HR Today Nr. 11/2019: Wissensmanagement I

«Wien mags wissen»

Wie der gesamtheitliche Umgang mit der Ressource Wissen funktioniert, zeigt ein Blick über die Grenze hinweg in die Stadtverwaltung der österreichischen Hauptstadt.

Wien wächst. Das hat Folgen für die österreichische Hauptstadt, denn die Aufgaben der Stadtverwaltung werden immer komplexer: Die zu verarbeitende Informationsmenge steigt und das Risiko des Wissensverlusts nimmt aufgrund von Pensionierungen, Jobwechseln oder Organisationsveränderungen zu. Was tun? «Die Herausforderungen anpacken und die Art und Weise, wie mit Wissen und Information umgegangen wird, entwickeln», rät Martina Schmied, Personaldirektorin der Stadt Wien.

Wie der Umgang mit Wissen funktionieren kann, zeigt die 2013 ins Leben gerufene Initiative «wien mags wissen», die seit 2014 vom zentralen Personalmanagement der Stadt Wien vorangetrieben wird. Damit will die Stadt ihre 65 000 Mitarbeitenden anhalten, Wissen systematisch zu teilen, eine dazu passende Haltung in der gesamten Stadtverwaltung etablieren und die Lernkultur der Stadt entwickeln. Daneben sollen die Dienststellen näher zusammenrücken, sich die Mitarbeitenden vernetzen und die organisationsübergreifende Kommunikation gestärkt werden. «Wir wollen unsere Mitarbeitenden bei der Arbeit unterstützen und ihre Effizienz erhöhen», erklärt Schmied.

Wissens-Selfcheck nutzen

Das zentrale Instrument der Initiative ist der Wissens-Selfcheck, der auf dem «©Knowledge Excellence Modell» basiert. Die darin enthaltenen 30 Fragen behandeln unter anderem, wie die Wiener Stadtverwaltung das Wissen ihrer Mitarbeitenden erhalten und die interne Kommunikationskultur fördern kann, welche Kompetenzen die Organisation künftig braucht und wie diese sichergestellt werden sollen. Basis zur Ausarbeitung des Fragenkatalogs ist die städtische Drei-Säulen-Strategie «Kundenorientierung, effiziente Aufgabenerledigung und Mitarbeiterorientierung», die zwölf strategische Handlungsfelder umfasst. Beispielsweise den Ausbau von Kooperationen mit privaten Organisationen, die Optimierung der Kommunikation, die Verbesserung interner Prozesse und des Ressourceneinsatzes, die Reduktion interner Schnittstellen oder die Qualifikation der Mitarbeitenden.

«Der Wissens-Selfcheck ist auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten, weil sich die Wissensstrategie unmittelbar aus der Organisationsstrategie ableitet», erklärt Anabela Horta, Referentin Personalorganisation und -entwicklung der Stadt Wien. Bearbeitet werde dieser von den «Wissensteams» in den insgesamt 57 Dienststellen. «Das ermöglicht uns eine Top-down-Vorgabe bei einer gleichzeitig hohen Selbststeuerung der Dienststellen.» Aufgrund der Selfcheck-Ergebnisse entscheiden die Dienststellen selbst, wo sie ansetzen, welche Ziele sie für den Umgang mit Wissen daraus ableiten und was sie aus der Toolbox nutzen.

Wissensaustausch initiieren

Ein Wissensmanagement zu etablieren, ist keine einmalige Sache und erfordert viel Verbindlichkeit. So analysiert das zehnköpfige Team von Marion Häfner-Wittenberger, ihres Zeichens stellvertretende Leiterin der Abteilung Gewerberecht, Datenschutz und Personenstand, anhand des Selfchecks jedes Jahr die Wissenskompetenz ihrer Dienststelle. Die daraus abgeleiteten Massnahmen variieren je nach Ergebnis. «2018 haben wir beispielsweise festgestellt, dass die interne Kommunikation bei den auf zwölf Standorte verteilten Aussenstellen noch nicht reibungslos ablief», sagt Häfner-Wittenberger. Durch den fehlenden Austausch sei viel Wissen verloren gegangen, nicht weitergegeben oder kaum genutzt worden. «Deshalb haben wir einen Business-Talk ins Leben gerufen, eine Veranstaltung, bei der die Mitarbeitenden der verschiedenen Bereiche der Dienststelle für sie wichtige Themen präsentieren können.» Dieser finde dreimal im Jahr statt, eingeladen seien alle Mitarbeitenden.

Um den Austausch zwischen den zwölf Standorten zusätzlich zu fördern, würden weitere Anlässe wie fit@work organisiert, bei denen Mitarbeitende gesundheitsfördernde Massnahmen gemeinsam ausprobieren. Etwa in der Ergonomie und Bewegung. «Das ist nicht nur ihrer Gesundheit dienlich. Mitarbeitende kommen so vermehrt ins Gespräch. Das fördert die Kommunikation, das Verständnis für andere Aufgabenbereiche und somit die Mitarbeiterzufriedenheit», konstatiert Häfner-Wittenberger.

Neben der Vernetzung in der Dienststelle setzt die Abteilung Gewerberecht, Datenschutz und Personenstand auf sogenannte Wissensstafetten. Das bedeutet, protokollierte Übergabegespräche zu führen, wenn Mitarbeitende eine Abteilung oder die Stadtverwaltung verlassen. «Dabei geht es darum, persönliche Erfahrungswerte abzufragen, die eine Person während der Arbeit gemacht hat», sagt die stellvertretende Abteilungsleiterin Marion Häfner-Wittenberger. «Wir möchten herausfinden, welche Ansprechpersonen für die austretenden Mitarbeitenden wichtig waren und was organisatorisch zu beachten war.» Antworten, die der Nachfolge eines Verwaltungsangestellten helfen, sich relativ rasch einzuarbeiten. «Mitarbeitende, die in Pension gehen, schätzen dieses Vorgehen zudem, weil sie nochmals über ihre beruflichen Erfolge und Erfahrungen sprechen und jüngere Mitarbeitende vor Stolpersteinen bewahren können.»

Das übergreifende Wissensnetzwerk

Die Initiative «wien mags wissen» fördert abseits des Austauschs in den Abteilungen die Zusammenarbeit aller 57 Dienststellen. So treffen sich die Vertreter der «Wissensteams» zwei- bis dreimal jährlich in einer «Community of Practice», um Wissensmanagementprojekte und -methoden vorzustellen, Erfahrungen auszutauschen und Wissensinstrumente zu entwickeln. «Diese über alle Dienststellen hinweg reichende Community ist für alle Seiten ein Mehrwert», sagt Horta. Die Botschaft, dass sich der gezielte Umgang mit der Ressource Wissen lohne, ist nun in der Organisation angekommen. «Wir sind einen grossen Schritt in Richtung Wissensarbeit und wissensorientierte Führung gegangen», sagt Martina Schmied. «Mit der ‹wien mags wissen›-Initiative hat sich eine neue Arbeitsweise in der Stadt etabliert und die fach- und organisations­übergreifende Zusammenarbeit hat sich zwischen den Dienststellen deutlich verbessert.»

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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