Gina Brucker: «Was wäre, wenn wir anstelle starrer Tagesstrukturen die Arbeitszeit komplett neu definieren?»
Drei freie Tage pro Woche – was spricht dagegen? Auf den ersten Blick befürwortet wohl jeder Arbeitnehmende die Idee eines zusätzlichen freien Tags pro Woche. Also weshalb eine Gegenposition einnehmen?
Die Idee der 4-Tage-Woche klingt unbestrittenermassen reizvoll, muss jedoch finanzierbar sein. So schwanken wir bei der Diskussion um die 4-Tage-Woche zwischen verschiedenen Modellen. Einem Modell ohne Lohneinbusse und Mehrarbeit, einem 80-Prozent-Pensum mit Lohneinbusse und einem Modell mit vier Arbeitstagen à je mehr als zehn Arbeitsstunden.
Jedem dieser Modelle haftet ein bitterer Beigeschmack an. Bereits 1973 wurden die Vor- und Nachteile der 4-Tage- Woche von Hans Friedrichs evaluiert. Betrachtet man seine Argumente, so ist die Gesellschaft in dieser Frage seit vierzig Jahren nicht weitergekommen.
Kühn könnte man sagen, dass sich ja eines dieser Modelle bereits etabliert hat: Für Arbeitnehmende, die ein 80-Prozent-Pensum gewählt haben, ist die 4-Tage-Woche bereits Realität. 2015 bezeichnete die NZZ die Schweiz als das Land der Teilzeitarbeit und zeigte auf, dass die Spitzenposition dabei vor allem auf den hohen Anteil an Frauen in Teilzeitarbeit zurückzuführen ist. Auch Firmen sehen positiven Aspekte. So fehlen Teilzeitmitarbeitende weniger, haben eine niedrigere Fluktuation und sind produktiver.
Den Beigeschmack dieses Modells präsentiert eine Studie von Avenir Suisse. Diese deckt eine positive Korrelation zwischen dem Lohnniveau und dem Anteil teilzeitbeschäftigter Personen auf. Und somit sind wir wieder bei der Finanzierbarkeit als Achillesferse der 4-Tage-Woche.
Doch welche Alternativen gibt es? Was wäre, wenn wir anstelle starrer Tagesstrukturen die Arbeitszeit komplett neu definieren? Denken wir ohne Schranken: Wie ein guter Freund von mir, der vor Jahren die Idee einer 10-Tage-Woche ohne Wochenende hatte. Fünf Tage wird gearbeitet, fünf Tage sind frei. Offizielle Wochenenden gibt es nicht mehr und die Wirtschaft kann durchgehend produzieren. Dieses Modell liesse sich für Schichtarbeit genauso wie für den Dienstleistungssektor anwenden. Der Arbeitnehmende kann sich regelmässig erholen und die Wirtschaft kann ihre Anlagen optimal auslasten und so die Effizienz behalten, um die gleichen Löhne bezahlen zu können. Klar, auch dieser Ansatz ist nicht perfekt und würde vermutlich auf noch mehr Widerstand stossen als die 4-Tage-Woche.
Aber das ist auch nicht der springende Punkt. Es ist viel mehr der Appell, neue Lösungsansätze zu finden, um die Symbiose von Arbeit und Freizeit individueller und für alle Beteiligten optimaler zu gestalten, anstatt uns auf das vieldiskutierte Modell der 4-Tage-Woche zu beschränken.