Wie verbreitet sind E-HRM und E-Leadership?
Bei 2000 Unternehmen in der Schweiz klopfte die Universität Bern an, um Angaben zur Nutzung und zum Nutzen klassischer und Neuer Medien im HRM zu erhalten. Herausbefinden wollten die Forscher auch, wie breit HR-Portale und Self-Service-Systeme eingesetzt werden.
In den letzten Jahren hat ein stiller, aber folgenschwerer Wandel stattgefunden. Organisationen sind heute intern und extern stark vernetzt und viele bedeutende menschliche Interaktionen geschehen mittels modernster Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Dieser auch als dritte industrielle Revolution bezeichnete Wandel wirkt sich stark auf die Führungskräfte, deren Führungsstil und die Mitarbeitenden sowie auf die Personalarbeit aus. Eine Fülle von Neuen Medien, welche ein neues, verändertes Personalmanagement ermöglichen, steht dem Management und den Mitarbeitenden heute zur Verfügung.
Das Institut für Organisation und Personal (IOP) der Universität Bern nahm mittels einer Online-Befragung im Jahr 2006 bei 000 Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden eine aktuelle Bestands aufnahme der Verbreitung von HR-Portalen und Self-Service-Systemen in der Schweiz vor. Erfasst wurden auch deren Ausgestaltung sowie die Einfluss- respektive Erfolgsfaktoren. Zum anderen wurde untersucht, welche klassischen und Neuen Medien in der Personalführung ein gesetzt werden und welche Prozesse der Personalführung damit besonders erfolgversprechend unterstützt werden können. Mit über 600 antwortenden Firmen konnte ein beachtlicher Rücklauf erzielt werden. Die Mehrheit der Antworten kamen aus dem Top-Management (35 Prozent) und dem mittleren Management (42 Prozent).
Optimierung durch partizipativen Ansatz des HRM
Der Einsatz von Internet- beziehungsweise Intranetlösungen verändert die Aufgaben der Personalabteilungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Durch die Erweiterung von HR-Standardsoftwarelösungen um den Zugriff per Internetapplikation hat sich eine integrative Technologiekonzeption entwickelt, welche eine partielle Verlagerung von Personalaufgaben an die internen Kunden (Mitarbeiter und Manager) ermöglicht. Die Implementierung von Self-Service-Systemen und Mitarbeiterportalen als interaktive Kommunikationsplattformen zur Optimierung interner Geschäftsprozesse setzt einen partizipativen Ansatz des Human Resources Managements voraus. Unter dem Gesichtspunkt der Aufgabenteilung kann nicht mehr von einer dualen Trägerschaft personalwirtschaftlicher Aktivitäten zwischen HR- und Linienmanagern gesprochen werden. Vielmehr muss das Konzept um die Integration der Mitarbeitenden zu einer trilateralen Trägerschaft sowie um die HRM-Services, die elektronisch oder in der Form eines Service Centers zu erbringen sind, erweitert werden.
Um die aktuelle und zukünftige Bedeutung des E-HRM im Gesamtkontext des Personalmanagements einordnen zu können, wurden in der Untersuchung ausgewählte Aspekte der Personalarbeit hinsichtlich ihrer strategischen Wichtigkeit zur Beurteilung angeboten. Das E-HRM wird neben der Personalentwicklung von der Mehrheit der Antwortenden als häufigste künftige Herausforderung der Personalarbeit genannt. Zusammen mit der Gesundheitsförderung hat sich ein Spitzentrio gebildet, welches sich von den übrigen Themengebieten etwas absetzt.
Neue Problemstellungen durch Einsatz von E-HRM
Insgesamt haben 19 Prozent der befragten Betriebe angegeben, dass ihren Mitarbeitenden ein HR-Portal zur Verfügung stehe. Von den befragten Grossunternehmungen verfügen 27 Prozent über ein Mitarbeiterportal, bei den Unternehmungen mittlerer Grösse sind es 11 Prozent. Zwischen der Grösse (Mitarbeiteranzahl) und dem Vorhandensein eines HR-Portals besteht ein ausgeprägter, hoch signifikanter Zusammenhang.
Die Erfassung der Einsatzhäufigkeit möglicher Komponenten eines Mitarbeiterportals basiert auf den aktuell eingesetzten sowie den im konkreten Planungsstadium befindlichen Systemen. Die genauere Betrachtung zeigt, dass derzeit nur wenige interaktive Elemente breite Anwendung finden. Es sind hauptsächlich die klassischen Informationsinstrumente eines Intranets wie beispielsweise der Download von Formularen oder die Weiterbildungs- und Stellenbörse, die eingesetzt werden. Von der durch die Softwarehersteller propagierten und in der Literatur ausführlich beschriebenen Interaktivität ist in der Praxis bisher noch verhältnismässig wenig anzutreffen. Mit einer Zunahme darf aber in Zukunft gerechnet werden.
Die Befragung hat gezeigt, dass E-HRM als integrative Technologiekonzeption viele positive Impulse für eine Unternehmung auslösen kann. Durch den erhöhten Einsatz technischer Hilfsmittel einerseits und durch die Dezentralisierung nach dem Selbstorganisationsmodell andererseits ergeben sich für die Personalabteilungen aber neue Problemstellungen. So gilt es etwa eine Überforderung von Mitarbeitern zu verhindern, die möglicherweise durch eine stetig ansteigende Informationsflut verursacht wird, einer übermässigen Systemabhängigkeit entgegenzuwirken oder trotz zunehmender Individualisierung eine hohe Kommunikationsqualität sicherzustellen.
