Boommarkt Weiterbildung
Wie viel investieren Firmen tatsächlich in ihre Beschäftigten? Welche Lernformen wählen sie und was sind die aktuellen Weiterbildungstrends und -marktdaten? Eine Bestandesaufnahme.
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Der Schweizer Weiterbildungsmarkt ist ein komplexes Gebilde mit einer Vielzahl an Angeboten: Mehr als 2500 staatliche und private Bildungsanbieter tummeln sich weitgehend unkoordiniert darin. Das Marktvolumen beläuft sich auf ungefähr 5,3 Milliarden Franken und entspricht etwa einem Prozent des Bruttosozialprodukts. Bund, Kantone und Gemeinden investieren jährlich 28 Milliarden Franken in die Ausbildung. In die Weiterbildung fliessen davon jedoch nur 600 Millionen Franken über Spezialgesetze in Kurse für Erwerbslose und Migranten sowie in die höhere Berufsbildung. Zwei Drittel dieser Bildungsangebote stehen allen Bildungsinteressierten offen, während sich das übrige Drittel vorwiegend an spezielle Teilnehmergruppen, Fachpersonen oder Betriebsangehörige richtet.
587 Franken pro Kopf und Jahr
Mit den Bildungsreformen der vergangenen Jahre ist zudem die Komplexität des Weiterbildungsmarktes stetig angestiegen: Die Anbieter tertiärer Weiterbildungsangebote (Hochschulen, Fachhochschulen, pädagogische Hochschulen und Anbieter der höheren Berufsbildung) haben diesen mit Weiterbildungsangeboten förmlich überschwemmt. Das wiederum führte zu heftigen öffentlichen Debatten um den Status und den Marktwert dieser Abschlüsse und Titel.
Eine noch grössere Herausforderung liegt jedoch in der internationalen Anerkennung der schweizerischen Ausbildungen und Abschlüsse. Dazu wird der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) bei der Niveaufestlegung der formellen Abschlüsse bestimmend sein. Zu reden gibt in diesem Zusammenhang die Übersetzung der Schweizer Titel: So forderten verschiedene Verbände den Titel «Professional Bachelor» oder «Professional Master» als standesgemässe Übersetzung. Politisch fanden diese Forderungen jedoch keine Mehrheit, mit der Begründung, dass mit diesen Bezeichnungen Berufstitel und akademische Titel vermischt würden. Ein Ende der Diskussion ist noch nicht in Sicht.
Der fortlaufende Diskurs über die Positionierung der Schweizer Bildungstitel im internationalen Umfeld hat dem Weiterbildungswillen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden jedoch keinen Abbruch getan. Der allseits geäusserte Appell nach lebenslangem Lernen wird erhört: 83 Prozent der Arbeitgeber beteiligen sich an den Weiterbildungskosten und ermöglichen ihren Mitarbeitenden, eine Weiterbildung während der Arbeitszeit zu absolvieren. Das ist den Unternehmen pro Arbeitnehmer im Jahr durchschnittlich 587 Schweizer Franken wert. Rechnet man die Arbeitszeit mit ein, sind es sogar 1376 Franken. Das entspricht 0,8 Prozent der Schweizer Arbeitskosten. Ungefähr 30 Stunden dauert eine Weiterbildung am Arbeitsplatz, wobei 72 Prozent der Arbeitgeber vor allem praktische und aufgabenbezogene Kompetenzen ihrer Angestellten fördern.
Den bei Arbeitnehmern beliebten Themen Gesundheit und Medizin, Informatik, Persönlichkeitsentwicklung und Sprachen messen sie hingegen nur eine geringe Bedeutung bei. Die weitaus am häufigsten gewählte Vermittlungsmethode von Lerninhalten ist der Kurs: Rund 77 Prozent der vom Bundesamt für Statistik (BFS) befragten Betriebe wählen diese Weiterbildungsform, die zu zwei Dritteln ausser Haus stattfindet. Als beinahe ebenso wichtige Lernplattform betrachten 65 Prozent der befragten Unternehmen die Teilnahme an Konferenzen, Seminaren und Messen. Bei der Wahl der Anbieter verlassen sich rund 40 Prozent der Arbeitgeber auf Qualitätsstandards wie Eduqua oder ISO.
Eklatante Branchenunterschiede
Grössere Unternehmen bilden häufiger intern weiter als kleinere: So bieten 94 Prozent der Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten interne Kurse an, während es bei kleineren Unternehmen nur 45 Prozent sind. Nicht nur die Grösse entscheidet, ob Arbeitnehmende von Weiterbildungsmassnahmen profitieren. Es existieren auch eklatante Branchenunterschiede: Während die Finanzbranche für die Weiterbildung am tiefsten in die Tasche greift, gibt man sich im Gastgewerbe am knausrigsten, obwohl Tarifverträge bestehen, die den Servicefachangestellten pro Jahr drei Tage Bildungsurlaub zugestehen.
Bildungsbenachteiligt sind aber nicht nur Kellnerinnen und Köche: Geringqualifizierte werden in der Schweiz generell kaum gefördert. Zu diesem Schluss kam jedenfalls die Eurostat-Befragung des Jahres 2012, die der Schweiz hier ein ausserordentlich schlechtes Zeugnis ausstellt. Auch das BFS ortet bei verschiedenen Mitarbeitergruppen Diskriminierungstendenzen: Während Männer, gut Ausgebildete und Vollzeitbeschäftigte in den Genuss von Weiterbildungsmassnahmen kommen, werden Frauen, Teilzeitangestellte oder Schlechtqualifizierte eher benachteiligt. Mit dem Weiterbildungsgesetz (WeBiG), das im Juni 2014 verabschiedet wurde, sollen Arbeitgeber bei der Förderung der Grundkompetenzen ihrer Mitarbeitenden nun stärker in die Pflicht genommen werden.
Weiterbildung
Mit der bevorstehenden Einführung des Weiterbildungsgesetzes (WeBiG) wurde der Begriff «Weiterbildung» neu definiert. Subsummiert sind darunter die Begriffe der formalen, der nonformalen und der informellen Bildung.
Formale Bildung
Diese umfasst alle Bildungsgänge der obligatorischen Schule, der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe.
Nonformale Bildung
Dazu zählen alle Lernaktivitäten innerhalb einer Schüler-Lehrer-Beziehung, die nicht zum regulären Schulsystem gehören. Das sind beispielsweise Konferenzen, Seminare, Schulungen am Arbeitsplatz oder On-the-Job-Trainings.
Informelle Bildung
Darunter werden alle Aktivitäten zusammengefasst, die dazu dienen, im Selbststudium ein Lernziel zu erreichen, wie beispielsweise das Studium von Fachliteratur bis hin zu Lernzirkeln.