Motivation

Zu Unternehmern gemachte Mitarbeiter bringen den Arbeitgeber weiter

Materielle Mitarbeiterbeteiligungen sind eine Möglichkeit, ein Wir-Gefühl zu schaffen und Mitarbeiter zu besseren Leistungen zu motivieren. Unternehmen, welche dies praktizieren, sind produktiver und erfolgreicher. Das belegen
Studien. Allerdings sind Mitarbeiterbeteiligungen noch lange nicht für jedes Unternehmen sinnvoll.

Die Gründe für eine finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter sind zahlreich: Im Vordergrund steht oft der Anreiz, die Motivation der Angestellten zu erhöhen und deren unternehmerisches Denken und die Produktivität zu steigern. Mitarbeiterbeteiligungen sind in der Schweiz stark verbreitet. Mehr als 30 Prozent der Unternehmen beteiligen ihre Mitarbeitenden am Unternehmenskapital oder am Unternehmenserfolg, wie eine repräsentative Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz bereits im Jahr 2000 ergab. In den letzten Jahren ist die Anzahl Unternehmen mit Beteiligungssystemen nochmals gestiegen. Die Rechnung scheint für viele Unternehmen aufzugehen: Auch ausländische Untersuchungen belegen, dass Unternehmen mit materiellen Mitarbeiterbeteiligungen erfolgreicher sind.

Was einst ein unkonventionelles 
Mittel war, ist heute traditionell

Ein Pionier im Bereich Mitarbeiterbeteiligung war die Firma Trisa. Bereits im Jahr 1964 beteiligte der Zahnbürstenhersteller die damals 250 Mitarbeitenden am Erfolg. «Firmenchef Ernst Pfenniger hatte mit dem Mut der Verzweiflung entschieden, diesen unkonventionellen Weg zu gehen, um die Motivation der Leute zu steigern», blickt Marco Müller, HR-Leiter von Trisa, zurück. Pfenniger hoffte, dass sich die Belegschaft dadurch stärker mit dem Unternehmen identifiziert und die Leis-tung steigert. Der Plan ging auf: Die Firma, die damals am wirtschaftlichen Abgrund stand, konnte gerettet werden. Acht Jahre später wurden die Mitarbeiter am Kapital beteiligt. Noch heute ist jeder Mitarbeiter Aktionär und erhält beim Eintritt eine Aktie geschenkt: 30 Prozent der Aktien gehören den Mitarbeitenden, 70 Prozent sind im Besitz der Familie Pfenniger. Seit 1973 stellen die Mitarbeitenden mit drei Vertretern auch die Hälfte der Stimmen des Verwaltungsrats.

Heute gilt das Beteiligungssystem von Trisa eher als traditionell, da die Beteiligung an keine individuelle Zielvereinbarung geknüpft ist. Alle Mitarbeitenden erhalten prozentual die gleich hohe Erfolgsbeteiligung. Darüber hinaus gibt es bei erfolgreichem Geschäftsgang eine Jahresschlusszahlung, die in den letzten Jahren bis zu zwei Prozent eines Jahressalärs betragen konnte. Dieser Prozentsatz ist für alle gleich, für die Angestellten an der Verpackungsmaschine wie für die beiden Firmeninhaber, die Brüder Pfenniger, die das Unternehmen in der vierten Generation führen. Marco Müller räumt ein, dass dieses Instrument der Erfolgsbeteiligung möglicherweise bald gewisse Anpassungen erfahren wird, ohne dass die Grundidee dahinter verändert werden soll. «Als nicht börsenkotiertes Unternehmen geht es uns nicht um den kurzfristigen Erfolg, sondern um nachhaltige Unternehmensentwicklung. Die Philosophie der Trisa ist es, unsere Mitarbeitenden zu beteiligen und ihnen Verantwortung zu übergeben», so der HR-Verantwortliche. Bei Anstellungsgesprächen hört Müller oft, dass diese traditionellen Werte heute wieder vermehrt geschätzt werden.

Wie die Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz festhält, sind die befragten Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden am Erfolg oder am Kapital beteiligen, von der Wirkung der Beteiligungsprogramme überzeugt. Sie glauben, dass eine Beteiligung die Mitarbeitenden motiviert und ein ausgeprägteres unternehmerisches Verhalten zur Folge hat. Weiter besagt die Studie, dass bei den Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden auf die eine oder andere Weise am Erfolg beteiligen, der Gewinn und der Umsatz signifikant gewachsen sind und sich zudem die Zahl der Mitarbeitenden erhöht hat. Darüber hinaus sind bei Unternehmen mit Erfolgsbeteiligung auch die Fehlzeiten gesunken. Auch die Unternehmen mit Kapitalbeteiligung berichteten von einem Gewinnwachstum.

Bei KMU sprechen einige Gründe 
gegen Beteiligungssysteme

Beim grössten Fleischverarbeiter der Schweiz, der Bell AG in Basel, haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, jeweils im Januar vergünstigte Aktien zu erwerben, deren Verkauf einer Sperrfrist unterliegt. Bell hat dieses Mitarbeiterbeteiligungsprogramm im Jahr 2002 eingeführt. «Die Hauptgründe dafür waren, den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, sich am langfristigen Erfolg der Unternehmung zusätzlich zu beteiligen und die Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken», erklärt Johannes Meister, Leiter Personal und Ausbildung der Bell AG. Rund zehn Prozent der Belegschaft haben am Programm teilgenommen. «Beobachtungen haben gezeigt, dass bei den Mitarbeitenden, die sich beteiligt haben, die Identifikation mit dem Unternehmen stärker geworden ist», so Meister. Diese Mitarbeitenden seien auch wesentlich interessierter am Geschäftsgang und besser informiert. Am stärksten interessierten sich jeweils die Mitarbeitenden der oberen Führungsebene für das Programm.

