Datenverzerrung bei der Auswertung von Kennzahlen ausschliessen
Eine der wichtigsten aus dieser Datenflut abgeleiteten Kennzahlen ist für Urban Studer jene der «Fehltage pro Vollzeitstelle», die je nach Bereich sogar in den Jahreszielen der Führungskräfte verankert ist, wobei die Zielhöhenbestimmung differenziert erfolgt, denn «Büroangestellte haben ein deutlich niedrigeres Gesundheitsrisiko als etwa Gleisarbeiter, die bei Wind und Wetter körperliche Schwerarbeit verrichten», erklärt Studer. Die Zielhöhe variiere dabei nicht nur von Bereich zu Bereich, sondern unterscheide sich oft sogar von Team zu Team. Neben den «Fehltagen pro Vollzeitstelle» stehen auf Urban Studers Radar aber auch die Kostenentwicklung im Zusammenhang mit Langzeitausfällen und die aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig aufgelösten Arbeitsverhältnisse.
Was für die Zielfestsetzung gilt, hat bei der Datenauswertung erst recht seine Gültigkeit, denn Daten sind differenziert zu interpretieren und es müssen die Faktoren im Auge behalten werden, welche die Kennzahlen möglicherweise verzerren: von der Alters- oder Geschlechterverteilung über Reorganisationen bis hin zu Grippewellen oder der Anpassung von IT-Systemen.
Aus Zielabweichungen die richtigen Schlüsse ziehen
Weicht eine Kennzahl von den Vorgaben ab, so greifen bei der SBB verschiedene Mechanismen. Verfehlt ein Vorgesetzter das vereinbarte Fehltageziel, hat dies dieselben Konsequenzen wie die Nichterreichung irgend eines anderen individuellen Jahresziels. Geschäftsbereiche, die ihre Zielwerte nicht oder nur knapp erreichen und auch bei anderen gesundheitsrelevanten Kennzahlen in einem kritischen Bereich liegen, werden von sogenannten «Steuergruppen zur Arbeit und zur Gesundheit» bei der Zielkorrektur unterstützt: Dabei führt das Gesundheitsmanagement zusammen mit den Bereichsleitern datengestützte Analysen durch, erarbeitet zusammen mit diesen konkrete Massnahmen zur Arbeitsgestaltung sowie zur Führungskräfte- und Mitarbeiterbefähigung und steuert die Umsetzung dieser Massnahmen. Doch wie zieht man aus Abweichungen die richtigen Schlüsse und ermittelt die zugrunde liegenden Ursachen?
Urban Studer schöpft aus dem Vollen: Quervergleiche innerhalb des gleichen Geschäftsbereichs, zwischen verschiedenen Berufs- und Altersgruppen sowie Regionen. Dabei versuchen er und sein Team, Muster in der Arbeitsbelastung und in den Arbeitsressourcen herauszukristallisieren. Seien die Fehltage zum Beispiel im Verkaufsteam A viel höher als im Team B, müsse man weitere Ursachenforschung betreiben: Sind im Verkaufsteam A zu wenig Ressourcen vorhanden? Wie sieht die Altersverteilung aus? Muss die Arbeitsorganisation angepasst werden? Liegt es an der Führungskraft? Oder gar an der Veränderung des Berufsbildes? So hätten im Verkauf verschiedenste Reorganisationen stattgefunden und der technische Wandel habe zu einer Automatisierung geführt, was die Zahl der Verkaufsstellen verringert habe.
Alles Faktoren, die eine Auswirkung auf die Absenzquoten haben. Die Ursachen finde man am besten heraus, «indem man mit den Leuten auf der Basis des BGM-Modells redet», meint Studer. «Um die Situation zu verbessern, kann man grundsätzlich immer sofort reaktiv ins Case Management investieren, kurzfristig die Qualität des Präsenzmanagements steigern oder mittel- bis langfristig an zwei Schrauben drehen: die Arbeitsgestaltung verbessern oder die Kompetenzen steigern.» Die positiven Auswirkungen dieser ständigen Verbesserungen lassen sich durchaus sehen: So hat die SBB laut Nachhaltigkeitsbericht 2014 allein im Berichtsjahr rund 40 Millionen Franken Kosten in Folge von Krankheit und Unfall verhindert.