Mund-zu-Mund-Propaganda bringt Kandidaten
Jacqueline Reifler: «Kürzlich haben wir versuchsweise wieder einmal ein Printinserat für die Pflege geschaltet. Bewerbungen: null. Es ist einfach so, dass Pflegepersonal durch unsere Homepage, hospital-jobs.ch oder, sehr häufig, aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda auf uns zukommt. Ärzte erreichen wir zusätzlich auch über Ärztezeitungen.
Wir haben einen guten Ruf, bieten interne Weiterbildung, Kinderkrippe, Teilzeitstellen – auch für Oberärzte. Und doch können wir ab und zu, hauptsächlich in der Pflege, Stellen über Monate nicht besetzen. Dann überbrücken wir mit temporären Mitarbeitern.
Personalvermittler schicken uns in letzter Zeit vermehrt Dossiers. Allerdings bringt das selten etwas. Ein Chirurg zum Beispiel braucht unter anderem handwerkliches Geschick. Alles in einen Kontext zu bringen, fällt einem Vermittler schwer.Wir haben in der Schweiz nicht genug ausgebildetes Fachpersonal. Die Politik gibt in der Medizin zu wenig Studienplätze frei, auch der Numerus Clausus ist ein Hindernis. Bei den Pflege-Ausbildungen speziell bei den FaGe (Fachfrau/-mann Gesundheit) sieht es gut aus, bei den HF/FH-Studenten gibt es zu wenig Interessenten.
Der Stellenwert der Rekrutierung in Begleitung durch das HR ist bei uns nicht so hoch wie in der Privatwirtschaft. Wir vom HR selektionieren zwar die Dossiers vor, doch die Bewerbungsgespräche finden ausschliesslich in der Linie statt. Da kommt es manchmal zu Fehlern, zum Beispiel dauert der Prozess zu lange, und manche Kandidaten springen ab. Doch da wird es ein Umdenken geben. In unserer Branche nimmt der Druck zu, schwarze Zahlen zu schreiben, und das HR kann hier seinen Beitrag leisten. Entsprechend sind wir auch daran, unsere Prozesse zu überarbeiten.»
Einrichtungshäuser dienen auch als Recruiting-Tool
Balbina Lips Giovanoli: «Wir sind ein werteorientiertes Unternehmen und haben auch ein ‹Value based recruitment›: Bei Kandidaten wollen wir jeweils zuerst wissen, welches ihre Einstellungen sind, und ob sie sich von unseren Unternehmenswerten, die auf unserer Homepage veröffentlicht sind, angesprochen fühlen. Um bei uns glücklich zu werden, muss man sich mit diesen Werten identifizieren können, da diese das Fundament unserer Unternehmenskultur sind.
Wir schreiben unsere Stellen immer zuerst intern aus: Es gehört zu unserer Kultur, dass Stellen nicht unter der Hand vergeben werden. Natürlich hat man für offene Stellen jeweils einige Leute im Kopf, aber man denkt nicht an alle, die sich für diese Position eignen, und durch die interne Ausschreibung ergibt sich ein erweiterter Pool von Bewerbern.
Die wichtigsten beiden Kanäle zu externen Kandidaten sind unsere Website und unsere Einrichtungshäuser. In letzteren haben wir schweizweit 15 Millionen Besucher jährlich, dort stehen Jobboards mit unseren vakanten Stellen. Die Einrichtungshäuser als ‹Recruiting-Tool› zu verwenden, ist praktisch und kostengünstig. Daneben benützen wir manchmal auch Jobplattformen und schalten Printinserate.
Das E-Recruiting haben wir früh eingeführt, wir akzeptieren schon seit 2007 keine Bewerbungen auf Papier mehr. Seither verfügen wir über ein Bewerbermanagementsystem, das es ermöglicht, dort abgelegte Bewerbungen zu verwalten und mit Kandidaten zu kommunizieren. Dieses papierlose Recruiting hat zur Effizienzsteigerung beigetragen und ist ausserdem eine umweltfreundliche Lösung.
Künftig wollen wir das Employer Branding verstärken und die Rekrutierungskanäle erweitern. Dabei haben wir besonders die Social Media im Blick.»
Die Schwierigkeit von einheitlicheren Dossiers
Daniel Wehrle: «Als städtisches Energieversorgungsunternehmen haben wir handwerkliche, technische und administrative Berufe, und nutzen zur Rekrutierung vor allem Jobplattformen und Printmedien. Auch unsere Homepage, auf der wir die offenen Stellen immer aktuell aufführen, wird rege genutzt. Und schliesslich bilden wir Lehrlinge aus, die künftig vakante Stellen übernehmen können.
Trotzdem sind wir immer wieder auf der Suche nach qualifizierten Berufsleuten, insbesondere Sanitärinstallateure oder Netzelektriker sind momentan schwierig zu finden. Im Bereich der Ingenieure und IT-Fachleute ist das Angebot ebenfalls knapp, was zum Teil zu überhöhten Lohnforderungen führt und den definierten Lohnrahmen bei weitem sprengt.
Von der besseren und aktiveren Nutzung des Internets bei der Jobsuche profitieren auch wir von Energie Wasser Bern, da so viel mehr potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten angesprochen werden. Dies hat aber auch Nachteile: Schrieben die Leute früher von Hand ein paar Sätze und man konnte eine erste Einschätzung vornehmen, kommen Bewerbungen heute sehr professionell und einheitlich daher. Das ist einerseits sehr erfreulich, kann andererseits im Bewerbungsgespräch auch in eine gewisse Ernüchterung münden, denn nicht alles, was optimal verpackt scheint, überzeugt auch inhaltlich.
Um uns im Bereich der Rekrutierung weiterzuentwickeln und zu optimieren, werden wir in absehbarer Zeit die Einführung von E-Recruiting prüfen. Ebenfalls aktuell sind die Verhandlungen und die Einführung eines neuen GAV per 1.1.2013. Dabei sind flexible Arbeitszeiten, Weiterbildung, Lohn und Ferien Themenschwerpunkte, denn sie sind wichtige Faktoren, um beim Recruiting mit der Konkurrenz mithalten zu können.»