Martin Honegger
Chatbots sind generell eine gute Sache und können bei gewissen Themen sehr hilfreich sein. Allerdings sollte man sie nur in Situationen einsetzen, in denen man mit automatisierten Antworten arbeitet oder ein Call Center im Hintergrund hat, um weiterführende Bewerberfragen in Echtzeit qualifiziert beantworten zu können.
Es wird immer mehr automatisiert. Dieser Trend macht auch vor HR-Prozessen nicht Halt. Obschon durch die Automatisierung Lebensläufe schneller nach spezifischen Fähigkeiten und Schlagworten durchsucht werden können und effizient entschieden werden kann, ob ein Bewerber über die notwendigen technischen Skills und die nötige Ausbildung verfügt, gehen die Soft Skills vergessen. Die einstellende Firma muss jedoch ein Gefühl für einen Kandidaten bekommen, um teure Fehlbesetzungen zu vermeiden. Das beinhaltet etwa, das Verhalten des Kandidaten am Telefon wahrzunehmen oder die Qualität seiner E-Mails zu berücksichtigen. Stellensuchende hingegen möchten einen ersten Eindruck eines potenziellen neuen Arbeitgebers erhalten. Etwa, wie dieser ihre Fragen aufnimmt und damit umgeht. Bewerbende leiten aus solchen Prozessen ab, wie ihre Anliegen künftig behandelt werden. Mit Chatbots geht ein weiterer Teil des persönlichen Kontakts verloren. Dieser ist jedoch für mich als Recruiter, für Bewerber und das suchende Unternehmen bei der Stellenbesetzung das Wichtigste.
Ein weiteres Argument, das gegen Chatbots spricht, ist das mutmasslich fehlende Detail- oder Fachwissen der dahinterstehenden Personen, denn nebst dem zukünftigen Vorgesetzten und den HR-Verantwortlichen wird niemand genau über die zu besetzende Position Bescheid wissen und kompetent Auskunft geben können.
Hat ein Kandidat eine Detailfrage zur Vakanz, wird er von Chatbots unweigerlich mit Standardantworten abgespeist, denn die verantwortlichen Personaler betreuen eine Vielzahl von Vakanzen und sind häufig in Bewerbungsgesprächen. Die Linienverantwortlichen wiederum sollten sich um das Tagesgeschäft kümmern und können nicht ständig für Anliegen von Bewerbern zur Verfügung stehen. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass Chatbots nur befähigt sind, allgemeine Fragen zu den Anstellungsbedingungen zu beantworten. Da diese jedoch bei einer Vielzahl von Unternehmen auf der Webseite publiziert werden, sollten sich Bewerber diese Fragen mit wenig Eigenrecherche beantworten können. Kaum vorstellbar ist es, einem neuen Arbeitgeber im Erstkontakt Fragen zur Arbeitszeit, zu Ferientagen oder Vergünstigungen zu stellen.
Aus den genannten Gründen sehe ich den Verwendungszweck der Chatbots weiterhin im technischen Support oder bei Online-Shops, aber nicht im Recruitment, wo der Faktor Mensch eine grosse Rolle spielt.