Das Glück des Scheiterns
Zu scheitern gilt in unserer Kultur immer noch als Versagen. Das ist völlig falsch, findet der Outplacement-Profi Riet Grass und hat darüber ein Buch geschrieben. In «Das Glück des Scheiterns» fasst er seine Erkenntnisse aus der Outplacement-Praxis zusammen. Das Buch dient als Reiseführer für Manager und andere Menschen, die sich nach mehr Sinn in der Arbeit und im Leben sehnen.
Das «Glück des Scheiterns» heisst das Buch des Outplacement-Profis Riet Grass. (Bild: zVg, Montage: HR Today)
Herr Grass, Sie haben vor kurzem das Buch «Das Glück des Scheiterns» veröffentlicht. Was war der Grund, dieses Buch zu schreiben?
Riet Grass: Bereits vor dem Verkauf meines Unternehmens Riet Grass und Partner habe ich mir natürlich überlegt, was ich in meiner dritten Lebensphase machen soll. Da kam ich auf die Idee, mein Wissen und meine Erkenntnisse im Umgang mit Tausenden von Menschen, die in einer Lebens- oder Karrierekrise stecken, einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Darauf gebracht hat mich der Moderator Urs Leuthard, der mich an meiner letzten Kundenveranstaltung, der Grass Arena im Juni 2014, motiviert hat, meine Erfahrungen niederzuschreiben.
Der Titel Ihres Buchs lautet «Das Glück des Scheiterns». Weshalb ist für Sie Scheitern ein Glück?
Ich habe persönlich zwei Mal im Leben erfahren, dass Scheitern zum Glück führen kann. Einmal, als ich als Personalchef entlassen wurde und nach einer Standortbestimmung zum Schluss kam, dass die Selbständigkeit der beste Weg für mich sei. Das hat sich auch bestätigt. So habe ich in siebzehn Jahren eine Firma aufgebaut, die heute in der Schweiz führender Outplacement-Anbieter im Kaderbereich ist und 25 Mitarbeitende beschäftigt. Das war für mich eine äusserst befriedigende und erfüllende Aufgabe, nicht zuletzt wegen der 25 Mitarbeitenden. Das zweite Mal bin ich gescheitert, als ich vor zwölf Jahren einen dramatischen Unfall erlitt und mir dabei beide Beine sieben Mal gebrochen hatte. Da habe ich die grösste Krise meines Lebens durchgemacht. Das Wichtigste in solchen Situationen ist, etwas daraus zu lernen. So bin ich darauf gekommen, dass ich zuviel gearbeitet habe und früher oder später vielleicht sogar einen Herzinfarkt erlitten hätte.
An wen richtet sich Ihr Buch?
«Das Glück des Scheiterns» richtet sich vor allem an Führungspersönlichkeiten und Manager, welche schwierige Veränderungen für sich und ihre Mitarbeitenden bewältigen müssen. Zudem an breitere Personenkreise, die in bestimmten Abständen für sich eine Standortbestimmung machen wollen, um zu beurteilen, wo sie stehen, was sie können und wohin die künftige Reise gehen soll.
Als Ihr letztes Scheitern nennen Sie im Buch Ihre Pensionierung. Weshalb war es für Sie so schwer, loszulassen?
Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, ein Lebenswerk loszulassen, das einem Freude und Erfüllung bringt. Das ist vergleichbar mit einem Kind, das man selbständig werden lässt. Man muss sicher sein, dass das Werk weitergeführt wird, die Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Nachfolger eine langfristige Perspektive haben.
Und wie haben Sie aus diesem Tief herausgefunden?
Das Schreiben meines Buchs hat mir geholfen, die Vergangenheit mit einem befriedigenden Gefühl hinter mir zu lassen. Zudem habe ich begonnen, zu malen und bin dabei, für 2017 Retraiten für Top-Manager zu konzipieren, die ich im Engadin durchführen werde.
Was ist Ihre Botschaft ans HR-Publikum?
Um seine Karriere erfolgreich und stimmig zu gestalten, muss man sich zwischendurch reflektieren und eine Standortbestimmung machen. Durch Reflexion lassen sich Krisen und Veränderungen besser bewältigen. Um sein Glück zu finden, muss man aber vor allem eine Vision haben.
Zum Autor
Riet Grass ist in Zernez geboren und hat verschiedene Kaderstationen durchlaufen, bevor er sich 1997 mit 47 Jahren selbständig machte und das Outplacement-Unternehmen Grass und Partner gründete, das aktuell 25 Mitarbeitende beschäftigt. Ende 2014 verkaufte Riet Grass das Unternehmen an drei seiner Partner und ist heute Verwaltungsratspräsident seiner neugegründeten Firma «Riet Grass Holding AG» in Zug, zu deren Dienstleistungen Vorträge gehören, Turbocoachings und Retraiten für Manager im Engadin. Mit dem Buch «Das Glück des Scheiterns» hat Riet Grass seine Erkenntnisse aus seiner Outplacement-Tätigkeit aufgearbeitet.
Riet Grass: Das Glück des Scheiterns, Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2016.