Alkohol am Arbeitsplatz

Wertewandel: Wer arbeitet, trinkt keinen Alkohol

Wer am Arbeitsplatz trinkt, braucht unter Umständen Hilfe. Denn wer mit Promille im Blut arbeitet, ist nicht nur eine Gefahr für sich selbst, sondern auch für Kollegen und die Firma. Für den Arbeitgeber haben trinkende Angestellte finanzielle und schlimmstenfalls auch juristische Folgen.  

Bis vor kurzem gehörte ein Glas Wein oder zwei zu jedem Arbeitsessen. Auch keine Konferenz – schon gar nicht eine behördliche -  ohne Fendant. Und in vielen Firmen, besonders in Redaktionen, war das Bierchen zwischendurch normal. Für einen heiteren Apéro mit allerhand Vergorenem boten Geburtstage, Jubiläen oder belanglose Vorgänge wie die «Wochenteilung» Gelegenheit. Merkwürdig verhielt sich, wer bei den kleinen und grossen Anlässen zu Mineral oder klebrigen Säften griff. Heute ists umgekehrt.

Die Zeiten haben sich schnell und grundlegend geändert und damit auch die Gepflogenheiten. Zumindest vordergründig. Arbeitsessen heissen heute Businesslunch, getrunken werden dabei stille Wässerchen mit exotischen Namen. Zweifelsohne ist das nicht nur gesünder für die Teilnehmenden, sondern auch wirtschaftsfreundlicher, zumal nach promillelosen Treffen ohne Schwips weitergearbeitet werden kann.

«GmBh» war gestern – geh mal Bier holen gibts auf Baustellen nicht mehr

Das Bier am Schreibtisch ist heute nicht nur verpönt sondern in der Regel durch vertragsintegrierte Mitarbeiter-Verhaltens-Codices verboten. Alkohol am Arbeitsplatz ist als Problem erkannt worden.

«Ich denke, dass sich hier, genau wie beim Rauchen, ein Wertewandel vollzogen hat», sagt Dominik Schwarb, Allgemein- und Arbeitsmediziner bei der Suva in Luzern. «Denn durch Alkoholkonsum sinkt die  Leistungsfähigkeit, die Unfallgefahr steigt. Auf Baustellen sind die Bierkästen schon länger komplett verschwunden».

Für fast eine Viertelmillion der Arbeitnehmenden im Land ist der zur Zeit gelebte Arbeitsalltag allerdings Maskerade, wie Statistiken der Suva (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt) belegen. «Man geht davon aus, dass fünf Prozent der Berufstätigen ein Alkoholproblem haben, quer durch alle Branchen», so Schwarb.

Konnten Alkoholabhängige früher mehr oder weniger offen auch im Arbeitsalltag ihrer Sucht nachgeben, passiert dies heute meist im Stillen, heimlich, während Pausen oder beim Mittagessen. Für Vorgesetzte und Kollegen der Süchtigen ist das problematische Verhalten nicht immer klar erkennbar. Auf die typische Fahne, also den alkoholbedingten Mundgeruch, kann man als Indikator nicht setzen. «Heimliche Trinker setzten gerne auf Wodka, da man den nicht riecht.» Früher oder später werden Alkoholprobleme aber deutlich. «Typisch sind Leistungsknick, Verspätungen am Morgen, Kurzabsenzen mit fadenscheinigen Erklärungen, Veränderungen im Verhalten, sozialer Rückzug, ungepflegtes Äusseres.»

Die Volksdroge Alkohol, vielmehr ihre Wirkungen, können für die Konsumierenden, ihre Umgebung und schliesslich auch für Arbeitgebende und die Wirtschaft fatale Folgen haben.

Einerseits nimmt die Leistung eines Alkoholkranken verglichen mit einem Gesunden um rund einen Viertel ab. Heisst: ein Abhängiger mit einem 100-Prozent-Pensum arbeitet nur so viel, wie ein Angestellter  im 75-Prozent-Pensum. Der resultierende Schaden kann beziffert werden. Ermittelt hat diese Zahlen die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Mit einem Schlüssel (Abb. Links) können Firmen den tatsächlichen Schaden in Franken errechnen, der durch Alkoholkranke im Betrieb verursacht wird.

Das Problem Alkoholkonsum am Arbeitsplatz hat nebst einer gesundheitlichen und wirtschaftlichen auch eine juristische Komponente. Denn das Gesetz nimmt Arbeitgeber diesbezüglich in die Pflicht. Das Unfallversicherungsgesetz Art. 82 sagt, dass Arbeitgeber, die Angestellte alkoholisiert arbeiten lassen, sich strafbar machen und zur Rechenschaft gezogen werden können. Etwa dann, wenn der angetrunkene Angestellte Schäden versursacht, sich oder andere verletzt, etc.

Arbeitgeber sollen klare Alkohol-Regeln aufstellen und durchsetzen

Die Suva empfiehlt Arbeitgebern, sich bezüglich Alkohol am Arbeitsplatz penibel ans Gesetz zu halten. Klare Regeln helfen, Vorschriften am Arbeitsplatz und auf dem ganzen Betriebsgelände durchzusetzen. Möglich ist ein vollkommenes Alkoholverbot. In Kantinen hat Alkohol laut Suva ohnehin nichts verloren.

Dominik Schwarb empfiehlt HR-Mitarbeitenden und Kadern, nicht wegzuschauen, wenn alkoholbedingte Probleme im Betrieb ruchbar werden. «Grundsätzlich ist es natürlich einfacher wegzuschauen. Von selbst löst sich jedoch die Problematik nicht.»

Viele Vorgesetzte und besonders Personalfachleute hätten diesbezüglich in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Ein Tabu sei das Thema und die Lösung der Probleme in guten HR-Abteilungen heute nicht mehr.

Freilich seien die Wege zur Problemlösung nicht immer dieselben. Am Ende gebe es aber meist nur eine wirklich zielführende Variante: «Zum direkten Ansprechen der Problematik gibt es keine gute Alternative. Der Co-Alkoholismus, das stille Dulden der Sucht, führt in die Katastrophe. Viele, vor allem grössere Firmen haben ein Suchtkonzept: Die Anstellung läuft während dem geforderten Entzug weiter. Anschliessend gibt es Null-Toleranz bei einem allfälligen Wiedereinstieg ins Trinken, d.h. es droht die Entlassung. Dieses Druckmittel ist leider nötig für den langfristen Erfolg.»

Wenn Mitarbeitende trinken: Infomaterial und Ansprechpartner

Weiterführende Informationen, Hintergrundwissen und Ansprechpartner finden interessierte HR-Professionals bei der Suva (Alkohol am Arbeitsplatz) und bei der Schweizerischen Sucht Info (Informationen über Alkohol, Alkohol am Arbeitsplatz).

Unter dem Stichwort Alkohol am Arbeitsplatz hat vor kurzem auch das Blaue Kreuz ein spezielles Angebot für Führungskräfte und Mitarbeitende lanciert. Angeboten werden Coaching, Schulungen und die Ausarbeitung von Präventionskampagnen.

Ein Seminar- und Kursangebot für Arbeitgebende bietet auch die Zürcher Fachstelle für Alkoholprobleme an. (sr)

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