Beständigkeit und Wandel
Jede Generation hat ihre Bezeichnung: Y, Z, Babyboomer. Wer über diese Schubladisierung hinausschaut, stellt fest, dass alle Generationen – wenn clever vereint – vor allem eines können: voneinander profitieren.
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«Generationenmanagement beginnt mit dem Bewusstsein, welche Bedürfnisse unterschiedliche Altersgruppen einer Belegschaft haben, was deren Stärken sind und wie das Unternehmen diese zusammenführen und nutzen will», sagt Sibylle Scheiwiller, Operations Director und Karriereberaterin bei von Rundstedt. Es gehe aber auch um den Abbau von Ängsten und Vorurteilen der Beteiligten. «Insbesondere ältere Mitarbeitende müssen erfahren, dass sie nach einem Wissenstransfer nicht durch Jüngere ersetzt werden.» Gegenseitige Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe seien wichtige Schlagwörter: «Jüngere sind mit der Digitalisierung aufgewachsen und fühlen sich vom Klimawandel betroffen. Deshalb stellen sie bestehende Strukturen eher in Frage und überprüfen diese auf Sinnhaftigkeit», erläutert Scheiwiller. «Ältere haben dagegen langjährige Berufserfahrung und bevorzugen klare Strukturen und Vorgaben.» Zusammengebracht ergäben sich im besten Fall ein ausgewogener Mix zwischen Beständigkeit und Wandel sowie ein sicherer Umgang mit Wissen in Kombination mit neuen Technologien.
Die generationenübergreifende Zusammenarbeit lasse sich in der Linie oder in einem Projekt nutzen und funktioniere im Tandem (1:1) ebenso wie in einer Gruppe, so Scheiwiller. «Idealerweise erfolgt die Zusammenarbeit über eine längere Zeit, um den Wissenstransfer sicherzustellen und frischen Wind einzubringen.» Die Gruppierung sei nach Wissen oder Alter auszuwählen: «So können Erfahrene gemeinsam mit unerfahrenen, älteren und jüngeren Mitarbeitenden zusammenarbeiten. Alle profitieren voneinander.»
Vor der Implementierung eines umfassenden Generationenmanagements lohne es sich zudem, die Bedürfnisse des Betriebs zu analysieren, sagt Sibylle Scheiwiller. Das beinhalte Fragen wie: In welcher Marktsituation mit welcher Kundenstruktur und welchem Aufgabenfeld befindet sich das Unternehmen? Wie ist die Altersstruktur heute und wie soll sie sich entwickeln? Welche Bedeutung hat das Erfahrungswissen älterer Mitarbeitender und welche das (digitale) Wissen der jüngeren Generationen? Wie viel Zusammenarbeit ist an welcher Stelle gewollt oder notwendig? «Auch der angestrebte Anteil der Personal- an den Gesamtkosten spielt eine Rolle, da langjährige Mitarbeitende meist am oberen Ende des Lohnbandes stehen», sagt die Karriereberaterin.
Generationenmanagement bei der Stadt Zürich
«Generationendurchmischte Organisationen sind erfolgreicher.» Mit diesen vielversprechenden Worten beginnt ein YouTube-Kurzfilm der Stadt Zürich. «Der Erfolg stellt sich aber nicht von alleine ein, sondern es braucht eine bewusste und aktive Gestaltung und Führung», sagt die Stimme im Video. Der demografische Wandel erfordert auch bei der Stadt Zürich mit 28 000 Mitarbeitenden aus vier Generationen ein Generationenmanagement. «40 Prozent unserer Mitarbeitenden werden in den nächsten 15 Jahren pensioniert», sagt Viviane Peter, Leiterin Direktionsstab HRM Stadt Zürich. «Deshalb ist die Berücksichtigung aller Generationen und die Nutzung der Vielfalt des Arbeitsmarkts von zentraler Bedeutung.» Damit es nicht beim Lippenbekenntnis bleibe, gäbe es stadtweite Angebote und Massnahmen in den einzelnen Dienstabteilungen.
Die Stadt Zürich fördert die Generationenvielfalt mit über 1300 Lehrstellen sowie Praktika und nutzt flexible Arbeitsmodelle zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch für ältere Mitarbeitende hat die Stadt Angebote entwickelt: «Beispielsweise Teilpensionierungen, eine Überbrückungsrente bei vorzeitigem Altersrücktritt und Pilotversuche bei der Beschäftigung über das ordentliche Pensionierungsalter hinaus», erklärt Peter. «Ausserdem profitieren städtische Mitarbeitende von einem breiten Weiterbildungsangebot – auch zur Generationenthematik. Die Dienstabteilungen setzen zudem teilweise individuelle Massnahmen ein, wie ‹Reverse Monitoring› oder einen ‹Seitenwechsel›.»
