HR Today Nr. 11/2020: Serie – Berufliche Vorsorge

Wenn zwei sich finden

Die Regelung der beruflichen Vorsorge war bei Firmenzusammenschlüssen lange ein Nebenaspekt. Heute ist diese ein wichtiger Verhandlungspunkt, weil unterschiedliche Vorsorgelösungen bei einer Fusion zu hohen Folgekosten führen können.

Vorsorgeeinrichtungen kämpfen mit enormen Herausforderungen: rekordtiefe Zinsen, volatile Finanzmärkte, ein politisch festgelegter Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium, hohe Verrentungsverluste und ein massiv hoher Bedarf an Reservenbildung bei laufenden Renten. Bei der Einführung der beruflichen Vorsorge war eine massive Umverteilung von Jung zu Alt zudem nicht vorgesehen. Spätestens bei der Umsetzung eines Fusionsprojekts werden sich die Beteiligten jedoch intensiv damit auseinandersetzen müssen.

Anforderungen steigen

Bis Anfang der 2000er-Jahre waren die Anforderungen an die berufliche Vorsorge bei Fusionen weitgehend überschau- und lösbar; das Thema konnte als Nebenaspekt abgehandelt werden. Die Vorsorgewelt war homogen, die wirtschaftlichen, versicherungstechnischen und sozialen Rahmenbedingungen waren stabil. Heute sieht das anders aus: Eine Firmenfusion führt meist zu einer Zusammenführung der Vorsorgeeinrichtungen. Damit stellt sich das Problem unterschiedlicher Deckungsgrade und der Verwässerung. Wurden freie Mittel früher an die Destinatäre jener Kasse mit dem höheren Deckungsgrad verteilt, um so das tiefe Deckungsgradniveau der anderen Kasse zu erreichen, ist ein solches Vorgehen heute nicht mehr denkbar. Vielmehr kommt es zulasten des Arbeitgebenden zu einer Angleichung an den höheren Deckungsgrad, was eine kostspielige Angelegenheit ist.

In der Welt der beruflichen Vorsorge existieren viele Vorsorgepläne, die sich in den Leistungsversprechen und der Beitragshöhe unterscheiden. Was heisst das für einen Firmenzusammenschluss? Konnte früher von mehr oder weniger identischen Umwandlungssätzen in allen Kassen ausgegangen werden, präsentiert sich die Situation heute heterogener. Vieles spricht dafür, die unterschiedlichen Pläne in eine einheitliche, neue Lösung zu überführen. Dieses Unterfangen kann jedoch schwierig und teuer werden, da die Leistungsparameter der Kassen immer stärker auseinanderdriften. Allfällige Leistungsdifferenzen müssen finanziert werden. Hinzu kommen personalpolitische Aspekte, die zu beachten sind. So kann es sich beispielsweise für einen Arbeitnehmenden lohnen, sich vor der Vereinheitlichung der Vorsorgepläne in die vorzeitige Rente zu begeben – unter den alten Bedingungen. Selbstverständlich ist auch der umgekehrte Fall denkbar.

Knackpunkt Rentenverpflichtungen

Die übernehmende Pensionskasse dürfte ein geringes Interesse haben, den Rentenbestand der aufzulösenden Einrichtung zu übernehmen. Zeigt sie dennoch Bereitschaft, stellt sich die Frage einer allfälligen Nachfinanzierung des zu übernehmenden Rentenbestandes. Nicht alle Kassen bilanzieren ihre Rentenverpflichtungen nach den gleichen technischen Grundlagen. Unterschiedliche Annahmen zur Lebenserwartung und zu den technischen Zinssätzen können zu erheblichen Differenzen in den bilanzierten Leistungsverpflichtungen führen.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards: Wird nach schweizerischem Recht bilanziert oder nach Internationalen Rechnungslegungsnormen (beispielsweise IAS 19)? Je nachdem werden die Vorsorgeverpflichtungen in den Firmenbilanzen unterschiedlich behandelt, was sich auf die Firmenbilanz auswirkt.

Vorausschauend und frühzeitig planen

Um Fallstricke zu vermeiden, sollte das Thema deshalb frühzeitig angegangen und durch Fachexperten begleitet werden. Das verhindert, dass plötzlich Hindernisse auf dem Weg zur Firmenfusion auftauchen, die das Projekt verlangsamen oder gar verhindern.

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Werner Wüthrich ist Geschäftsführer der Sammelstiftung Vita.

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