Aktiv werden
Echte Gleichberechtigung und Gleichbehandlung werden sich nicht von selbst einstellen – interessanterweise tun das die wenigsten Angelegenheiten. Gesellschaften und Organisationen werden dies aktiv und wahrhaftig angehen müssen.
Mini-Serie: Gender Diversity. (Bild: HR Today/iStock)
Der Umgang mit dem Frauenanteil in Organisationen war bislang eher von Lethargie geprägt. Das Thema wurde als nicht sonderlich geschäftskritisch betrachtet und bekam – wenn es tatsächlich auf die Agenda gelangte – eher niedrige Priorität. Dem hat der Bundesrat anfangs 2021 nun einen Riegel vorgeschoben. Selbst wenn die Frauenquote nur für Aktiengesellschaften gilt, werden auch andere Organisationen nachziehen. Gerade in Zeiten des War for Talents müssen sie sonst damit rechnen, bei weiblichem Zuwachs das Nachsehen zu haben. Das ist jedoch nur der aktuelle Auslöser. Denn der gesellschaftliche Druck wächst, männlich dominierte Macht- und Hierarchiestrukturen aufzulösen und Frauen den Raum zu geben, auf den sie auch ohne bundesrätliche Weisung einen Anspruch haben.
Organisational Change
Soll es nun losgehen, müssen zwei Seiten aktiv werden. Zum einen die Organisationen selbst. Personalentwicklungsprogramme wie «Power-Frauen an die Front» werden jedoch nicht reichen. Sollen Frauen in obersten Managementebenen Einsitz nehmen, so werden jene, die diese bisher vor allem durch ihre Spielregeln prägen, an sich arbeiten müssen. Spiegelfechtereien und Hahnenkampfgehabe zählen nicht zum weiblichen Vorgehen bei der Verwaltung oder Entwicklung von Organisationen.
Dr. Fabienne E. Meier ist Partnerin beim Unternehmensberater Knight Gianella, Mutter von zwei Kindern und im Executive Search tätig. Im Rahmen ihrer Beratungsmandate hat sie das Gender-Thema fest auf dem Schirm. Ihre Sicht auf die obersten Führungsgremien ist, dass «Gender Diversity von denjenigen Verwaltungsräten und CEOs vorangetrieben wird, welche aus eigener Erfahrung den Nutzen erlebt haben. Dabei gewichten sie die ergänzenden Kompetenzen der weiblichen Führungskräfte stärker als die eigentliche Frauenquote. Sie schätzen den Austausch, die Innovation und die Wettbewerbsfähigkeit. Viele männliche Führungskräfte, die nur in männergeprägten Gremien arbeiten, haben diese Erfahrung noch nicht gemacht und müssen lernen, mit den weiblichen Kolleginnen umzugehen. Es liegt jetzt an beiden Geschlechtern, Vorurteile bezüglich Rollenmodellen abzulegen, in einen konstruktiven Dialog zu gehen und in einem Team inhärente Konflikte zu vermeiden. Frauen steigen nämlich mittelfristig selbst aus Gremien aus, wenn sie sich nicht optimal einbringen bzw. integrieren können, ihnen offensichtliche Dinge erklärt werden und Hahnenkämpfe ausgetragen werden».
Doch auch die organisatorischen Rahmenbedingungen müssen ändern. Karriere ist heute nur schwer mit Familie vereinbar und viele Mütter sind nicht bereit, dieses Opfer zu bringen. Fabienne Meier dazu: «70 Prozent der bestqualifizierten Frauen haben Kinder. Die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf ist zentral und es braucht hochqualifizierte Teilzeitstellen mit Visibilität und wenig Administration sowie familienkompatible Arbeitsmodelle. Es sind neue Karriereformen notwendig, damit Mütter ihre Pläne nicht ohne ihre Arbeitgeber machen. Noch wichtiger ist, dass diese Frauen die Lust an der Arbeit behalten. Sonst steigen sie schnell aus dem Arbeitsleben aus und es wird für sie sehr schwierig, später auf hohem Niveau wieder einzusteigen. Der Wirtschaft gehen dadurch wertvolle Ressourcen verloren. Was bleibt sind verpasste Chancen und Frust auf allen Seiten.»
Zusammenfassend gilt es also, familienfreundliche Karrierepfade für Frauen und Männer zu gestalten, das Verlernen alter Rollenmuster und das Verhandeln neuer Zusammenarbeitsformen zu ermöglichen und die Rahmenbedingungen zu entwickeln, in denen sich Gleichberechtigung und Augenhöhe etablieren können.
Um starten zu können, braucht es zunächst aber nur eines: echten Willen.