Triple-Win
Gelebte Vielfalt wie bei der Stadt Zürich ist in der Arbeitswelt nicht die Norm. Das zeigt eine umfangreiche Studie der Hochschule Luzern HSLU 2019: Schweizer Unternehmen erachten das Generationenmanagement zwar als wichtig, doch mit der Umsetzung hapert es: «Die Mehrheit der befragten Grossunternehmen und KMU wollen dem drohenden Wissensverlust durch das Ausscheiden älterer Mitarbeitender mit Generationenmanagement begegnen», sagt HSLU-Projektleiterin Anina Hille. «Nur knapp die Hälfte der Arbeitgebenden finden jedoch, dass der Wissenstransfer und die Kommunikation zwischen den Generationen im Unternehmen tatsächlich stattfinden.» Das liesse sich mit einfach umsetzbaren Massnahmen ändern: «Bei der Umsetzung achten die Betriebe tendenziell noch zu stark auf die Unterschiedlichkeit der Generationen statt auf den Austausch und die Zusammenarbeit.» Firmen sollten deshalb das Miteinander fördern und den Beschäftigten aufzeigen, welcher Mehrwert daraus entstehe. So nütze ein besserer Wissenstransfer den Unternehmen gleichermassen wie den Mitarbeitenden. Beziehe man die Volkswirtschaft mit ein, könne sogar von einem «Triple-Win» gesprochen werden: «Arbeitnehmende erhöhen ihre Arbeitsmarktfähigkeit, Unternehmen halten ihr Wissen und verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil, während die Schweizer Volkswirtschaft das vorhandene Arbeitspotenzial besser ausschöpft.»
Eine konstante Aufgabe
Seit 2019 habe sich im Generationenmanagement schon einiges getan, freut sich Hille. «Es wenden sich deutlich mehr Unternehmen an uns, die das Thema strategisch angehen wollen und Unterstützung brauchen.» Etwa mit Seminaren zu Themen wie: «Erhaltung der Arbeitsmarktfähigkeit der älteren Belegschaft» oder «Rekrutierung der Generation Z». Daneben hat die HSLU ein Online-Tool entwickelt (siehe Kasten), mit dem der Stand des Generationenmanagements im Unternehmen erhoben werden kann und HR eine auf die jeweilige Situation zugeschnittene Handlungsanleitung sowie Umsetzungsempfehlungen erhält. Auch auf dem Markt gibt es immer mehr Angebote zum Generationenmanagement. Beispielsweise jene der Neustarter-Stiftung (siehe Kasten), die ältere Menschen im Arbeitsmarkt integrieren will. «Das ist äusserst erfreulich.»
Online-Tool Generationenmanagement der Hochschule Luzern
Das Tool erkundet wissenschaftlich fundiert Fragen wie: Welche generationenverbindenden Instrumente werden im Betrieb bereits umgesetzt, wie und auf welche Art und Weise werden Mitarbeitende im Erhalt ihrer Arbeitsmarktfähigkeit unterstützt und wie wird der Transfer von Wissen zwischen den Generationen sichergestellt? Basierend auf der Auswertung erhalten die teilnehmenden Unternehmen eine fundierte Standortbestimmung und ein Benchmarking gegenüber anderen. Der Report ist mit konkreten und praktischen Handlungsempfehlungen angereichert, welche auf die jeweiligen Unternehmensresultate eingehen. Fakultativ kann zusätzlich eine Online-Mitarbeiterumfrage durchgeführt werden. Diese Umfrage schliesst allfällige Lücken zwischen den Erwartungen und der Zufriedenheit der Mitarbeitenden zum Thema und jenen des Unternehmens. hslu.ch/generationenmanagement
Neustarter-Stiftung
Die Neustarter-Stiftung arbeitet seit 1999 an Lösungen, die den Dialog zwischen den Generationen aufrechterhalten und den Zusammenhalt fördern. Seit 2016 fördert die Stiftung mit dem «Neustarter-Projekt» die berufliche Weiterentwicklung sowie Veränderungen und Neustarts in der zweiten Lebenshälfte – innerhalb oder ausserhalb von Unternehmen. neustarter.com