Alles andere als steif
Kollaborative Eventformate erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Der Anlass der Zukunft besteht nicht mehr aus einem Keynote-Speaker, der seine Zuhörer einseitig informiert, vielmehr suchen die Teilnehmer gemeinsam nach neuen Ideen und Lösungen. Vier aktuelle Beispiele verdeutlichen diesen Trend.
Vergangenen September fand zum dritten Mal der «24thinkpark» statt. (Bild: zVg)
Der 24thinkpark
Im September war es wieder soweit: Bereits zum dritten Mal fand der 24thinkpark im Arche Brockenhaus in Zürich statt. 100 Teilnehmer diskutierten 24 Stunden lang hierarchiefrei, interdisziplinär und ohne Referenten zum Thema «Agilität: Was bewegt Mensch und Organisation?». Jeder – Anwälte, Pfarrer, Studenten, Personaler oder Architekten – kann einen 60-minütigen Workshop lancieren. Wenn er genügend Interessierte findet, wird er in einer der acht Diskussionsinseln durchgeführt.
Erfunden hat das Format des 24thinkpark Christoph Jordi, CEO der Beratungsfirma Do Different. Er hat dazu einfach zwei Konzepte kombiniert: Das 24-Stunden-Konzept kommt aus dem IT-Bereich, von Hackathons. Hacker und Programmierer haben 24 Stunden lang Zeit, im Wettbewerbsformat etwas zu entwickeln. Das zweite Vorbild ist die aus den 1980er-Jahren stammende Open-Space-Methode: Es gibt keine Referenten und keine Agenda. Barcamps und Unconferences lehnen sich ebenfalls an dieses Format an.
Für die Konferenz haben Jordi und sein Team eigens eine App entwickelt. Sie funktioniert als Agenda und Buchungstool für die einzelnen Diskussionsinseln. Zudem können die Teilnehmer alle Resultate abrufen und sich miteinander vernetzen. Das Format eignet sich für Innovationen, für die Ideenfindung oder zum Start eines Strategieprozesses und ist deshalb auch für Unternehmen geeignet. Wichtig dabei: Jeder Input ist gleich viel wert, egal ob er von der Putzfrau oder vom CEO kommt.
Christoph Jordi
Christoph Jordi ist Gründer des Eventformats 24thinkpark.
Das HR Barcamp
Innert fünf Tagen waren die 80 Tickets für das erste HR Barcamp in der Schweiz im Restaurant «Karl der Grosse» mitten in Zürich ausverkauft. Keine fixen Inhalte, keine Referenten, keine Vorträge, alle sind per Du und es herrscht eine lockere Atmosphäre: Das macht ein Barcamp aus. Wie beim 24thinkpark kann jeder ein Thema vorschlagen. In Parallelsessionen in verschiedenen Räumen werden dann die Themen diskutiert, für die sich am meisten Leute interessierten. Ziel der Veranstaltung ist es, sich über Trends und Erfahrungen im HR auszutauschen. Gegenseitiges Kennenlernen, Netzwerken und Spass haben stehen ebenfalls im Vordergrund. «Man muss nur eine geeignete Lokalität finden, den Inhalt bestimmen die Teilnehmer selber», erläutert Jennifer Delorme, Präsidentin des Vereins für innovative Personalarbeit, der das HR Barcamp organisiert.
Nicht geeignet sei das Format für Dienstleister, die etwas verkaufen wollen, und für Leute, die sich nicht aktiv einbringen. «Wer nicht mitmacht, hat nämlich wenig vom Barcamp», sagt Jennifer Delorme. Es gibt keinen Vortragenden, sondern alle diskutieren gemeinsam.
Das Format eignet sich durchaus auch für Firmen, etwa im Anfangsstudium eines Projekts für die Ideenfindungsphase. Voraussetzung – und grösste Herausforderung – ist es, einen Ort mit vielen verschiedenen Räumen zu finden, die nicht zu gross, aber auch nicht zu klein sind. Nötig ist auch eine gewisse Infrastruktur wie Stühle, Tische, Whiteboard und Verpflegungsmöglichkeiten.
