HR Today Nr. 1&2/2017: Arbeit & Wohnen

Arbeiten, wo man wohnt

Besonders in Grossstädten wie Zürich wird Wohnraum zunehmend knapp und teuer. Das erweist sich bei der Rekrutierung von Fachkräften immer mehr als Hindernis. Betriebswohnungen bieten Lösungsansätze. Ein Gemüsebaubetrieb, ein Hotel sowie ein Spitalbetreiber über ihre betriebliche Wohnungsstrategie.

«Die Wohnungssuche in Zürich nimmt zu viel Zeit in Anspruch», sagt Kathrin Kast, HR-Leiterin des Hotel Baur au Lac in Zürich. So habe eine Mitarbeiterin vier Monate gebraucht, bis sie eine bezahlbare und annehmbare Wohnung gefunden habe. Eine zu lange Suchzeit für Angestellte, die meist nur ein halbes Jahr vor Ort sind. Etwa jene Mitarbeitenden, die als Aushilfe angestellt werden, um den Gästeandrang in den Sommermonaten auf der Terrasse zu bewältigen, Lernende und Praktikanten, die Gastronomieerfahrung sammeln, oder Mitarbeitende, die vom Ausland anreisen.

Aus ähnlichen Gründen bietet das Universitätsspital seinen Mitarbeitenden Betriebswohnungen an, denn auch für die Leiterin Personalgewinnung Monika Plüss erweist sich die angespannte Wohnungslage in Zürich zunehmend als Hindernis bei der Rekrutierung. Stephan Müller, Geschäftsführer und Inhaber der Bioland Agrarprodukte AG, bereiten hingegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten im Grossraum Zürich Sorge, denn mit einem Mindestlohn von gerade 3450 Franken könnten sich seine Mitarbeitenden in der Umgebung von Steinmaur kaum eine Wohnung leisten.

Firmenwohnungen an bester Lage

Betriebswohnungen haben beim Hotel Baur au Lac in Zürich eine lange Tradition. Seit beinahe 170 Jahren vermietet das Edelhotel seinen Mitarbeitenden eigene Zimmer und Studios. Über 70 sind es heute, die sich alle an bester Lage befinden: etwa am Bürkliplatz, im Seefeld oder beim Bahnhof Enge. Stephan Müller hat in Obersteinmaur für seine langjährigen, meist aus Osteuropa stammenden Mitarbeitenden Wohnraum mit 30 Wohneinheiten in drei Einfamilienhäusern geschaffen. Diese befinden sich etwa zwei Kilometer vom Hof entfernt, wo Gemüse angepflanzt und geerntet wird.

Noch grössere Wohneinheiten bietet das Universitätsspital Zürich mit zwölf Wohnhäusern und 500 Wohnungen sowie Studios in unmittelbarer Gehdistanz.

Employer-Branding-Faktor

Die Wohnraumsituation rund um Zürich machen die bis zu einem Drittel vergünstigten Betriebswohnungen zu einem gewichtigen Argument in der Rekrutierung, sind sich Kathrin Kast, Stephan Müller und Monika Plüss einig. Ein Angebot, das die Arbeitnehmenden zu schätzen wissen und nicht ausschlagen: So führt das Baur au Lac eine mehrmonatige Warteliste für Festangestellte und auch Stephan Müllers Betriebswohnungen sind derzeit alle belegt.

Nebst nichtmonetären Anreizen für Arbeitnehmende haben Betriebswohnungen weitere Funktionen: «Mitarbeitende können sich in ihr Arbeitsgebiet einarbeiten und sind nicht mit der Wohnungssuche beschäftigt», sagt Monika Plüss, während für Kathrin Kast die Baur-au-Lac-eigenen Wohnungen eine erste Anlaufsta­tion für Fachkräfte sind und dazu beitragen, diese fristgerecht anstellen zu können. Im Gegensatz dazu bilden betrieblich subventionierte Wohnungen für Stephan Müller die Voraussetzung dazu, überhaupt rekrutieren zu können: «Ohne Betriebswohnungen wären viele meiner Angestellten nicht hierher gekommen.»

