Personalchef im Nebenamt

Wenn der Patron auch der Personalchef ist

Im KMU-Land Schweiz sind sie häufig anzutreffen: Personen, die HR-Aufgaben wahrnehmen, jedoch einen anderen Bildungshintergrund haben. hrtoday.ch hat nachgefragt, welches die Freuden, Leiden und sonstigen Anliegen dieser Personalchefs im Nebenamt sind.

Es gibt sie in verschiedenen Unternehmen: Da ist der Gründer und zugleich Leiter einer Neun-Personen-Firma, der die HR-Angelegenheiten selbst regelt (siehe Erfahrungsbericht im Kasten unten). Da ist das KMU mit 30 Mitarbeitenden, wo die Einstellungsgespräche von den Abteilungsleiterinnen in Alleinregie geführt werden. Und da sind Geschäftsstellenleiter, welche irgendwo in der Schweiz eine Niederlassung eines Unternehmens operativ führen, während die Personalchefin weit entfernt am Hauptsitz arbeitet. Sie alle nehmen HR-Aufgaben wahr, auch wenn sie keine HR-Profis sind.

Wann geht das gut, und wann nicht? Eine, die es wissen muss, ist Meike Scheinhütte. Die heutige Personaldienstleisterin war früher HR-Leiterin in mehreren Unternehmen, in denen Filialleiter das operative Sagen in den jeweiligen Niederlassungen hatten. «Der grösste Knackpunkt ist der Zeitfaktor», sagt Meike Scheinhütte. «Diese Menschen müssen eine riesige unternehmerische Leistung erbringen. Aus HR-Sicht wird es dann schwierig, wenn sie aus Zeitnot wichtige Dinge aufschieben oder gar nicht angehen.»

Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin erledigt ihre Arbeit regelmässig nicht zufriedenstellend. Anstatt dies klar zu benennen, schriftlich festzuhalten und eine Verbesserung zu fordern, wird das Thema aufgeschoben. Als wieder einmal ein Fehler passiert, bricht der aufgestaute Ärger aus dem Filialleiter hervor, es kommt zur Kündigung im Affekt.

Keine Zeit für Probleme

«Der Zeitdruck führt oft dazu, dass Probleme im Team nicht gesehen oder vertagt werden und dass Mitarbeiter beleidigt sind, weil sie mit dem Chef etwas besprechen möchten, dieser aber nicht die Zeit dazu hat oder den Termin schlicht vergisst», sagt die HR-Expertin. Die Tatsache, dass dies nicht Absicht ist, ändere nichts am Grundproblem.

Das fehlende HR-Know-how der «Personalchefs im Nebenamt» dagegen sei, im Gegensatz zum Zeitfaktor, einfacher wettzumachen: «Gerade KMU-Leiter erwerben mit der Zeit eine grosse Erfahrung in HR-Fragen», so Meike Scheinhütte.

Die ehemalige HR-Leiterin hat bei den Filialleitern drei «Szenarien» beobachtet: Den einen ist gar nicht bewusst, wo die (HR-)Probleme lauern, darum melden sie sich nicht bei der zentralen HR-Verantwortlichen. Zu ihnen gehören vor allem die Jüngeren, Unerfahreneren. Die zweite Gruppe wendet sich mit Fragen ans HR beziehungsweise nimmt gerne Hilfe an. Bei der dritten Gruppe schliesslich ist offensichtlich, dass sie gewisse HR-Prozesse nicht zufriedenstellend bewältigen, Hilfe annehmen wollen sie dennoch keine.

Als sich Meike Scheinhütte vor drei Jahren, mit 62, mit «Meike Scheinhütte, Personaldienstleistungen, HR Interimsmanagement» selbständig machte, geschah dies unter anderem auch, um die Gruppe drei zu unterstützen: «Es kommen Leute mit Personalfragen auf mich zu, die sie intern niemandem stellen mögen, weil sie sich keine Blösse geben wollen.»

Externe Beraterin für Fragen

Die Person und Meike Scheinhütte sammeln also alle Fragen, bei denen Unsicherheiten bestehen. Und dann erklärt die Fachfrau, worauf es beim Analysieren von Dossiers ankommt, sie übt mit dem Personalchef im Nebenamt via Rollenspiel das Bewerberinterview und vermittelt, wie man die No-Go-Frage «Sind Sie schwanger?» umgeht (zum Beispiel, indem man erklärt, dass die Einführung in die Stelle sehr anspruchsvoll sei, und dass diese mit einer baldigen Weltreise oder Familiengründung kaum zu vereinbaren wäre).

Einen solchen «Privatkurs» – oder auch ein Seminar zu HR-Themen – empfiehlt Meike Scheinhütte allen Personen mit HR-Aufgaben. Nur schon, um allfällige Alltagsfallstricke rechtzeitig zu sehen. Die Kosten für die individuelle Beratung betragen 130 Franken. Und der Zeitaufwand? Meike Scheinhütte: «In drei Stunden kann man schon sehr viel abhandeln.»

