Wenn der Rekrutierungsbedarf akut ist, ist es also eigentlich schon zu spät.» Bei der Arbeitgeberpositionierung gehe es darum, die eigene Identität herauszuarbeiten; da dürfe ein Unternehmen nicht auf Bewerberpräferenzen schielen und versuchen, sich daran anpassen. Dies sei erst in einem späteren Stadium bei der Kommunikation relevant. Erst sei die Frage zu beantworten «Wer sind wir als Arbeitgeber?» und nicht «Wer würden wir denn sein wollen, wenn wir könnten …?», sagt Grubendorfer.
Auch auf ihrer Website zeige die Versicherung keine klare Positionierung als Arbeitgeber. «Da sehen Sie sofort Günther Kaiser ganz oben, doch mit dem unten in der Navigation versteckten Bereich Jobs & Karriere hat das nichts zu tun. Wenn Sie dort weiterklicken, fällt auf, dass es keine eigene Arbeitgeber-positionierung gibt.» Grubendorfer analysiert weiter: «Auf dem Bild ist ein Mann zu sehen, der entspannt zurückgelehnt auf seinem PDA schreibt, darunter steht ‹Wir suchen Offensiv-Talente› – da stimmt die Synchronisation von Bild und Text nicht. Der Text ist insgesamt sehr vertriebsorientiert. Positiv fällt auf, dass ‹Menschen mit Stürmerqualitäten› gesucht werden. Bestimmte Bewerbergruppen könn-ten sich da aber gar nicht angesprochen fühlen. Wenn das so gewollt ist – prima.»
Möchte ich mit denen arbeiten?
Grubendorfer nennt das «kulturelle Filter», die im Rahmen des Employer Branding durchaus bewusst eingesetzt werden sollten. Auch Teamfotos auf der Unternehmenswebsite gehörten in diesen Bereich: «Gut gemacht sind solche Bilder ein wirksames Instrument.» Testimonial-Kampagnen mit realen Mitarbeitenden seien aber schwierig. Grubendorfer erklärt, warum: «Das ist die reale Welt. Da überlegt ein Bewerber dann tatsächlich: Ist mir der oder die sympathisch? Möchte ich mit denen arbeiten?» Daher rate sie ihren Kunden meist davon ab, mit solchen Elementen zu arbeiten. Und sie verweist auf ein Unternehmen, das zwar echte Mitarbeitende für eine Kampagne eingesetzt habe, bei der aber die Bildausschnitte jeweils so definiert wurden, dass die Gesichter nicht zu sehen waren und nur die Körpersprache zum Ausdruck kam.
Dass die Chips-Experten aus der Zweifel-Werbung Schauspieler sind, ist offensichtlich. Ganz bewusst seien die Figuren stark überzeichnet, erklärt Zweifel-CEO Mathias Adank. Er ist sich sicher, dass von den Werbeauftritten der tollpatschigen Figuren in ihren orangeroten Overalls eine positive Imagewirkung ausgeht, sowohl nach aussen für potenzielle Bewerber als auch nach innen für die Belegschaft. Dies obwohl die Arbeitnehmermarke bei diesen TV-Spots nicht im Vordergrund der Überlegungen stand. Zweifel-Marketingdirektor Roger Harlacher: «Ein eigentliches Employer-Branding-Konzept haben wir nicht. Das ist vielmehr in unseren Köpfen und teilweise im Handeln. Unser Leitgedanken ist dabei ‹caring›: Wir kümmern uns um die besten Rohstoffe, um einen möglichst schonenden Produktionsprozess, bei dem auch die Umweltverträglichkeit einen Einfluss hat. Unsere Mitarbeitenden sollen sich als Experten verstehen und auch so handeln.»
Problematische Innenwirkung
Die Auswirkungen der Kampagne auf potenzielle Bewerber und vorhandenes Personal habe man zwar nicht zuvor explizit betrachtet. «Allerdings wussten wir, dass wir mit dieser neuen Kampagne unsere Fähigkeiten besser herausstreichen und dann vielleicht für potenzielle Mitarbeitende noch profilierter sind», argumentiert Harlacher. Eine negative Filterwirkung der Spots hält er für unwahrscheinlich: «Bis dato hat das keinen Einfluss auf unsere Bewerber ausgeübt. Die lassen sich gewiss nicht vom Expertenbild der Werbespots beeinflussen, denn sie können ganz gut abstrahieren, was Werbung ist und was Realität.» Diese Einschätzung teilt auch Christina Grubendorfer: «Solche Kunstfiguren als kreatives Element in der Produktwerbung können von der Zielgruppe der Bewerber klar von ‹echten› Mitarbeitenden differenziert werden. Von daher ist das im Prinzip unbedenklich.» Nicht ganz so klar einzuschätzen sei jedoch die Innenwirkung. «Wenn das Bild zu sehr negativ wird, können sich die vorhandenen Mitarbeitenden verulkt vorkommen.»
