Altersvorsorge

Wie verändert die Altersreform 2020 die berufliche Vorsorge?

«Höhere Personalkosten! Höhere Lohnabzüge! Tiefere Altersrenten!» Dies sind die Schlagworte, die mit der ­geplanten Altersreform 2020 in Verbindung gebracht ­werden. Stimmen diese Befürchtungen?

Der Bundesrat will mit einer umfassenden Reform der AHV und der beruflichen Vorsorge die Schieflage unserer Altersvorsorge korrigieren. Welche Auswirkungen hat die geplante Altersreform auf die heutige berufliche Vorsorge?
Die schweizerische Altersvorsorge ist seit Jahren mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Durch die heutige Spitzenmedizin nimmt die Lebenserwartung stetig zu. Während die höhere Lebenserwartung für Rentenbezüger erfreulich ist, stellt diese Entwicklung Pensionskassen vor grosse Herausforderungen. Die längere Rentendauer ist nur finanzierbar, wenn entweder mehr Kapital angespart wird oder die Renten gesenkt werden. Denn letztlich können Pensionskassen nicht mehr Geld auszahlen, als sie einnehmen.

Reduktion Mindestumwandlungssatz

Aufgrund der steigenden Lebenserwartung soll in der beruflichen Vorsorge der heute geltende Mindest-Umwandlungssatz von 6,8 schrittweise auf 6 Prozent gesenkt werden. Dies bedeutet, dass für 100 000 Franken Alterskapital neu jeweils eine jährliche Altersrente von 6000 Franken (bisher 6800 Franken) finanziert wird. Die Altersrenten nehmen somit um knapp 12 Prozent (im Beispiel 800 Franken) ab. Der Mindest­umwandlungssatz gilt jedoch nur für das obligatorische Altersguthaben. Für überobligatorische Altersguthaben dürfen die Pensionskassen weiterhin frei bestimmen, welchen Umwandlungssatz sie anwenden. Aktuell liegen die Um­­wand­lungssätze für überobligatorische Altersguthaben bei fast allen Pensionskassen zwischen 5,5 und 6,4 Prozent.

Viele Pensionskassen wenden für obligatorische und überobligatorische Altersguthaben einen einheitlichen Umwandlungssatz an. Bereits heute liegt dieser Wert bei einer Vielzahl von Pensionskassen unter 6,8 Prozent. Wieso ist dies erlaubt? Die Kassen müssen bei jeder Pensionierung berechnen, wie hoch die Altersrente auf dem obligatorischen Altersguthaben mit dem Mindestumwandlungssatz ausfallen würde. Liegt die gesamte Altersrente (obligatorisches und überobli­gatorisches Altersguthaben) höher als die gesetzliche Mindestrente, darf der Umwandlungssatz für das gesamte Altersguthaben tiefer angesetzt werden.

Mit der Reduktion des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent fallen die zukünftigen Altersrenten tiefer aus. Deshalb sollen Ausgleichsmassnahmen eingeführt werden, damit das heutige Rentenniveau aufrechterhalten bleibt.

Streichung Koordinationsabzug

In der obligatorischen beruflichen Vorsorge ist nicht der gesamte Jahreslohn versichert. Vom Jahreslohn wird ein Koordinationsabzug in der Höhe von 24 570 Franken abgezogen. Dies sind sieben Achtel der maximalen einfachen AHV-Altersrente (28 080 Franken). Mit diesem Abzug sollen die Leistungen der ersten und der zweiten Säule unserer Altersvorsorge koordiniert werden. Er wird unabhängig vom Jahreslohn abgezogen und führt deshalb für Teilzeitangestellte und Personen mit tiefen Einkommen zu einer tiefen beruflichen Vorsorge. So wird beispielsweise aus einem Jahreslohn von 45 000 Franken ein obligatorisch versicherter Lohn von 20 460 Franken (45 000 – 24 570). Damit sinkt der versicherte Lohn auf weniger als die Hälfte des Jahreslohnes. In einer ersten Fassung der Renten­reform wollte der Bundesrat den Koordinationsabzug auf 25 Prozent des Jahreslohnes reduzieren. Nach den Ergebnissen der Vernehmlassung hat der Bundesrat nun entschieden, den Koordinationsabzug gänzlich zu streichen. Damit soll das System der beruflichen Vorsorge vereinfacht werden.

Mit der Streichung des Koordinationsabzuges werden sämtliche versicherten Löhne in der zweiten Säule höher ausfallen. Dies führt zu höheren BVG-Abzügen für die Arbeitnehmenden und Arbeitgeber, falls die Beitragssätze gleich bleiben.