Worauf «Personalchefs im Nebenamt» besonders achten sollten

  • Beim Rekrutieren müssen die Stelleninserate und die Bewerberinterviews mit dem Gleichstellungs- und Diskriminierungsgesetz in Einklang sein. Datenschutz beachten bei der Referenzeinholung.
  • Nach einer angemessenen Einführung sollte die neue Person regelmässig um Feedback gebeten werden, damit frühzeitig Korrekturen im Arbeitsprozess gemacht werden können, sofern nötig. Probezeitgespräch nicht vergessen.
  • Trotz Nähe zu den Mitarbeitern: Bei den Qualifikations- und Zielvereinbarungsgesprächen müssen Probleme angesprochen werden.
  • Sind schwierige Themen zu besprechen, sollte eine Drittperson – zum Beispiel die stellvertretende Geschäftsleiterin – beim Gespräch anwesend sein. Gibt es am Hauptsitz einen HR-Verantwortlichen, sollte dieser dafür beigezogen werden. Das Besprochene schriftlich festhalten.     
  • Teamprobleme frühzeitig angehen.
  • Arbeitsrechtliche Aspekte bei Kündigungen und Freistellungen frühzeitig klären (Überzeit, Ferienansprüche etc.).
  • Bei den Sozialversicherungen gibt es oft grosse Unsicherheiten. Hier gilt es, entsprechendes Know-how zu erwerben.
  • Gerade bei kleinen Firmen verändern sich häufig die Aufgaben der einzelnen Leute. Ende Jahr gilt es daher, das Stellenprofil zu überprüfen. Sonst machen bald alle alles oder jeder denkt «Der andere macht‘s».
  • Kündigungen sachlich aussprechen.
  • Fürs Ausstellen von Arbeitszeugnissen fachlichen Rat einholen, besonders, wenn es sich um kritische Austritte handelt, zum Beispiel um die Kündigung eines Mitarbeiters mit schwachen Leistungen: Die richtige Formulierung im Zeugnis ist äusserst wichtig.
  • Last but not least ist es gut zu wissen, wo man sich zu welchen Themen (zum Beispiel Suchtproblematik) Hilfe holen kann.  
  • Quelle: Meike Scheinhütte

«HR-Themen haben im Tagesgeschäft fast keinen Platz»

Thomi Keusch ist Inhaber und Geschäftsleiter des Spinout Sportshop. 1986 hat er sein Fachgeschäft für Schnee- und Wassersportarten in Hendschiken (AG) gegründet, vor kurzem hat er noch zwei Verkaufsläden in Kilchberg und Luzern erworben, und betreibt diese mit insgesamt neun Personen (einer davon in Ausbildung).

Über eine HR-Ausbildung verfügt Thomi Keusch nicht, auf seinem CV steht statt dessen: Fernseh- und Radioelektroniker, Videooperateur, Windsurflehrer. Als es an die Firmengründung ging, hat er zusätzlich eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Er berichtet von seinen Erfahrungen als nebenamtlicher Personalchef:

«Ich mache fast alles rund ums HR selbst. Personalgespräche fallen mir leicht, ebenso alles, was mit Abrechnungen und Lohn zu tun hat. Anspruchsvoll dagegen finde ich verbindliche Arbeitsbeschreibungen und das entsprechende Controlling.

Als HR-Laie funktioniert man nach Handlungsbedarf. So habe ich mir über die Jahre viel Wissen angeeignet. Bei Fragen, die ich nicht selbst beantworten kann, wende ich mich an einen Berater. Das kommt vor allem bei Verträgen und bei rechtlichen Angelegenheiten vor. Eine externe Beratung bei wichtigen Themen kann ich sehr empfehlen. Denn vieles ist heute schwieriger und komplizierter geworden.

Als Unternehmer rennt man ständig dem Umsatz nach. HR-Themen haben im Tagesgeschäft fast keinen Platz. Meist sind das ja auch Themen, für die man Ruhe braucht, und deshalb reserviere ich mir dafür Zeit am Montag, wenn unser Hauptladen geschlossen ist. Ist es dringend, so nehme ich mir abends oder auch einmal am Wochenende Zeit. 

Von anderen Kleinunternehmern weiss ich, dass sich alle mit den etwa gleichen Themen beschäftigen. Da wir keine Profis sind, können wir uns zwar nicht immer gegenseitig helfen, aber wir können uns immerhin auf heikle Punkte aufmerksam machen.

Etwas, das viele Unternehmer wie mich regelmässig beschäftigt, sind emotionale Situationen. Meine Erfahrung ist, dass man nicht sofort reagieren sollte, sondern für ein entsprechendes Gespräch einen, zwei Tage verstreichen lässt. In dieser Zeit kann man die Fachlage abklären und hat dann die Möglichkeit, sachlich zu reagieren. Es kann sinnvoll sein, wenn bei diesem Gespräch eine dritte Person anwesend ist.

Emotionale Situationen und Meinungsverschiedenheiten sind mir lieber, als wenn ein Mitarbeiter gar nichts von sich hören lässt. Erst dann wird es wirklich gefährlich.

Eine meiner schönsten HR-Erfahrungen war ein Mitarbeitergespräch. Es gab eine Kritik, die ich anbringen musste, ich befürchtete aber, dass der Mitarbeiter beleidigt sein und sich gegen die Kritik wehren würde. Das Gegenteil war der Fall: Er stand zu seiner Schwäche, war total einsichtig, und wir konnten sehr gut über mögliche Lösungen reden.»

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

Weitere Artikel von Franziska Meier