50+: Kommentar

50+: Arbeitsmarkt braucht Visionäre

Wenn ältere Arbeitnehmer aus Kostengründen in die Frühpension verabschiedet werden, ist dem Unternehmen wohl nichts Besseres eingefallen. Ein Unternehmen ohne ältere Arbeitnehmer wird jedoch früher oder später Fachkräftemangel erleiden. Etwa, wenn mehrere Mitarbeitende derselben Generation zeitgleich in Rente gehen. Dies kommt immer häufiger vor.

Führungspersonen, denen es an modernen und sozialkompetenten Visionen mangelt, denken bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer womöglich zu kurzfristig. Dies, obwohl es schon seit langem innovative Arbeitsmodelle gibt, die sich in diesem Zusammenhang bewährt haben und die dem Zeitgeist und den Bedürfnissen der arbeitenden und hinterfragenden Gesellschaft zunehmend Rechnung tragen. So etwa fördern Jobsharing und Teilzeitarbeit sogenannte Bogenkarrieren.

Bei älteren Stellensuchenden setzt die schwierige Arbeitsmarktsituation die Bereitschaft voraus, sich auch auf ein Jobsplitting-Modell mit mindestens zwei verschiedenen Einkommen einzulassen: Sie tun jeweils das, was sie am besten können und zu einem Pensum, das effektiv benötigt wird, wobei die Sinnhaftigkeit einer Arbeit für ältere Mitarbeitende genauso wichtig ist wie das Bedürfnis, Erfahrungen, Know-how und Wissen an Jüngere weiterzugeben und diesen Wissenstransfer zum Vorteil der Unternehmen abzusichern. Bei diesen Arbeitsmodellen erübrigt sich die Kostenfrage, denn Unternehmer setzen flexible und erfahrene Fachkräfte dort ein, wo sie für den Betrieb den meisten Wert erbringen.

Angesichts der drohenden Alterslangzeitarbeitslosigkeit und der resultierenden Altersarmut sind viele Ältere bereit, flexibel zu arbeiten und auf eine veränderte Arbeitsmarktsituation einzugehen. Aber nicht um jeden Preis. Ein solider Lebensstandard muss gewährleistet sein. Das Ziel arbeitsloser älterer Arbeitnehmer hingegen ist, sich schnellstmöglich aus der Abhängigkeit des Sozialstaats zu befreien. Daran müssten aus sozialwirtschaftlichen Gründen jedoch alle ein Interesse haben.

Chancen erkennen

Dringend notwendig ist für die direkt betroffenen älteren Stellensuchenden, dass sie die Chancen, und Möglichkeiten eines sich schnell verändernden Arbeitmarktes auch als solche erkennen. Das setzt voraus, dass Unternehmer in ihrem Betrieb innovative Arbeitsmodelle aktiv implementieren. Als Einstieg eignen sich dafür Projektarbeiten. Die Tendenz, auf solche Arbeitsformen zurückzugreifen, wird weiter zunehmen, da immer mehr Firmen ihr Unternehmerrisiko outsourcen. Das lässt sich kaum vermeiden, weshalb man sich professionell und präventiv auf solche Einflüsse einstellen sollte.

Die Fachrentner von Morgen

Die zentrale gesellschaftliche Aufgabe besteht darin, durch zielgerichtete Schulungen und Fachseminare ältere Stellensuchende, Arbeitnehmer sowie vorausblickende Entscheidungsträger zusammenzubringen und ihnen aufzuzeigen, dass es notwendig und erfolgversprechend ist, sich für neue Teilzeitmodelle zu öffnen und diese aktiv anzubieten. Tatsächlich kann es sein, dass man sich in naher Zukunft in einem Jobsharing-Modell den Arbeitsplatz mit einem Roboter teilt. Diejenigen, die sich bereits heute mit vermeintlich futuristischen Szenarien schwertun, werden es auch in naher Zukunft nicht leichter haben.

Moderne Arbeitsmodelle müssen zudem über die Pensionierung hinaus denken, da den meisten Pensionären das Geld nicht mehr reichen wird, um sich zurückzulehnen. Und sie wollen das auch nicht, weil sie sich noch topfit fühlen und ihnen das Rentnerdasein zu langweilig ist. Auch die Wirtschaft wird vermehrt auf diese erfahrenen Fachkräfte zurückgreifen, weshalb die künftigen Rentner schon heute auf einen flexiblen Übergang vorbereitet werden müssen.

Ein Umdenken muss auf allen Ebenen stattfinden. Niemand kann sich dem Thema 50+ gänzlich entziehen. Kaum ein Arbeitgeber kann es sich leisten, dazu keine Meinung zu haben. Älteren Stellensuchenden muss dagegen bewusst werden, dass der Arbeitsmarkt, wie sie ihn gekannt haben, nicht mehr existiert. Ab 40 Jahren wird man bereits als älterer Arbeitnehmer wahrgenommen. Ab diesem Zeitpunkt müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelmässige Standortbestimmungen einplanen. HR-Verantwortliche sind am meisten gefordert und müssten grösstes Interesse an dieser Entwicklung haben, denn erfahrene Fachkräfte verselbständigen sich zunehmend. Eine kooperative Zusammenarbeit mit Direktbetroffenen ist deshalb sinnvoll. Der Politik bleibt die Aufgabe, Nachteile zu eliminieren, die dieser Entwicklung im Wege stehen.

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Daniel G. Neugart (54) ist Präsident des nationalen Dachverbands SAVE 50Plus Schweiz (Schweizerischer Arbeitnehmer- und Arbeitslosenverband 50Plus) und setzt sich als Lobbyist in Politik und Wirtschaft für ältere Arbeitslose ein und treibt die Förderung alternativer arbeitsmarktlicher Massnahmen voran. Neugart ist zudem Referent, Autor und Ausbildner im 50Plus-Arbeitsmarkt. www.save50plus.ch

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