Was Führungskräfte von Influencern lernen können
Die Generation Z ist nicht leistungsfaul – ihre Bedürfnisse sind einfach anders. Wie man am besten mit den jungen Talenten umgeht, lässt sich von den Vorbildern dieser Generation abschauen: Den Social Media Stars.
Die Vorbilder der Generation Z zeigen vor, wie man die Generation als Follower gewinnt. (Bild: iStock)
«Die Angehörigen der Generation Z sind nicht so leistungsbereit wie unseren älteren Mitarbeitenden». Diese Klage hört man oft von Managern und Unternehmerinnen über die nach 1995 geborenen jungen Menschen, die in die Arbeitswelt treten. Doch ist das wirklich so? Mein Eindruck als Unternehmerin ist: In der Generation Z gibt es ebenso viele leistungsbereite Frauen und Männer wie vor 50 Jahren als das Gros der sogenannten Baby-Boomer in das Berufsleben eintrat.
Doch die Rahmenbedingungen waren andere. Damals bewarben sich auf eine freie Stelle viele Personen. Deshalb konnten die Unternehmen sich die besten Kandidaten und Kandidatinnen aussuchen und in den Arbeitsverträgen die Vertragsbedingungen weitgehend diktieren.
Niedrigere Messlatte aufgrund der geringeren Bewerberzahl
Aufgrund der demografischen Entwicklung ist die Gesamtzahl der Bewerbenden heute viel niedriger als früher. Deshalb müssen speziell KMU bei den Anforderungen, die sie an ihre künftigen Mitarbeitenden stellen, oft grosse Zugeständnisse machen. Im Betriebsalltag sind sie verstärkt mit Mitarbeitenden konfrontiert, die zum Beispiel eine geringere Eigenmotivation haben und mehr Führung brauchen. Ausserdem fehlden den Neuen aus Unternehmenssicht oft noch Kompetenzen, weshalb eine Nachqualifizierung nötig ist. Das heisst, die Unternehmen müssen mehr Ressourcen als früher für die Führung und Entwicklung der neuen Mitarbeitenden aufwenden.
Auch die Bedürfnisse der leistungsstarken jungen Mitarbeitenden (nicht nur der Generation Z) haben sich gewandelt. Viele von ihnen wollen nicht mehr, dass die Erwerbsarbeit ihr gesamtes Leben dominiert. Deshalb fordern sie Teilzeitarbeit, die Möglichkeit, remote zu arbeiten oder mal eine längere Auszeit zu nehmen. Dasselbe gilt für die Chancen, beruflich voranzukommen. Die jungen Leute warten seltener als ihre Eltern darauf, dass ihnen Weiterentwicklungsmöglichkeiten gewährt werden, sie fordern diese aktiv ein. Und wenn sie diese nicht bekommen? Dann wechseln sie den Arbeitgeber.
Betriebe müssen ihre Personalpolitik neu justieren Deshalb müssen die Unternehmen sich fragen, inwieweit ihre Personalpolitik insgesamt noch den Erwartungen ihrer Mitarbeitenden entspricht – ähnlich wie sie dies bei ihren Produkten tun, wenn sich die Bedürfnisse der Kunden gewandelt haben.
Das Abschneiden alter Zöpfe fällt vielen Unternehmen schwer. Auch Führungskräfte müssen eine grössere Verhaltensflexibilität zeigen, weil ihre Mitarbeitende
- einen unterschiedlichen fachlichen und persönlichen Reifegrad haben
- divergierende individuelle Bedürfnisse artikulieren,
- und hybride beziehungsweise virtuell arbeiten.
In dieser Situation ist ein Führungsstil gefragt, bei dem die Führungskräfte ihr Verhalten dem jeweiligen Gegenüber und der Situation anpassen:
- Mitarbeitende mal loben, mal ihr Verhalten hinterfragen
- Mitarbeitende mal beim Erfüllen ihrer Aufgaben aktiv unterstützen, mal sich bewusst zurücknehmen
- mal Änderungen stark forcieren, mal bewusst den Fuss vom Gas nehmen
Mitarbeitende situativ führen und individuell entwickeln
Diese Verhaltensflexibilität können Führungskräfte nur zeigen, wenn sie in einem lebendigen Dialog mit ihrem Team stehen und herausfinden:
- Was ist ihnen wichtig?
- Wo drückt der Schuh?
- Was erleichtert beziehungsweise erschwert es ihnen, sich für die angestrebten Ziele zu engagieren?
- Was brauchen sie, um effektiv zu arbeiten und ihre Kompetenz weiter zu entfalten?
Denn nur wenn sie in einem von wechselseitiger Akzeptanz und Wertschätzung geprägten Dialog mit ihren Mitarbeitenden stehen, entsteht eine von Vertrauen geprägte Beziehung zwischen ihnen und können sie deren Denken und Verhalten gezielt beeinflussen.
