen und welches Aufgabengebiet sie in Zukunft für sich sehen.» Um sie darin zu unterstützen, konnten alle Mitarbeitenden an einem eigens dafür entwickelten Development-Prozess teilnehmen. Dieser bestand aus einer Selbstreflexion der eignen HR-Kompetenzen, einem umfassenden und fordernden Entwicklungsgespräch mit zwei externen Gesprächspartnern sowie einem Feedbackgespräch mit der eigenen Vorgesetzten.

Für den Development-Prozess wurde das AWA von hr7, einem HR-Beratungsunternehmen, unterstützt. «In diesen Gesprächen ging es um die persönliche Entwicklung, aber auch Themen wie das Selbstwertgefühl in einer neuen Rolle, das Auftreten oder die Arbeitsweise», sagt Stefan Bommeli, Projektleiter von hr7. Das Ziel war, Stärken und Potenziale zu erkennen, aber auch Engpässe klar zu benennen und mögliche Massnahmen zu formulieren, um so auf der Kompetenzebene eine Entwicklung in Gang zu bringen. Durch diese Gespräche habe er einen sehr guten Draht zu den Leuten aufbauen können, sagt Bommeli. «Sehr gefreut hat mich, dass alle Mitarbeitenden dieses Angebot in Anspruch genommen haben, was ein Vertrauensbeweis für uns war und eine gute Basis für die weiteren Gespräche und Entscheidungen bildete», sagt Engeler.

Veränderungen brauchen 
Unsicherheit

Um Veränderungen auszulösen, braucht es ein gewisses Mass an Unsicherheit, ist Andrea Engeler überzeugt. Sie spricht von geführter Unsicherheit, in die ihre Mitarbeitenden gebracht wurden, damit sich in ihren Köpfen etwas bewegt. «Wir merkten jedoch, dass es für die Mitarbeitenden wichtig war, möglichst bald zu sehen, in welchem Kästchen des Organigramms ihr Name steht». In diesem Wunsch zeigte sich auch die Unsicherheit gegenüber eventuellen Entlassungen. «Zwar 
haben wir niemanden entlassen, aber alle wussten, dass sie teilweise neue Funktionen übernehmen würden, dass sie bereit für Weiterbildungen sein und bei der Neugestaltung kräftig mitwirken müssten», sagt Engeler.

Zusammen mit dem Abteilungsleiter Personalentwicklung Roman Ogg und dem externen Berater Stefan Bommeli hat Andrea Engeler die zukünftige HR-Struktur entwickelt. Sie besteht nun aus den drei Säulen  Personalmanagement/ Personalentwicklung und Projekte/ Personalcontrolling und Services. In der Struktur ebenfalls enthalten sind zwei Assistenzfunktionen.

Auf diese macht die HR-Frau besonders aufmerksam, weil sie – eher unüblich – von Männern besetzt sind. «Einer der beiden war vorher Personalverantwortlicher. Als junger Vater wollte er sich aber vermehrt seinen familiären Aufgaben widmen. Ich wollte ihn unbedingt behalten, aber mit 60 Prozent konnte er seine HR-Aufgabe nicht mehr erfüllen. Seine aktuelle Aufgabe als Personalassistent mit Spezialfunktionen kommt sowohl ihm als auch uns sehr entgegen.» In ähnlicher Weise wurde aufgrund der Development-
Gespräche und der persönlichen Bedürfnisse allen Mitarbeitenden ihr Kästchen im Organigramm zugeteilt. «Hilfreich und sehr beruhigend für die Mitarbeitenden war die Tatsache, dass wir in diesem Vorhaben keinen Druck von aussen hatten und so das Tempo selber bestimmen konnten», erklärt Bommeli. «Das HR-Team wurde sogar stellenmässig erweitert.» Die benötigten 260 Stellenprozente wurden Andrea Engeler aus anderen Bereichen von der Linie zur Verfügung gestellt, was sie wie «Weihnachten und Ostern zusammen» empfand. Für die neuen Stellen rekrutierte sie absichtlich Leute aus der Privatwirtschaft, «damit wir von ihren Sichtweisen und auch neuen Ideen profitieren können».