E-Leadership – Neue Medien in der Personalführung
Aus der Sicht der befragten Personalverantwortlichen werden Neue Medien in Kombination mit klassischen Medien in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Das dominierende Personalführungsinstrumentarium der Zukunft wird gemäss der Untersuchung aus einem Mix von Face-to-Face-Kommunikation, E-Mail/Voicemail, Internet/Intranet, Dokumenten- und Workflowmanagement-Systemen, Teamkalendern, (Mobil-)Telefonie und Newsgroup/Diskussionsforen bestehen. Es kommt auf einen ausgewogenen Medienmix an. Für die Bewältigung komplexer Prozesse wird ein Workflowmanagement-System unverzichtbar sein. Die befragten Kaderpersonen sind eher kritisch eingestellt gegenüber Neuen Medien wie Voice-over-IP, Audio-/Videokonferenzen, Telearbeit, Chat/Instant Messaging, Blogs und Podcasts. Es wird sich zeigen, ob sich diese als HRM-Instrumente etablieren können. Eine Sorge aus der Sicht der Unternehmensleitung ist, die Kommunikationsprozesse noch steuern zu können. Gewisse Verselbständigungs-Risiken bergen Neue Medien wie beispielsweise Blogs in der Tat. In der nachfolgenden Abbildung ist ersichtlich, wie die abgefragten Medien in Bezug auf Einsatz/Verbreitung und Bedeutung bewertet worden sind. Das dominierende Personalführungsinstrumentarium befindet sich somit in der oberen rechten Ecke der Abbildung 1.
Neue Medien haben bereits heute einen hohen Stellenwert in der Personalführung, und es gibt durchaus Führungsfunktionen, die sich aus Sicht der Befragten elektronisch wirkungsvoll unterstützen lassen. Im Vordergrund steht dabei Folgendes: Informationsaustausch, Schreibarbeit, Informationen sammeln, Planen, Organisieren, Kommunizieren, Kontrol lieren/Bewerten und Überwachen der Leistung, Trainieren, Interagieren mit Externen, Personal beschaffen und schliesslich Personal entwickeln. Als weniger geeignet wird die Unterstützung mittels Neuer Medien in folgenden Bereichen angesehen: Motivieren/Verstärken, Werte vermitteln, Konflikte behandeln, Disziplinieren sowie soziale Kontakte pflegen / Allianzen bilden. Unmittelbare Personalführung findet am besten Face-to-Face statt. Die Gefahr der Missverständnisse wird durch den Mix aus verbaler und nonverbaler Kommunikation reduziert (siehe dazu Abbildungen 2 und 3).
Balance zwischen traditionellen und Neuen Medien
Die Befragung hat gezeigt, dass die Thematik der Partizipation der Mitarbeitenden an Personalprozessen in der Praxis zwar auf beachtliches Interesse stösst. Die tatsächliche Integration von Mitarbeitenden ins digitale Human Resources Management hat aber noch keine grosse Verbreitung gefunden. Es gibt derzeit nur wenige Unternehmungen, welche den Mitarbeitenden im Betreuungsprozess eine aktive Rolle zugestehen und sie damit zu Subjekten des Personalmanagements machen. Ein partizipatives Verständnis des HRM stellt aber eine wichtige Voraussetzung dar, um die Potenziale der technischen Entwicklung optimal nutzen zu können.
Da Führungskräfte mit einem stetig anwachsenden medialen Führungsinstrumentarium konfrontiert werden, stellt sich die Frage, wie das Management mit diesen Herausforderungen umgeht. Bisher durchgeführte Studien veranlassen die Autoren dieses Artikels zu folgenden Empfehlungen:
- Herstellen einer Balance zwischen traditionellen und Neuen Medien (Face-to-Face-Kommunikation, traditionelle Medien und Neue Medien).
- Eigene Absichten schnell und klar über Neue Medien kommunizieren, damit die Mitarbeitenden verstehen, was das Management will.
- Neue Technologien nutzen, um die eigene Reichweite zu erhöhen, viele Personen zu erreichen und um das Wir- Gefühl zu stärken.
- Die Technologien anwenden, um die Verschiedenheit des eigenen Arbeitskräftepotenzials optimal zu nutzen.
- Eigene Vorbildfunktion wahrnehmen und als Führungsperson mit gutem Beispiel vorangehen.
Die vollständigen Forschungsergebnisse zum Thema E-HRM und E-Leadership (Juni, August 2007) können als Arbeitsberichte Nr. 83 und 85 beim Institut für Organisation und Personal der Universität Bern unter www.iop.unibe.ch/iop-shop bezogen werden.
Über das Institut für Organisation und Personal (IOP) der Universität Bern
Das Institut für Organisation und Personal (IOP) ist ein wissenschaftlich unabhängiges Institut der Universität Bern, das sowohl national als auch international ausgerichtet ist. Schwerpunkte bilden die Fachgebiete Organisation und Personal als wichtige Komponenten der Unternehmensführung. Aktuelle Forschungsprojekte sind Kompetenzforschung, Neue Medien in der Personalführung/im Personalmanagement, Gesundheitsmanagement, Wissensmanagement, interkulturelles Human Resource Management und Public Management. Geleitet wird das Institut durch Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Norbert Thom.