«Der Chef ist immer irgendwie da», umschreibt Stephan Müller einen der möglichen Nachteile seiner Wohnlösung: «Wenn ich in den technischen Raum gehe, begegne ich den Mitarbeitenden hin und wieder auch nach Feier­abend.» Nicht nur die eingeschränkte Privatsphäre der Mitarbeitenden bereitet manchmal Schwierigkeiten, auch die Durchmischung verschiedener Kulturen ist nicht immer einfach. «Einige muss man etagenweise voneinander trennen.» Der Wartungsaufwand von Betriebswohnungen sei zudem generell sehr hoch, sagen Müller und Kast übereinstimmend, denn nicht immer behandeln die Mitarbeitenden die Wohnungseinrichtung mit der nötigen Sorgfalt – etwa, wenn sie im Gemüsebau mit erdigen Gummistiefeln durch die Korridore gehen oder in den Zimmern rauchen, weshalb die Wände häufiger gestrichen werden müssten.

Arbeiten in der Region

Die Nähe zum Arbeitsplatz ist für die Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen zentral. Im Baur au Lac und im Universitätsspital Zürich etwa, weil die  Mitarbeitenden beinahe «rund um die Uhr» arbeiten. Im Gastronomiebetrieb seien viele Mitarbeitende in «geteilten Schichten» tätig, die durch eine lange Mittagspause unterbrochen werde. Diese diene zur Erholung, weshalb sich die Zimmer in der Nähe des Arbeitsplatzes befinden müssten. Im Gemüsebau gibt es zwar keinen entsprechenden Rund-um-die-Uhr-Schichtbetrieb oder geteilte Schichten, mit einem Arbeitsbeginn ab sechs Uhr morgens und 15-Stunden-Tagen können jedoch auch Stephan Müllers Mitarbeitende nicht aus der Agglomeration anreisen, wo der Wohnraum zwar günstiger ist, aber lange Anfahrtswege beinhaltet. «Der Bedarf an Betriebswohnungen war in der Hotellerie schon immer gross und wird sich künftig nicht massgeblich verändern», lautet die Prognose von Kathrin Kast.

Steigender Bedarf

Einen steigenden Bedarf nach Betriebswohnungen ortet hingegen Monika Plüss im Gesundheitswesen, «wo Pflegefachkräfte und Ärzte zunehmend im nahen Ausland rekrutiert werden», während Gemüsebauer Stephan Müller bei steigendem Automatisierungsgrad in der Landwirtschaft künftig von einem sinkenden Bedarf nach Betriebswohnungen ausgeht. Den nicht mehr benötigten Wohnraum werde er dann vermehrt extern vermieten.

1898

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Die ersten Arbeiterhäuser der BBC entstanden 1898 als Wohnsiedlung «Dynamoheim» auf der grünen Wiese an der Seminarstrasse in Wettingen. Sie verfügten über keine Badezimmer. Die Wasch­gelegenheiten befanden sich im Keller.

1906

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Die sogenannten Beamtenwohnhäuser an der Burghalde in Baden lagen in unmittelbarer Nähe zu einer Fabrikantenvilla. Die Mehrfamilien­häuser mit grosszügigen Grundrissen waren für Angestellte vorgesehen und entstanden zwischen 1906 und 1912.

1914

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Die Häuser an Brugger- und BBC-Strasse in Baden waren die ersten Wohnbauten, die unmittelbar neben dem Fabrikareal der BBC entstanden, wobei einzelne Wohnungen für Angehörige der Betriebsfeuerwehr reserviert waren. Die Häuser entstanden vor dem Ersten Weltkrieg.

1950

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Die dritte Bauetappe der Wohnsiedlung «Dynamoheim» und die Überbauung Lindenhof in Wettingen waren die Antwort der BBC auf das rasante Unternehmenswachstum nach 1945. Die ersten Blocks im damals traditionellen Zeilenbau wurden noch vor 1950 bezogen.

1960

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Mit dem starken Zustrom an Gastarbeitern musste die BBC rasch Wohnraum beschaffen. Sie erstellte hierzu in einem Aussenquartier von Baden einfache Wohnbaracken. Diese wurden erst ab den 1960-Jahren nach und nach durch neue Wohnbauten ersetzt.

1962

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Die Wohnsiedlung in den Wyden bei Birr lag unmittelbar neben der neuen Fabrikationshalle. Sie umfasste über 600 Wohnungen und war 1962 bezugsbereit. Die Überbauung wurde an der Expo 64 in Lausanne vorgestellt und war Teil eines Stadtentwicklungsprojekts.

Bilder ABB, Text Bruno Meier, Verlag Hier + Jetzt

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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