Projekte soll man anpacken – den richtigen Moment dafür gibt es nicht

In einem zweiten Schritt, nachdem die neuen Funktionen und Rollen verteilt worden waren, wurden jeden Monat Projektmeetings abgehalten, in denen organisiert wurde, wer bis wann was zu erledigen hat. «Auf diese Weise waren alle involviert und haben mitgeholfen, das zukünftige HR in allen Details zu erarbeiten und zu gestalten: Neue Prozesse, neue Formulare, veränderte Dienstleistungen und auch kleinere Dinge wie etwa die angepasste Büroplanung wurden berücksichtigt», sagt Engeler und fügt hinzu: «Wenn nicht alle so aktiv mitgearbeitet hätten, hätten wir die Neugestaltung sicher nicht in so kurzer Zeit geschafft.»

Sie gibt aber auch zu, dass sie selber kaum mehr Ressourcen für ein Privatleben hatte, das den Namen verdient: «Das Projekt hat ein hohes Mass an Weitsicht, Präsenz, Engagement und Zuversicht gefordert.» Stefan Bommeli, der als HR-Berater in ganz unterschiedlichen Firmen arbeitet, bestätigt, dass Führungskräfte in solchen Veränderungsphasen extrem viel investieren müssen. Zu diesem aufwändigen Projekt des Personalbereichs kam dazu, dass der Arbeitsmarkt im Jahr 2009 extrem schlecht war. Für das AWA, das für die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zuständig ist, bedeutete dies, dass es sehr rasch zusätzliches Personal für die RAVs einstellen und auch dessen Erstausbildung organisieren und durchführen musste. Insgesamt hatte die Personalabteilung 110 Leute zu rekrutieren.

«Natürlich hätten wir unser Projekt verlangsamen oder verschieben können. Aber ich bin sicher, den idealen Zeitpunkt für ein solches Strategieprojekt gibt es nicht. Wer auf den richtigen Moment wartet, wartet ewig. Vielmehr sollte man bereit sein, Unwegsamkeiten kreativ anzupacken und nach Lösungen zu suchen», sagt Engeler. Innovativ hat sie daher selber ein temporäres Bewerbungszentrum «erfunden», in welchem auch Kader der RAVs mitgearbeitet haben. Dies machte es möglich, die vielen Bewerbungen – bis zu 800 pro Inserat – professionell und rasch zu bewältigen.

Ein grösseres Arbeitsfeld und mehr Entwicklungspotential für das HR

Seit dem 1. Oktober 2009 arbeitet der Personalbereich in der neuen Struktur. Um die HR-Leute in ihren teilweise neuen Funktionen zu unterstützen, hat man mit allen Zielvereinbarungen definiert, in denen unter anderem auch die Zusammenarbeit mit den Linienverantwortlichen thematisiert ist. «Durch die Umstrukturierung haben unsere HR-Mitarbeitenden ein viel grösseres Arbeitsfeld, in dem sie sich selbständig entwickeln können –  beispielsweise führen unsere Leute zusammen mit der Linie nun auch Schulungen von Führungsverantwortlichen durch. So zum Beispiel zum neu eingeführten Talentmanagement. Das ist ein Dimensionssprung für das HR», erklärt Engeler. Das sei sicher sehr motivierend, brauche aber gerade in den Anfangszeiten noch etwas Unterstützung.

Für Andrea Engeler ist nun die Zeit angebrochen, in der sich zeigen muss, wie gut sich die neue Struktur und die neue Funktionsverteilung im Alltag bewähren. «Es braucht Zeit, bis sich alles eingespielt hat und die Mitarbeitenden  sich in ihrem neuen Tätigkeitsfeld richtig entfalten können. Aber ich bin sicher, dass wir mit unserem Personalmanagement einen grossen Schritt weitergekommen sind.»

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