Führungskräfte müssen – ähnlich wie Influencer auf den Sozialen Medien – danach streben, ein Umfeld schaffen, in dem andere Menschen
- freiwillig ihnen und ihren Ideen folgen und
- eigeninitiativ ihr Denken und Handeln daraufhin überprüfen, inwieweit sie damit ihren Beitrag zum Erreichen der gemeinsamen Ziele leisten.
6 Erfolgsfaktoren im Umgang mit der Gen Z: Von der Führungskraft zum Influencer
1. Sichtbar und erfahrbar sein
Influencer sorgen dafür, dass sie sichtbar sind – zum Beispiel, indem sie regelmässig ihre Social-Media-Kanäle füttern und ihr virtuelles Netzwerk pflegen. Für Führungskräfte bedeutet dies: Sie dürfen sich nicht hinter ihrem Schreibtisch verstecken. Sie sollten vielmehr gezielt den Kontakt und die Kommunikation mit ihrem Team suchen und bereit sein, dort ihre Zeit und Energie zu investieren.
2. Werte erkennbar vertreten
Fast alle erfolgreichen Influencer haben eine klare Botschaft beziehungsweise stehen erkennbar für gewisse Werte. Das sollte auch bei Führungskräften der Fall sein: Sonst sind sie für ihre Teams unberechenbar. Deshalb fassen sie zu ihnen kein Vertrauen. Also sind sie auch nicht bereit, ihnen und ihren Ideen zu folgen.
3. Den eigenen Auftritte inszenieren
Erfolgreiche Influencer überlassen ihr Auftreten nicht dem Zufall. Sie inszenieren ihre Auftritte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Dies sollten auch Führungskräfte tun. Sie sollten sich zum Beispiel, bevor sie Mitarbeitende kontaktieren, fragen:
- Wer ist mein Gegenüber und was ist ihm oder ihr wichtig?
- Welches Ziel möchte ich erreichen?
- Welche Rahmenbedingungen sind nötig, damit meine Botschaften ankommen?
- Welchen Kommunikationskanal sollte ich wählen? Zum Beispiel: Mail, Telefonat oder persönliches Gespräch?
4. Gefühle zeigen
Fast alle Influencer im Netz gewähren ihren Followern auch wohldosierte Einblicke in ihr Privat- und Gefühlsleben – primär um auch als Mensch für diese erfahrbar zu sein. Auch Führungskräfte sollten dies in der Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden tun – zum Beispiel, indem sie in das Gespräch auch mal Infos über ihr Privatleben einfliessen lassen. Oder indem sie im Gespräch auch mal erwähnen, wie die Turbulenzen in der Weltwirtschaft, der Klimawandel oder das Thema Künstliche Intelligenz sie verunsichern. Diese Aussagen sind für ihre Mitarbeitenden oft der Anstoss, ihrer Führungskraft ebenfalls einen Einblick in ihr Gefühlsleben zu geben und ihnen zu offenbaren, was ihnen wichtig ist.
5. Gelassen auf Kritik reagieren
Auch Influencer begehen Fehler. Dann ernten sie oft harsche Kritik, die in einem Shitstorm mündet. Erfahrene reagieren darauf nie beleidigt. Sie nutzen die kritische Rückmeldung vielmehr als Chance, mit ihren Followern in einen noch intensiveren Dialog zu treten und ihnen die Gründe ihres Handelns darzulegen. Ähnlich sollten Führungskräfte auf kritische Rückmeldungen reagieren, denn diese zeigen letztlich das «Involvement» der Mitarbeitenden und eröffnen ihnen die Chance, bei Bedarf gegenzusteuern.
6. Bereit sein, neue Wege zu gehen
Auch Influencer müssen zuweilen neue Wege gehen – zum Beispiel, weil sich das Mediennutzungsverhalten ihrer Zielgruppe geändert hat. Diese «Strategiewechsel» stossen bei ihren Followern oft auf Widerstand und zum Teil kündigen sie sogar ihre Gefolgschaft. Trotzdem beschreiten Influencer, wenn übergeordnete Ziele dies erfordern, immer wieder diesen Weg. Ein entsprechendes Rückgrat müssen auch Führungskräfte haben.
Bei aller Empathie, Kompromissbereitschaft und Loyalität, die sie im Kontakt mit ihren Mitarbeitenden zeigen, muss stets deutlich bleiben: Gewisse Ziele wie «Unser Unternehmen muss Gewinn erzielen» sind nicht verhandelbar.
Zugleich sollten sie sich aber für Verbesserungsvorschläge offen zeigen, die gerade die Angehörigen der Generation Z oft einbringen, weil sie noch nicht betriebsblind sind, denn: Diese jungen Frauen und Männer sind die Zukunft des Unternehmens. Also gilt es ein Arbeitsumfeld zu schaffen, mit dem sie sich identifizieren können.