«Die meisten börsenkotierten Grossfirmen in der Schweiz haben Beteiligungsmodelle. Ab einer bestimmten Stufe des Managements gehört es dazu, dass die Mitarbeiter partizipieren», sagt Michael Sterchi von der KPMG-Steuerberatung, der sich auf Mitarbeiterbeteiligungen spezialisiert hat. «Es stärkt die Motivation der Mitarbeitenden, wenn die Modelle an Bedingungen geknüpft werden, auf welche sie Einfluss nehmen können.» Je mehr Einfluss ein Mitarbeiter auf die Strategie habe, desto motivierter sei er, seine Ziele und die strategischen Ziele seines Arbeitgebers zu erreichen. Während es in Grossunternehmen bei den Beteiligungen vor allem um attraktive Entlöhnungssysteme geht, sprechen bei KMU einige Gründe gegen Beteiligungssysteme. Michael Sterchi: «Für KMU kann die Abgabe von Aktien an Mitarbeitende schwierig sein, weil dies einen grossen administrativen Aufwand mit sich bringt. Nicht zuletzt, weil komplexe Rechts- und Steuervorschriften eingehalten werden müssen.» Dar-über hinaus könne es für kleinere Unternehmen auch ein erschwerendes Element sein, wenn die Mitarbeiter als Aktionäre über das Stimm- und Dividendenrecht verfügen und die Aktien nicht gehandelt werden können.

«Es ist sicher sinnvoll, das obere Kader finanziell am Unternehmen zu beteiligen, damit es im Sinn der Eigentümer handelt», sagt Thomas M. Schwarb, Professor für HR 
Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Weniger Sinn machen Beteiligungssysteme in einem hierarchisch geführten Betrieb, in dem die meisten Angestellten keinen Einfluss auf die strategische Ausrichtung der Unternehmung haben», so Schwarb. Denn im klassischen Arbeitsverhältnis trage der Unternehmer das Risiko, nicht der Mitarbeiter. Durch Beteiligungssysteme wird dieses klassische Arbeitsverhältnis – Arbeitsleistung gegen Entschädigung – unterlaufen. «In diesem Fall ist es ein unlogischer Schritt, den Mitarbeiter zum Mitunternehmer zu machen.»

Ohne Hintergrundwissen könnte die Beteiligung zu Verärgerung führen

Wer beteiligt werde – mit Aktien oder einer Gewinn- oder Ertragsbeteiligung –, sollte idealerweise ein gewisses Hintergrundwissen mitbringen, wie Thomas Schwarb ausführt. Andernfalls könnten die Beteiligungen bei den Mitarbeitenden für Verärgerung sorgen und sich kontraproduktiv auf deren Motivation auswirken. Beispielsweise wenn die Erfolgsbeteiligung in einem Jahr tiefer ausfällt, könne dies ein einfacher Arbeiter möglicherweise nicht nachvollziehen. Vor allem dann, wenn er die zusätzliche Entschädigung zuvor als selbstverständlichen Lohnbestandteil betrachtet hat. Thomas Schwarb: «Es gibt Unternehmen, die aus diesem Grund die Ertrags- oder Gewinnbeteiligung wieder abgeschafft haben. Es braucht ein tieferes Verständnis als lediglich das Wissen, was eine Aktie ist.»

Eine optimale Auswirkung auf die Motivation hat eine Mischung aus materieller und immaterieller Beteiligung, wie Alexandra 
Arnold vom Lehrstuhl für HR Management an der Universität Zürich betont. «Die Motivation der Arbeitnehmenden wird verstärkt, wenn sie nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg oder am Kapital des Unternehmens beteiligt werden, sondern zusätzlich in die organisatorischen Informations- und Entscheidungsflüsse integriert werden.»

Stichwort Erfolgsbeteiligung

Die Erfolgsbeteiligung wird zusätzlich zum Lohn gewährt und orientiert sich an den wirtschaftlichen Ergebnissen des gesamten Unternehmens oder der Abteilung. Man unterscheidet drei Formen:

  1. 
Bei der Leistungsbeteiligung werden die Mitarbeiter aufgrund ihrer Leistung entschädigt, wenn ein bestimmtes Leistungsziel erreicht wurde.
  2. 
Bei der Ertragsbeteiligung werden nicht nur die Arbeitsleistung oder die Einnahmen, sondern auch die Einflüsse des Marktes auf den Unternehmensertrag berücksichtigt.
  3. 
Die Gewinnbeteiligung erfolgt nur, wenn Gewinn erwirtschaftet wurde. Sie ist die häufigste Form der Erfolgsbeteiligung.

Stichwort Kapitalbeteiligung

Unternehmen können ihre Mitarbeitenden auch in unterschiedlichen Formen am Kapital teilhaben lassen:

  1. 
Die Mitarbeitenden erhalten vollwertige Beteiligungspapiere mit Stimmrecht: zum Beispiel eine Mitarbeiteraktie.
  2. 
Bei indirekten Beteiligungsformen wie Optionen, virtuellen Kapitalanteilen oder Beteiligungsformen verfügen die Mitarbeitenden in der Regel über kein Stimmrecht.
  3. 
Wenig gebräuchlich ist die Beteiligung der Mitarbeiter am Fremdkapital durch ein Darlehen.
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Susanne Wagner ist freie Journalistin.

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