Erhöhung der Sparbeiträge

Nebst dem Umwandlungssatz zum Zeitpunkt der Pensionierung ist die Altersrente abhängig von der Verzinsung des ­Altersguthabens sowie den Sparbeiträgen während eines ­Arbeitslebens. Die heute geltenden Mindestsparbeiträge betragen 7 bis 18 Prozent. Damit werden während eines Arbeitslebens insgesamt 500 Prozent an BVG-Sparbeiträgen geleistet. Neu sollen die Sparbeiträge ab Alter 35 angehoben und ab Alter 55 leicht reduziert werden. Über ein Arbeitsleben von 40 Jahren werden damit neu insgesamt 535 Prozent an BVG-Sparbeiträgen geleistet. Unter Berücksichtigung des wegfallenden Koordina­tionsabzuges und der höheren Sparbeiträge soll damit das heutige Leistungsniveau erhalten bleiben. Gleichzeitig wird die Sparskala etwas abgeflacht. Dies soll die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmenden begünstigen.

Wie oben erwähnt, beabsichtigt der Bundesrat seit Vorliegen der Ergebnisse der Vernehmlassung, den Koordinationsabzug ganz zu streichen. Damit fallen die versicherten Löhne höher aus. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit die neue Sparbeitragsstaffel nochmals angepasst werden soll. Denn würden die neu vorgesehenen Sparbeiträge mit den in der Tabelle aufgeführten 7 bis 17,5 Prozent auf dem gesamten Jahreslohn ­angewendet, würde dies zu wesentlich höheren Arbeitnehmer- und Arbeitgeberabzügen führen.

Senkung Eintrittsschwelle

In der beruflichen Vorsorge ist heute nur obligatorisch versichert, wer ein Jahreseinkommen von mindestens 21 060 Franken (sechs Achtel der einfachen AHV-Maximalrente) erzielt. Verdient eine Person beispielsweise bei zwei Arbeitgebern einen Jahreslohn von je 20 000 Franken, ist sie bei keinem obligatorisch in der beruflichen Vorsorge versichert. Neu soll diese Eintrittsschwelle auf 14 040 Franken (entspricht der minimalen jährlichen AHV-Altersrente) reduziert werden. Mit dieser Neuregelung wäre die oben erwähnte Person bei beiden Arbeitgebern mit einem versicherten Lohn von je 5960 Franken (20 000 – 14 040) obligatorisch versichert.

90 Prozent aller Arbeitnehmenden mit einem Arbeitgeber sowie 86 Prozent aller Arbeitnehmenden mit mehreren Arbeitgebern wären mit dieser Massnahme obligatorisch in der beruflichen Vorsorge versichert. Im Jahr 2010 wären damit zusätzlich rund 146 000 Personen in der beruflichen Vorsorge versichert gewesen. Mit dieser Ausweitung des Versichertenkreises soll das Armutsrisiko im Alter reduziert werden, was sich wiederum positiv auf die Ergänzungs­leistungen und die Sozialhilfe auswirkt.

Ausgleich für «Übergangsgeneration»

Mit der Streichung des Koordinationsabzuges und der Einführung der neuen Sparbeitragsstaffel sollen die Leistungseinbussen des tieferen Mindestumwandlungssatzes kompensiert werden. Von diesen Massnahmen profitieren Personen mit niedrigem Einkommen, Teilzeitangestellte und insbesondere jüngere Personen. Für ältere Arbeitnehmende reicht die Zeit nicht mehr, um den tieferen Umwandlungssatz auszugleichen. Deshalb sind Ausgleichszahlungen beabsichtigt für Personen, die bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung das 40. Altersjahr vollendet haben.

Finanzielle Folgen

Das Bundesamt für Sozialversicherungen schätzt die Kosten der finanziellen Ausgleichsmassnahmen zwischen 2,3 und 2,4 Milliarden Franken. Wie hoch die finanziellen Belastungen für Arbeitnehmende und Arbeitgeber sein wird, ist abhängig von der Mitarbeiter- und Lohnstruktur eines Unternehmens.

Jedoch werden bei jedem Unternehmen höhere Pensionskassenbeiträge aufgrund der höheren versicherten Löhne (Streichung Koordinationsabzug) und allenfalls aufgrund der zusätzlichen BVG-versicherten Personen (Reduktion Eintrittsschwelle) anfallen. Jedoch sind Korrekturmassnahmen unumgänglich, damit das heutige Kapitaldeckungsverfahren nicht stärker in Schieflage gerät.

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Josef Zopp ist Partner und Bereichsleiter Personenversicherungen bei der Weibel Hess & Partner AG. Er berät Firmen bei der Analyse und Optimierung der beruflichen Vorsorge. www.pensionskassenvergleich.ch


 

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