Man habe einfach zu wenig Unterscheidungen zwischen einer Festanstellung und einem IV-Trainingsarbeitsplatz gemacht: «Das sind heute aber zwei Paar Schuhe», erklärt Schreiber. Vielmehr gelte es, den Betroffenen die Arbeitsplatzgestaltung und den Arbeitsinhalt näherzubringen, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zu ermutigen, die nächsten beruflichen Integrationsschritte zu machen. Dabei gelte es auch herauszufinden, welche Ängste sie mit sich herumtragen und welche speziellen Bedürfnisse sie haben. «Wichtig ist aber, dass sich die Betroffenen überhaupt getrauen, hierher zu kommen», führt Schreiber aus.
Bei der Reintegration sei ein schrittweises Vorgehen angezeigt: «Meist haben die Betroffenen bei der IV ein Arbeitsprogramm in einer Lernfirma hinter sich. Zudem wurde im Vorfeld bereits abgeklärt, ob ihre Fähigkeiten, ihre Ausbildungen und ihr Verhalten zu unseren Jobprofilen passen», erklärt Jacqueline Schreiber das Prozedere. «Das ist eine wichtige Vorarbeit der IV, denn sie verhindern vorzeitige Programmabbrüche.» Sind das Kennenlerngespräch und der Schnuppertag erfolgreich verlaufen, beginnt das IV-Arbeitstraining meist mit einem 50-Prozent-Pensum, das langsam gesteigert wird, während der Betroffene scheinbar selbstverständliche Dinge wieder erlernt: pünktlich zu sein, Fehltage zu vermeiden, soziale Kontakte zu pflegen oder einfach durchzubeissen, wenn es mal gerade nicht rund läuft.
Auch wenn sich jemand in einem befristeten IV-Training befinde, habe er oder sie dieselben Rechte wie alle anderen Angestellten. «Wir legen grossen Wert darauf, diese Person in den Teamalltag zu integrieren und sie auch ausserhalb der Arbeit in den Pausen zu begleiten.» Das Zwischenmenschliche dürfe im Arbeitstraining nicht unterschätzt werden, betonen Walliser und Schreiber. Stimme das Drumherum, sei der Erfolg der Integration naheliegend. Dabei sei die Zusammenarbeit mit den HR-Businesspartnern sehr wertvoll, «um ein geeignetes Arbeitsumfeld zu schaffen, denn diese kennen die Teamsituationen und die verschieden Arbeitsbereiche.» Stehe beispielsweise gerade eine Restrukturierung an, sei das für IV-Arbeitstrainingsabsolventen nicht unbedingt förderlich.
Keine Schonarbeitsplätze
Von «reinen Schonarbeitsplätzen» wollen Schreiber und Walliser im Zusammenhang mit der IV-Integration nicht reden: «Unsere Aufgabe ist es, den Betroffenen die Realität zu spiegeln und den Teilnehmenden aufzuzeigen, wie ihre Leistung und ihr Verhalten auf uns wirken und wie wir in einem ‹normalen› Arbeitsverhältnis reagieren würden. Beispielsweise, indem wir die Probezeit verlängern oder sogar eine Kündigung aussprechen würden.»
Meist endet das üblicherweise von der IV finanzierte Arbeitstrainingsprogramm nach drei, sechs oder in Ausnahmefällen zwölf Monaten. Manchmal auch ziemlich abrupt, wenn das Programm trotz aller Hilfestellungen nicht zum Ziel führt: «Wenn das IV-Programm zu Ende geht, macht uns das gelegentlich schon Bauchweh, denn haben die Teilnehmenden bis dann keine Festanstellung, sind sie oft sich selbst überlassen», sagt Jacqueline Schreiber. «Entweder findet der Betroffene dann selbst eine temporäre Arbeit oder er meldet sich bei seinem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) an.» Eine schwierige Prüfung für die Betroffenen, sich selbständig zu bewerben und bei Misserfolgen nicht wieder in ein Tief zu fallen. «Bei Bedarf ziehen wir über das Case Management von der IV finanzierte Job-Coaches bei, klären interne temporäre Möglichkeiten und Festanstellungen ab oder aktivieren unsere Netzwerke, um tragfähige Anschlusslösungen zu schaffen», führt Jacqueline Schreiber aus. Aussagen, die wohl auch die beiden IV-Trainingsabsolventen Birgitta Körn und Raid Kasshout nur unterstreichen können.