Wenn Wandel spaltet, war er keiner
Viele Unternehmen sprechen von Wandel, doch Change-Prozesse scheitern oft nicht an Strategien, sondern daran, dass Mitarbeitende sich nicht gesehen fühlen. Warum echter Change nicht an Konzepten, sondern an Identität scheitert.

Erfolgreicher Wandel entsteht durch echte Verbindung und das Einbeziehen aller Menschen im Unternehmen. (Bild: ChatGPT)
Veränderung ist die neue Norm. Kaum ein Unternehmen, das nicht über «Change» spricht. Doch viel zu oft bleibt es bei Strategiepapieren, Folien und schön designten Leitbildern. In der Realität erlebe ich, wie Change-Prozesse scheitern. Nicht an mangelnder Expertise, sondern an Menschen, die sich nicht abgeholt fühlen, die innerlich kündigen oder direkt gehen.
In einem Projekt, das ich begleiten durfte, wurde der Wandel mit Druck durchgesetzt. Wer nicht mitzog, passte nicht mehr ins System. Vorschläge wurden ignoriert, Widerstand galt als Schwäche – dabei war es kein Widerstand gegen den Wandel, sondern gegen die Art, wie er durchgedrückt wurde.
Psychologische Sicherheit entscheidet
Hier beginnt das Problem: Wenn Führung bedeutet, sich durchzusetzen statt zu verbinden, entsteht keine Entwicklung, sondern Spaltung. Nicht nur zwischen Leitung und Mitarbeitenden, sondern auch innerhalb der Teams. Amy Edmondson beschreibt mit dem Konzept der psychologischen Sicherheit einen entscheidenden Faktor: Menschen müssen sagen dürfen, was sie denken – ohne Angst vor Sanktionen. Wenn «Change» in der Schwebe hängt, wenn Leitplanken fehlen oder Kommunikation ausbleibt, entsteht Unsicherheit. Nicht das Konzept wird abgelehnt, sondern das Gefühl, übergangen worden zu sein.
Führungskräfte brauchen mehr als PowerPoint und Projektpläne. Sie brauchen Empathie, Offenheit und die Fähigkeit, echte Gespräche zu führen. In der Praxis fehlt das oft. Ich höre von Mitarbeitenden, die sich während virtueller Meetings lieber dem Haushalt widmen, weil die Gespräche beliebig und ohne Ziel wirken. Wer nicht ernsthaft zuhört, verliert nicht nur Informationen, sondern Vertrauen.
Change ist kein Thema für Projektteams allein
Ein fataler Denkfehler ist die Annahme, dass ein kleines Team Wandel gestalten kann. Echte Transformation betrifft die gesamte Organisation. Und das heißt: Jede Stimme zählt. Holen wir nicht mindestens 80 Prozent mit ins Boot, riskieren wir Polarisierung und verlieren so nicht selten genau die Menschen, die den Unterschied machen.
Veränderung funktioniert nicht durch Symbole, sondern durch Identifikation. Wer mitwirkt, trägt mit. Wer übergangen wird, blockiert. Ich habe erlebt, wie Projekte scheiterten, obwohl sie inhaltlich sinnvoll waren, weil die Kommunikation ausgrenzte. Dabei ist es nicht schwer, gute Fragen zu stellen: «Was brauchst du, um dich mitgenommen zu fühlen?» ist oft wirkungsvoller als jeder Motivations-Slogan.
Fazit: Wer Wandel will, muss Menschen wirklich sehen
Change-Management beginnt nicht mit der Methodik, sondern mit Haltung. Mit der Frage: Sehe ich mich als Teil der Organisation oder als Entscheider über andere? Wer Wandel gestalten will, muss die Fähigkeit entwickeln, andere einzubeziehen, zuzuhören und Unsicherheit auszuhalten, denn nachhaltiger Wandel entsteht nicht auf der Tonspur, sondern im echten Kontakt.
Quellenverzeichnis:
• Edmondson, A. (2019). The Fearless Organization
• Gallup (2023): State of the Global Workplace
• Eigene Projekterfahrungen in der Beratung und aus Coaching