Jennifer Delorme
Jennifer Delorme ist Präsidentin des HR Barcamps.
Der HR Hackathon
Der erste HR Hackathon fand dieses Jahr im Mai in Berlin statt. Hackathons stammen aus den Reihen der Software-Entwickler, die sich treffen, um gemeinsam Lösungen für bestimmte technische Problemstellungen zu entwickeln. Beim HR Hackathon entwickelten Personalverantwortliche und Programmierer gemeinsam brauchbare HR-Software. Co-Organisatorin Eva Zils hat also Entwickler und Anwender zusammengebracht, um zu sehen, welche neuen Produkte daraus entstehen. Der Event dauerte 48 Stunden. «Unter Hochdruck und mit viel Leidenschaft wurden Projekte gestemmt, die unter normalen Arbeitsbedingungen kaum entstanden wären», sagt Eva Zils. «Man teilt Erfahrungen, gibt sich Tipps und hilft sich gegenseitig.»
Hackathons lassen sich auch in Unternehmen durchführen. Alle arbeiten zusammen und lernen Mitarbeitende aus anderen Abteilungen kennen. Zudem werden die Mitarbeitenden befähigt, ihre Ideen zu verwirklichen, dafür Verantwortung zu übernehmen und ein eigenständiges Projekt zu leiten. Da ein Hackathon von den Mitarbeitenden meist positiv wahrgenommen wird, hilft der Anlass etwa in Sachen Employer Branding und als Mitarbeiter-Empfehlungsprogramm. Die Projektteams schaffen konkrete, innovative Produkte, Fragestellungen werden in neuem Licht gesehen. Innovationen und neue Produkte entstehen, noch dazu kostengünstig, weil sie ja intern entwickelt werden. Eine Firma kann auch einen Hackathon organisieren, um Talente zu finden. Der Anlass ist auch fürs Onboarding geeignet – so lernt der Neue schnell alle kennen.
Eva Zils
Eva Zils ist Co-Organisatorin des Eventformats HR Hackathon.
Das Meeting Lab Europe
Mit dem Thema «Eventformate» befasst sich das Meeting Lab Europe (MLE). Entstanden ist das MLE aus dem MICE Lab. In der Weiterbildungs-Veranstaltung Meeting Lab Europe sollen die Teilnehmer befähigt werden, Events anders zu gestalten, neue Lösungen zu entwickeln und gemeinsam mit den anderen Teilnehmern nach Ideen und Lösungen zu suchen. Das erste Meeting Lab Europe fand im Juni 2015 im deutschen Singen mit 100 Teilnehmern während drei Tagen statt. Verfolgt wird ein interdisziplinärer Ansatz: Am Meeting Lab haben nicht nur MICE-Experten, sondern auch Soziologen, Journalisten, Spiele-Entwickler oder IT-Experten teilgenommen und über Eventformate der Zukunft diskutiert.
Wie das Eventformat der Zukunft aussehe, dafür gebe es keine Patentlösung, erklärt Florian Kern, Leiter der St. Gallen-Bodensee Convention und Co-Organisator des Meeting Lab Europe. Es müsse aber mehr Rücksicht darauf genommen werden, wie Menschen lernten, wie sie in Gruppen funktionierten und welche Art von Wissensvermittlung ihnen zusage.
Beim Meeting Lab Europe ist jeder Teilnehmer gefordert. So wurden sie etwa in Zweier- und Dreiergruppen in den nahen Park geschickt, um in «Gehsprächen» mögliche Ansätze und Formate zu diskutieren. Die Meeting Labs Europe sollen künftig mehrmals pro Jahr in der ganzen Bodenseeregion stattfinden und neue Formen des Lehrens und Lernens entwickeln.
Florian Kern
Florian Kern ist Co-Organisator des Meeting Lab Europe.