Echte Mitarbeitende sind in der Produkt- oder Imagewerbung hier zu Lande eher die Ausnahme. So wie sie beispielsweise in den TV-Spots der UBS zu sehen waren: völlig ausserhalb des beruflichen Umfelds bei ihren privaten Hobbys als Sportler, Historiker oder Cabriofahrer, um damit aber nur die Qualität der Kundenberatung zu unterstreichen («Unsere eigenen Erfahrungen helfen uns zu verstehen, was Sie bewegt», heisst es am Ende der Werbefilme). Klar auf die Arbeitgebermarke orientiert ist dagegen die Printkampagne der Swisscom-Tochter Comit AG, bei der Mitarbeitende des Unternehmens im Bild gezeigt werden. Dazu Kurzaussagen, in denen nicht auf fachliche Qualitäten potenzieller Bewerber, sondern auf deren menschliche Attribute Bezug genommen wird: Etwa «Frohnatur mit Triebkraft erwünscht» oder «Suche Bauchmenschen mit Köpfchen».
Entwickelt wurde diese Kampagne von Eclat, einer Agentur für Markenberatung und Kommunikationsdesign in Erlenbach bei Zürich, die sich unter anderem auf Employer Branding spezialisiert hat. Eclat-Gründer und Geschäftsleiter Daniel Zehntner sieht in der Schweiz allerdings noch viel Nachholbedarf: «Beim Employer Branding sollten die Massnahmen nicht nur auf Rekrutierung ausgerichtet sein, sondern die ganze ‹Erlebniskette› berücksichtigen: Wie erleben die verschiedenen Stakeholder eine Unternehmensmarke?» Wenn es bei der Positionierung gegenüber Kunden und Marbeitenden keine Kongruenz gibt, besteht Handlungsbedarf, erklärt Zehntner. «Bisher war es aber in den meisten Unternehmen so, dass bei der Budgetierung viel für das Marketing eingesetzt wurde, dagegen vergleichsweise wenig fürs Image und so gut wie gar nichts für die Kommunikation nach innen.»
Dass dies nicht nur in der Schweiz so ist, bestätigt Frank Hauser, Leiter des Geschäftsbereichs Human Resources bei der psychonomics AG in Köln und Leiter der Great Place to Work-Institute in Deutschland und Österreich. «Im Einfluss auf das Unternehmensgeschehen steht HR meist zurück gegenüber Produktmarketingaktivitäten.» Doch Hauser ist Optimist: «Der Aufwärtstrend für das Thema Employer Branding verweist darauf, dass sich das ändern wird. Der Faktor Personalkommunikation wird immer mehr zu einer kritischen Grösse in der Unternehmensführung. Daher sollten auch die Marketingleute das Thema ernster nehmen.»
Insbesondere die Kontinuität des Engagements für die Arbeitgebermarke müsse sich beim Grossteil der Unternehmen aber erst noch ausbilden. Das sei aber beim Marketing generell auch nicht anders gewesen: Diese Ideen hätten sich in den 1970er Jahren nach und nach durchgesetzt und auch erst zehn Jahre später einen gewissen Reifegrad erlangt.
Nicht nur eine Frage der Moral
Enorm wichtig ist es nach Ansicht von Hauser, dass im Rahmen des Employer Branding nicht nur Mitarbeitende für Testimonials eingesetzt werden, sondern auch die Führungskräfte Gesicht zeigen. Da sei der Markt die letzte Instanz und zwinge zu Entscheiden: «Entweder der Chef hat die entsprechende Ausstrahlung und Persönlichkeit, um Mitarbeitende zu binden, oder er findet sie nicht.» Selbst die Unternehmensziele seien in bestimmten Fällen dem Employer Branding untergeordnet, beispielsweise in der IT-Branche: Dort suchten viele Unternehmen nicht passende Leute für ihre vorhandenen Produkte, sondern Leute, die mit ihrer Kompetenz und ihrem Spezialwissen in der Lage sind, neue Produkte zu entwickeln, erklärt Hauser.
So stehe etwa der neue Siemens-Chef Peter Löscher mit seiner Erfahrung im Pharma- und Gesundheitsbereich auch für die neue Schwerpunktsetzung des Konzerns: Statt wie bisher auf die Telekommunikation werde nun mehr Gewicht auf den Bereich Medizintechnik gelegt. Hauser ist davon überzeugt: «Der Wettbewerb der Zukunft entscheidet sich auf dem Personalmarkt» – und diese Einstellung sei auch wirtschaftlich lohnend: Schliesslich mache die Mitarbeiterbindung bis zu 30 Prozent des Unternehmenserfolgs aus. «Das ist also nicht nur eine Frage der Moral oder des persönlichen Wertesystems, sondern ein Gebot des professionellen Managements.